Politics | Aus dem Blog von Bioland

Bioland stellt 5 Fragen an alle Kandidaten für das EU-Parlament

Der ökologische Landbau hat sich in Südtirol in den letzten 20 Jahren betriebs- und flächenmäßig kontinuierlich positiv entwickelt und stellt heute eine wichtige Chance für die Zukunft unseres Landes, besonders für den ländlichen Raum, dar. Ob diese Entwicklung auch weiterhin möglich sein wird, hängt sehr stark von den Rahmenbedingungen ab, die in der Europäischen Union geschaffen werden. Bioland Südtirol stellte deshalb 5 Grundsatzfragen an alle Südtiroler Kandidaten für die Wahl zum EU-Parlament. Hier sind die Antworten, in der Reihenfolge, wie sie zeitlich bis heute bei uns angekommen sind. Beurteilt selbst, welche Bedeutung die Kandidaten der biologischen Landwirtschaft beimessen.
Wir haben die Wahl!
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

1. Revision der EU-Ökoverordnung

Der Hintergrund: Die EU Komission hat im März 2014 einen Entwurf für die Revision der EU ÖKO Verordnung vorgestellt. Dies erfolgte gegen die Stimmen der großen Mehrheit von Experten und der Branchenverbände. Der Entwurf ist in der vorliegenden Form ein bürokratischer Generalangriff auf die Weiterentwicklung des Ökolandbaus und wird zu einer dramatischen Einschränkung der Wirtschaftsgrundlage und zu einem massiven Rückgang des Öko-Landbaus und der  Öko-Lebensmittelwirtschaft in Europa führen. Wenn die EU-Kommission wirklich mehr Öko-Landbau in Europa erreichen will, dann durch die gezielte Verbesserung und eine bessere Umsetzung der bestehenden EU-Öko-Verordnung in den Mitgliedsländern.
 

Die Frage: Wie stehen Sie zum vorliegenden Entwurf der EU-Komission? Wie werden Sie die Weiterentwicklung der Ökologischen Landwirtschaft im Rahmen der EU-Gesetzgebung unterstützen?
 

Die Antworten:
Herbert Dorfmann (SVP):
Der Entwurf ist im Parlament noch nicht behandelt worden. Ich werde nichts unterstützen, was eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Bioanbaus in Europa gefährden oder einschränken könnte. Sollte ich weiterhin im Landwirtschaftsausschuss des EP arbeiten könnt ihr sicher sein, dass ich vor der Behandlung im Ausschuss eine
Aussprache mit euch suchen werde und eure Inputs berücksichtigen werde.
 

Pius Leitner (Freiheitlichen):
Statt immer neuer Reglementierungen wären zunächst Lücken bestehender EURegelungen abzudichten. Während derzeit vor allem die Öko-Design-Richtlinie der EU zu mitunter kurios anmutender Reglementierungswut führt, stellt sich immer häufiger
die Unzulänglichkeit bestehender Regelungen heraus. So ist die Öko-Verordnung nach wie vor weit interpretierbar. Unter 'regional erzeugten' Futtermitteln können sich sowohl in der gesamten EU hergestellte oder tatsächlich einer bestimmten Region
zuzuordnende Produkte verbergen. Das ist von den Mitgliedsländern derzeit beliebig auslegbar. Diese Unklarheit ist gerade mit Bezug auf den unterschiedlichen Zugang der Mitgliedsstaaten zur Agro-Gentechnik wenig hilfreich. Erst recht ist das die nach
wie vor aus der Gentechnik-Kennzeichnung ausgeklammerte Etikettierung tierischer Produkte. Hier lässt sich für den Verbraucher nicht erkennen, ob Tiere mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gemästet wurden oder nicht. Hier besteht, im
Sinne der Wahlfreiheit, ebenso dringender Nachbesserungsbedarf wie in den Bereichen Vitamine, Zusatzstoffe oder Aromen.
 

