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"Wir düngen die Südtiroler Gaming Szene"

Interview mit Hannes Waldner, Vorsitzender Verein DUNG – South Tyrolean Gaming Fertilizer über die Vereinsgründung, die Gaming-Kultur in Südtirol und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: (c) Fiera Messe Bozen

DUNG = engl. DÜNGER, MISTHAUFEN, SCH..ß, so ist es auf der Webseite des Vereins zu lesen. DUNG – South Tyrolean Gaming Fertilizer wurde 2022 als erster Gaming-Verein Südtirols in Lana gegründet. Er will Dünger für die Gaming-Kultur in all ihrer Vielfalt sein. Dabei sollen nicht nur Gaming-Events und Workshops organisiert, sondern auch Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Sensibilisierung umgesetzt werden.

 

Einen Verein zu gründen und zu führen bedeutet viel Zeitaufwand und ehrenamtliches Engagement. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ausgerechnet einen Verein für das Gaming zu gründen? Und warum ist das noch nicht früher geschehen?

Hannes Waldner: Wir haben DUNG gegründet, weil Gaming die aktuell wichtigste und sich am schnellsten entwickelnde Kulturform der Welt ist. Dabei ist aber die Wahrnehmung in Südtirol eine komplett andere. Gaming wird nämlich als Kunst- oder Kulturform gar nicht wahr- geschweige denn ernstgenommen. Dabei verbindet es Menschen jeden Alters und Hintergrunds über Grenzen hinweg durch die Kraft des Spiels. Diese Seiten und auch Potenziale in der ganzen Vielfalt aufzuzeigen hat bisher in Südtirol niemand getan. Dafür gibt’s eine Menge Gründe.

Es ist eine große Herausforderung und Verantwortung, einen Verein zu gründen und zu führen. Das schreckt sicher viele ab, vor allem junge und in der Vereinswelt unerfahrene Gamer:innen. In der Gaming Szene kommt noch dazu, dass vor allem „Spieler-Gruppen“ aktiv sind, sogenannte „Clans“, denen in den letzten Jahren immer wieder Steine in den Weg gelegt wurden, um wirklich einen Verein gründen zu können. Unter anderem fallen diese Clans in ihrer Tätigkeit nicht in klare bestehende Vereinsformen – sind sie Sportclubs oder Kulturvereine? Jugendliche organisieren sich deshalb mittlerweile viel loser und punktueller, spielen weltweit vernetzt. Dabei geht aber der Lokalbezug immer mehr verloren, man hat keinen Platz in der Gesellschaft, nur in der Gaming-Blase des Internets.

 

Als Vorstand von DUNG haben wir den Vorteil, dass wir gebündelte Erfahrung aus der Arbeit in anderen Vereinen mitgebracht haben und uns von all den Hindernissen auch nicht abschrecken ließen, um dem Gaming in Südtirol eine Stimme und einen Platz zu geben.

Vielen ist vielleicht nicht bewusst, dass die weltweite Gaming-Szene riesig und sehr vielfältig ist. Gibt es dazu Zahlen spezifisch für Südtirol?

In Südtirol haben wir leider keine aktuellen Zahlen – da sind wir sehr schwach mit Statistiken und Umfragen aufgestellt. Vielleicht können wir das als DUNG mittelfristig lösen. Weltweit oder auf Italien und das deutschsprachige Ausland gemünzt gibt es aber recht eindeutige Daten. Wir können sagen, dass bei Jugendlichen das Gaming dem Fernsehen als Leitmedium mittlerweile klar den Rang abgelaufen hat. Über 90% der Jugendlichen in Deutschland spielt regelmäßig (täglich oder mehrmals in der Woche) digitale Spiele. In Österreich spielen über 50% der Bevölkerung zwischen 11 und 55 Jahren Videospiele, in Italien sind es auf die Gesamtbevölkerung gesehen knapp 40%. Und mittlerweile spielen beinahe gleich viele Frauen (43%) wie Männer. Gaming ist also ein gesamtgesellschaftliches Thema und sollte auch so wahrgenommen werden.

Welche Events und Aktivitäten bietet ihr an, und welche Bevölkerungsgruppen möchtet ihr „düngen“?

Wir haben letzthin die zweite Edition des Game Jams, ein Spielentwicklungs-Hackathon, zusammen mit dem Bitz Fablab an der Freien Universität durchgeführt. Fixpunkte sind auch die 24h Lan-Party KiMM Together für die wir mittlerweile in der Gaming-Community im ganzen Land bekannt sind oder auch das Blackout Gaming Event, wo wir ein Wochenende lang komplett ohne Strom spielen, also rein auf Brett-, Karten-, Rollen-, und Outdoor-Spiele setzen – denn Gaming ist mehr als nur digitales Spiel!

Im Moment sind wir sehr stolz und froh, unseren Verein und das Gaming zusammen mit anderen Trägern auf der Freizeit 2023 in der Messe Bozen präsentieren zu dürfen.

