Environment | Justiz

Stunk in Sterzing

Die Sterzinger SVP-Gemeinderäte kritisieren Bürgermeister Messner: Sein "abenteuerlicher Streit" mit der Biogas Wipptal GmbH habe jeden Bürger einen Kinobesuch gekostet.

50.000 Euro. So viel hat die Gemeinde Sterzing der Rechtsstreit mit der Biogas Wipptal GmbH gekostet. Das haben die beiden SVP-Gemeinderäte Dietrich Thaler und Josef Tschöll durch eine Anfrage an Bürgermeister Fritz Karl Messner in Erfahrung gebracht. Die beiden Volksparteiler sprechen von einer “Unsumme”, die der “abenteuerliche Streit des Bürgermeisters” die Bürger gekostet habe. “Jeden einzelnen mal so im Vorbeigehen einen Kinobesuch oder, selbst bei Sterzinger Preisen, einen Schwimmbadbesuch”, rechnen Thaler und Tschöll vor. Um zu verstehen, worum es genau geht, lohnt sich ein Blick zurück.


Bedenken in Sterzing

Es war das Jahr 2008, als sich eine Gruppe von Wipptaler Bauern in der Biogas Wipptal GmbH zusammenschloss. Seit Anbeginn setzten sich die mittlerweile 63 Mitglieder für den Bau einer Biogas-Anlage auf dem Gebiet der Gemeinde Wiesen/Pfitsch ein. In diesem soll mit den rund 600.000 Kilogramm Wirtschaftsdünger, die die Milch- und Fleischbauern von Sterzing und Umgebung jährlich produzieren, elektrische Energie erzeugt werden. Als Nebeneffekt der Energieerzeugung verspricht man sich die Gewinnung eines “völlig natürlichen und geruchlosen Düngers für die Ausbringung in der Milch-, Obst- und Weinwirtschaft”. Einziger Haken – aus Sicht der Sterzinger Stadtregierung: Das für die Biogas-Anlage ausgewiesene Gelände liegt an der Grenze zum Gemeindegebiet der Fuggerstadt.

2011 und 2012 reichte die Sterzinger Stadtverwaltung beim Verwaltungsgerichtshof zwei Rekurse gegen die Ausweisung der Zone und die Bauleitplanänderung der Gemeinde Wiesen/Pfitsch ein. Die Begründung: Der Standort des Bauwerks befinde sich zu nahe am Stadtgebiet und man habe “grundsätzlich große Bedenken, dass die Anlage eine starke Geruchsbelästigung für die naheliegenden Wohngebiete und somit eine Beeinträchtigung der Lebensqualität der dort wohnenden Bürger mit sich bringt”. Zudem gebe es Sorge “um die Qualität der Eisackpromenaden und der sich in der Nähe befindlichen Sport- und Naherholungszone, welche stark in Mitleidenschaft gezogen werden könnten”. Ein weiterer Rekurs – gegen die Baugenehmigung – folgte 2014.


Erfolge für Biogas

Alle drei Rekurse wurden von den Verwaltungsrichtern angenommen. Woraufhin die Biogas Wipptal GmbH in allen drei Fällen Einspruch erhob und ihrerseits Rekurs beim Staatsrat einlegte. Und drei Mal Recht bekam. Zuletzt am 8. Februar dieses Jahres, als der Staatsrat die Entscheidung traf, dass die zwei Rekurse aus den Jahren 2011 und 2012 unzulässig und unbegründet gewesen seien (der dritte Rekurs war bereits am 11. Februar 2015 für unzulässig erklärt worden). Das Urteil des Verwaltungserichts wurde aufgehoben, die Gemeinde Sterzing zur Bezahlung sämtlicher Anwaltskosten verurteilt.


Sterzinger Stadtrat: “Natürlich wird es weiterhin Aufgabe der Stadtverwaltung sein, sich eine zivilrechtliche Klage vorzubehalten.”

Genugtuung bei der Biogas Wipptal GmbH, als vor etwas mehr als einem Monat der Urteilsspruch bekannt wurde. Dieser bedeute “eine Stützung der Landwirtschaft des Bezirks, der ohnehin von einer besorgniserregenden Krisensituation und einem feststellbaren ‘Höfesterben’ erschüttert wird”. Durch die Weiterverarbeitung des Wirtschaftsdüngers – der aufgrund seines zum Teil über dem EU-Grenzwert liegenden Nitrit-Gehalts kaum zur Gänze auf den Betriebsflächen ausgebracht werden darf – tue sich ein neues ökonomisches Betätigungsfeld für die 63 Bauern auf. “Zusätzlich können sie zur Lösung eines Problems beitragen, welches derzeit in Südtirol die Gemüter erhitzt”, ist man bei der Biogas Wipptal GmbH überzeugt. Denn die überschüssige Gülle einer Biogas-Anlage zuzuführen bilde “eine gute Alternative zur Ausbringung von Gülle in den Natura-2000-Gebieten”.


Schelte für Messner

Seit dem Frühsommer 2015 steht das Gebäude, für Ende März ist die Inbetriebnahme der Biogas-Anlage geplant. Die Sterzinger Stadtregierung sieht das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Zum einen wahre das Urteil des Staatsrates die Hoheitsrechte der Gemeinde Sterzing (eine Zufahrtsstraße zur Biogas-Anlage über das eigene Gemeindegebiet darf nur mit Einverständnis der Stadtverwaltung erfolgen); zum anderen behält man sich weitere rechtliche Schritte vor. “Natürlich wird es weiterhin Aufgabe der Stadtverwaltung sein, sich eine zivilrechtliche Klage vorzubehalten, sollten die zukünftigen Immissionen die geltenden Grenzwerte und die zumutbare Belastung übersteigen und die Lebensqualität der Bevölkerung bedrohen.”

“Der große Verlierer wird die Stadt Sterzing sein”, so das Fazit der Sterzinger SVP-Gemeinderäte Thaler und Tschöll, nicht zuletzt angesichts der Kosten von 50.000 Euro, die die Rechtsstreitigkeiten die Gemeinde Sterzing bisher gekostet haben. Sie lassen kein gutes Wort an Bürgermeister Messner, der bei den letzten Wahlen für die Liste “Für Sterzing Wipptal” gewählt wurde, und werfen ihm vor, “öffentliche Gelder in aussichtslosen Rechtsstreitigkeiten” zu “verschleudern”. Etwas ungerechtfertigt, bedenkt man, dass zumindest Dietrich Thaler zwischen 2010 und 2015 – also auch in jenen Jahren, als die Stadtverwaltung unter dem damals noch SVP-Bürgermeister Fritz Karl Messner Einspruch gegen die Errichtung der Biogas-Anlage erhob – für die SVP und mit Messner im Gemeinderat saß.