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Morgens um Vier

Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin, erscheint zumeist ein Album von Element of Crime. Die aktuelle Platte ist zwar ein Frühlingskind, doch unverändert melancholisch.
Element of Crime
Foto: Element of Crime

Das mittlerweile fünfzehnte Album der deutschen Band Element of Crime trägt im Titel eine Zeit, zu der man ihre Musik mit gutem Gewissen hören kann. Kaum eine andere Gruppe im deutschsprachigen Raum steht mehr für den unverwechselbaren Mix aus Melancholie und Romantik. Zu den Klängen von Jakob Ilja, Richard Pappik und neuerdings Markus Runzheimer (nach dem Tod des langjährigen Bassisten und Produzenten David Young), sowie den Texten von Wortschmied Sven Regener lässt es sich wunderbar in Traurigkeit versinken, daraus auferstehen, durch die Welt mit ihren vielen kleinen und größeren Momenten voller Poesie wandeln. Wer Element of Crime kennt und liebt, der wird auch mit dem neuen Album zufrieden sein. Zu einer Neuerfindung ist es auch bei der fünfzehnten Platte nicht gekommen, erwartet hat man sich das aber auch nicht. Dennoch gibt es einen leichten Stimmungswechsel im Vergleich zum 2018 erschienenen „Schafe, Monster und Mäuse“. Dessen Ausgelassenheit, etwa in Stücken wie „Die Party am Schlesischen Tor“, fehlt auf „Morgens um Vier“ größtenteils. Die Arrangements sind wieder schlichter, man verzichtet beispielsweise auf die Streicher des letzten Albums. Auch ist man weniger der Stadt Berlin zugewandt, Verweise auf die ewig in Melancholie versunkene Metropole waren auf dem Vorgänger ja an zahlreichen Stellen zu finden. „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“, oder „Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang“ sind schon jetzt, nur wenige Jahre nach Erscheinen, zu Klassikern im Repertoire der Band geworden.
 

Das neue Album gibt sich insgesamt ruhiger, nachdenklicher, doch bewegt sich auf gewohnt hohem Niveau.


Es bleibt abzuwarten, ob sich aus den zehn neuen Liedern des aktuellen Albums Klassiker herauskristallisieren. Potential dafür hätten einige der Stücke, allen voran die Eröffnung „Unscharf mit Katze“, welches bereits im Vorfeld als Single veröffentlicht wurde. Wie bei Element of Crime üblich, drehen sich die meisten Lieder um die Liebe, wobei Letztere wie so häufig bloß ein Rahmen ist, um vom Leben als Ganzes, und den Menschen, die es leben, zu erzählen. Ob es ein Polizist ist, der einem die Tür zur Straßenbahn aufhält, ein seltsamer Kauz, der nach Diamanten sucht, oder aber ein Hund oder eine Katze sind, die sich immer wieder in den Liedern der Band tummeln – Regeners Texte erzählen einmal mehr kleine Geschichten, deren Details selten ausgesprochen werden, aber durch den bildhaften Einsatz von Sprache jederzeit vor den Augen der Hörer*innen lebendig werden. Und während es in den meisten Liedern wieder bitter zugeht, die Liebe selten ungetrübt ist, schlägt ein Lied wie „Alles in Ordnung“ ungewohnt hoffnungsvolle Töne an.
 

Unscharf mit Katze


Sven Regener gibt sich auf dem neuen Album oft atemlos. Beinahe wie ein Rapper manövriert er sich mit der typisch kratzigen Stimme durch die Textzeilen. Jedes Wort hat seinen Platz, ist weder zu viel noch zu wenig. Beinahe mathematisch muten die neuen Texte an, verschachtelt die Sätze, sodass man sich nicht selten fragt, wo einer enden wird. Vorgetragen mit der Regener´schen Lakonie unterhält das Album gut, auch dank einer guten Balance zwischen ruhigeren und flotten Stücken. Ungewöhnlich für die Band ist ein Duett, welches das erste Drittel des Albums beendet, ehe der noch bessere Mittelteil folgt. In „Dann kommst du wieder“ singt Regener gemeinsam mit Tobias Bamborschke, seines Zeichens Sänger und Texter der Berliner Indie-Rockband „Isolation Berlin“ (auch höchst empfehlenswert!) über das Warten, und was denn alles währenddessen in der Welt geschieht.
Das Titelstück „Morgens um Vier“ beendet das Album, und ist gleichzeitig das längste Lied der Band. Ruhig und nachdenklich erzählt es von der magischen Stunde, kurz nachdem die Nacht ihren Höhepunkt erreichte, und es noch nicht richtig Morgen ist. Wenn man, so Regener, beim Nachhausegehen keine Menschenseele trifft, völlig allein ist, allein mit sich und der Stadt.
Das neue Album gibt sich insgesamt also ruhiger, nachdenklicher, doch bewegt sich auf gewohnt hohem Niveau. EoC-Fans spitzen sowieso ihre Lauscher, alle anderen sollten dem Album zumindest eine Chance geben. Jetzt gleich, nach dem Aufstehen, vor dem Schlafengehen, in der Pause, oder eben ganz passend, morgens um Vier.
 

Morgens um Vier