Wir unterstützen auch Interessierte bei der Durchführung von Gaming-Veranstaltungen und bieten ein Sommerwochen-Konzept für Jugendliche an, wo wir unserem Bildungsauftrag nachgehen. Wir möchten aufklären und Kinder und Jugendliche befähigen in diesen Spielewelten ihren Weg zu finden. Es gilt ihnen das Rüstzeug mitzugeben, um sowohl sicher als auch mit Maß und Ziel zu spielen – denn logisch gibt es neben all den positiven Aspekten rund um das Gaming auch eine Reihe von Gefahren. Was Eltern und Pädagog:innen betrifft: Ihnen möchten wir Ängste nehmen, Möglichkeiten aufzeigen und auch klar machen, dass sie Verantwortung tragen, Kinder und Jugendliche in diesen Spielewelten zu begleiten.

 

 

Vorurteile über Gamer:innen gibt es viele, welchen begegnet man denn hierzulande konkret? Werden Gamer:innen heute vorurteilsfreier gesehen als noch vor 20-30 Jahren?

Es kommt auf den Kontext an. Unter Jugendlichen ist Gaming heute absolut normal und Leitkultur. Das war in meiner Jugendzeit noch nicht der Fall – da war ich eher die Ausnahme, wenn ich mit 16 Jahren noch Videospiele gespielt habe. Wer mit den Spielen aufgewachsen ist und als Kind gespielt hat, der wird ihnen auch als Erwachsener eher positiv zugewannt sein. Die Millennials – die rund 30-Jährigen – sind die erste Generation, bei denen das so ist. Wobei es damals vor allem Jungs waren, die spielten, das heißt die heutigen jungen Väter sind tendenziell positiver eingestellt als die Mütter.

In der Welt der Pädagogik überwiegt auch immer noch das negative Bild, genauso habe ich den Eindruck in der Gesamtgesellschaft. In der öffentlichen Wahrnehmung war das Gaming bisher gar nicht präsent, jedenfalls nicht in Südtirol. Es wird weder über Turniere, die in Südtirol stattfinden berichtet, Spiele-Neuveröffentlichungen werden nicht wie Kino-Filme, Musik-Alben oder Theateraufführung rezensiert, Möglichkeiten und Potenziale für die Südtiroler Wirtschaft nicht diskutiert. Andere Länder sind da bereits sehr viel weiter. In Südtirol dominiert immer noch die Angst vor Sucht oder Gewalt durch Spiele die öffentliche Diskussion. Das Bild vom „Suchti“, der in seinem Keller hockt und zockt ist also leider immer noch sehr verbreitet.

Du bist hauptberuflich Game & Experience Designer sowie im systemischen Management ausgebildet und in der Pädagogik tätig. Welche Argumente nutzt du am liebsten, wenn du solchen Vorurteilen, ewigen Skeptikern oder besorgten Eltern begegnest?

Ich bemühe mich in meiner Tätigkeit als Pädagoge schon seit Jahren Brücken zwischen Gamer:innen und Nicht-Gamer:innen zu bauen. Dazu braucht es erstmal eine gemeinsame Sprache für die Dinge, die Gamer:innen erleben, d.h. ich erkläre das Gaming mit Bildern und Worten, die die Zuhörer auch aus Nicht-Spielekontext kennen wie z.B. Sport und Sportveranstaltungen. Wenn ich bei meinen Vorträgen über „E-Sport“ rede oder darüber, dass die Jugendliche unterschiedlichsten Streamern auf Twitch oder Youtube beim Gamen zuschauen und die Zuhörer darauf nur den Kopf schütteln oder diese Tätigkeit sogar lächerlich machen, frage ich immer, wer bei den letzten olympischen Spielen oder der Fußball WM eine Übertragung geschaut hat? Das ist dann immer eine recht große Zahl. Wenn ich daraufhin erkläre, dass wir da auch nur irgendwelchen Fremden beim Spielen zuschauen, dann merken sie, dass da die Unterschiede vielleicht gar nicht so groß sind und sie verstehen besser, worum es auch beim Gaming geht. Sie nehmen dann einfacher eine andere Perspektive ein und wir reden plötzlich miteinander und nicht mehr gegeneinander.

Hast du persönlich Zeit regelmäßig zu gamen? Welches Spiel würdest du demnächst unbedingt gerne ausprobieren?

Beruflich bedingt spiele ich immer wieder zu Testzwecken u.a. die eigenen Spiele, an denen ich arbeite. Als Familienvater bleibt in meiner Freizeit weniger Zeit für‘s Spielen, wobei ich so langsam anfange, meine Tochter in die digitalen Spielwelten einzuführen, das macht uns beiden viel Spaß. Was wir als Familie und mit Freunden immer noch stark pflegen ist das analoge Spiel mit Brett- und Kartenspielen. Ein Video-Spiel, auf das ich mich besonders freue, ist Baldurs Gate 3, der langersehnte 3. Teil der gleichnamigen Fantasy-Rollenspiel-Reihe.