Oktavia Brugger (Grüne):
Ich lehne die Totalrevision der EU-Ökoverordnung in dieser Form kategorisch ab. Unter dem Vorwand des VerbraucherInnenschutzes werden durch die von der EUKommission vorgeschlagenen Änderungen BiolandwirtInnen für die Abdrift ihrer konventionellen Nachbarn bestraft. Völlig kontraproduktiv und unverständlich ist auch die Abkehr von der Prozessorientierung in der Bio-Gesetzgebung. Die Bemühungen der biologischen LandwirtInnen entlang der gesamten Produktionskette, wie dem Anbau, der Verarbeitung und dem Tierschutz werden so komplett entwertet.
Eine sinnvolle Weiterentwicklung der Öko-Verordnung muss die Rechte der Biobäuerinnen und Biobauern stärken und ihre Bemühungen um die Umwelt und die Gesundheit der BürgerInnen Europas und darüber hinaus honorieren. Notwendig sind
eine Intensivierung der Bio-Forschung unter anderem zu Themen wie biologische Saatgut/Futtermittel-Herstellung, sowie zur Weiterentwicklung biologischer Produktionsmethoden.

2. Transatlantisches Freihandelsabkommen

Der Hintergrund: Die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen, die die Europäische Kommission mit den USA derzeit hinter verschlossenen Türen führt, gefährdet alle Anstrengungen, die Landwirtschaft insgesamt umweltverträglicher und nachhaltig zu gestalten. Ein von Bioland gewolltes, künftiges EU-Agrarmodell, in dem gezielt nachhaltig wirtschaftende Landwirte unterstützt werden, wäre unter dem Freihandelsabkommen nicht mehr möglich. Denn die europäischen Landwirte, noch weitgehend in einer bäuerlichen Struktur, würden einem immensen Wettbewerbsdruck ausgesetzt, dem sie kaum standhalten könnten.


Die Frage: Wie stehen Sie zu den laufenden Verhandlungen? Wie wollen Sie einen breiten und transparenten gesellschaftlichen Diskurs realisieren, wie globaler Handel künftig umwelt- und sozialgerecht gestaltet werden soll?


Die Antworten:
Herbert Dorfmann (SVP):
Die Frage ist etwas tendenziös. Es ist so, dass in diesen Wochen alle über TTIP reden, niemand aber beispielsweise über das Mercosur – Abkommen. In Sachen Lebensmittelstandards ist dieses nämlich mindestens gleich gefährlich und die
Standards in der Lebensmittelerzeugung sind in den USA deutlich höher als in manchen Mercosur Staaten wie etwa Brasilien. Zudem ist dieses Abkommen praktisch fertig verhandelt, während TTIP auf weiter Flur ist. Wir haben gerade ein Abkommen
mit Kanada abgeschlossen. Auch darüber wurde kaum berichtet. Das Kanada Abkommen wird übrigens im Bereich Lebensmittel die Richtschnur für TTIP sein. Es stimmt einfach nicht, dass TTIP unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird. So
wurde beispielsweise im EP über kein Abkommen so gesprochen wie über das TTIP. Das Parlament hat auch eine Resolution dazu verabschiedet, die auch im Internet nachlesbar ist. Dieser habe ich zugestimmt. Sollte es zu einem Verhandlungsergebnis kommen muss das EP das Abkommen ratifizieren. Da gibt es für mich ein paar No go´s.
• Gentechnik: eine Aufweichung der europäischen Position kann es über ein Handelsabkommen nicht geben, weil sowohl die Bestimmungen über die Einfuhr als auch über den Anbau durch eine EU Verordnung geregelt sind, die nicht durch ein Handelsabkommen verändert werden kann.
• Einsatz von Hormonen: Ist ein gefährliches Thema, weil die US hier sehr drücken, dass wir ihre Produktionsbedingungen anerkennen. Für mich nicht akzeptabel.
• Cloning: gefährlich, weil es uns in Europa nicht gelungen ist, eine eigene Regelung zu finden. Es ist klar, dass wir kein Fleisch von geklonten Tieren akzeptieren. Aber das ist eine Scheindebatte. Niemand klont ein Tier, um es dann zu schlachten. Das Problem sind die Nachkommen von geklonten Tieren. Ich bin grundsätzlich gegen das Klonen von Tieren, brauchen wir in der Landwirtschaft nicht und ist aus Gründen des Tierschutzes nicht vertretbar.
• Schlachtkörperdesinfektion: gefährlich, ist eine in den US gängige Praxis. In den US glaubt man, Hygieneprobleme bei Hühnern eher nach dem Schlachten als während der Zucht zu lösen. Das ist nicht unser Ansatz. Wir glauben, dass bereits in den Ställen der Kampf gegen Salmonellen passieren sollte. Wir haben allerdings hier auch ein massives Problem gegenüber den US. Wir setzen, gerade aus dem oben genannten Grund, viel zu viele Antibiotika in der Hühnerzucht ein. Während wir also sagen, dass wir das Chlorhühnchen nicht wollen, sagen uns die Amerikaner (und sie haben meiner Meinung nach nicht ganz unrecht), dass sie die
Antibiotikahühner aus Europa nicht wollen. Es ist also nicht immer so, dass wir keinen Dreck am Stecken haben.
• Ursprungsbezeichnungen: Die US müssen unsere Ursprungsbezeichnungen anerkennen und sich verpflichten, diese in den US auch zu schützen. Sehr kompliziertes Thema, weil viele unserer Bezeichnungen in den US markenrechtlich geschützt und für uns illegal dort verwendet werden.

Langer Rede, kurzer Sinn: Wenn diese Fragen nicht zur Zufriedenheit gelöst werden, werde ich dem TTIP nicht zustimmen. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass der Export von Lebensmitteln aus Europa in die US schnell zunimmt und wir bei
Lebensmitteln einen sehr hohen Handelsüberschuss mit den US haben. Wir verkaufen den US vor allem hochwertige verarbeitete Produkte, zunehmend auch Bioprodukte (Wein, Käse, Schinken ecc.), während wir aus den US vor allem Rohprodukte kaufen.
 

Pius Leitner (Freiheitlichen):
Das transatlantische Freihandelsabkommen soll – wenn es nach den Verhandlungspartnern geht – Handelsschranken zwischen der EU und den USA abbauen. Während die Zölle bereits relativ niedrig sind, soll es dabei um den Abbau nicht tarifärer
Hindernisse gehen, etwa um Nahrungsmittelvorschriften, Gesundheitsvorschriften und technische Standards bei der Produktionssicherheit und bei Wettbewerbsbedingungen. Amerikanische Konzerne könnten durch das Freihandelsabkommen den Handel mit hormonbehandeltem Fleisch oder genetisch veränderten Organismen gesetzlich durchsetzen und europäische Vorschriften umgehen. Ein solches Abkommen nützt den multinationalen Konzernen und bedeutet für die einheimischen klein- und mittelständischen Betriebe einen schutzlosen Wettbewerb, bei dem die Stärkeren regelmäßig gewinnen. Wir lehnen eine derartige neoliberale Globalisierungspolitik ab und setzen stattdessen auf eine kleinstrukturierte und vielfältige Wirtschaft.

Oktavia Brugger (Grüne):
Beim derzeit verhandelten Transatlantischen Handelsabkommen (TTIP) geht es um einen gefährlichen Machtzuwachs der Konzerne, der verschleiert wurde und im Endeffekt den Bürgerinnen und Bürgern schadet. Es geht weder um den Zollabbau,
noch um den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse, sondern um die Investorenschutzrechte. Internationale Großkonzerne bekommen die Möglichkeit, Staaten auf Schadenersatz zu verklagen, wenn diese strengere Sozial- oder Umweltschutzgesetze
einführen. Im Klartext heißt dies, dass gerichtlich gegen Lohnerhöhungen, Lebensmittelstandards, oder wie in Deutschland geschehen, den Ausstieg aus der Atomenergie vorgegangen werden kann. Es wird zu enormen Schadenersatzforderungen kommen. Der Sozialstaat wird ausgehöhlt und die Bürgerinnen und Bürger verlieren wichtige Bereiche des  VerbraucherInnenschutzes und bekommen in der Folge „Hormonfleisch“ und „Gen-Gemüse“ vorgesetzt. Die derzeitigen Verhandlungsmechanismen werden auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern als intransparent wahrgenommen. VerbraucherInnenschutzrechte dürfen nicht in Hinterzimmern ausgemacht werden! Meiner Meinung nach regt sich völlig zu Recht zivilgesellschaftlicher Widerstand - nur so kann an die Nationalstaaten appelliert werden. Sozial- und Umweltstandards müssen auf einer breiten basisdemokratischen Ebene verhandelt werden. Es reicht aber nicht, dies nur auf EU-Ebene zu tun. Auch auf Ebene der WTO bedarf es einer weitreichenden Einbeziehung aller Beteiligten und eines fairen Nord-Süd-Dialogs, um die Ausbeutung von Menschen und Umwelt zu verhindern.

3. Bürokratie

Der Hintergrund: Bürokratie stellt eine zunehmende Belastung für die landwirtschaftlichen Betriebe, und in Summe für den Agrarsektor dar. Die Pflichten zur Dokumentation der betrieblichen Prozesse und Informationen nehmen laufend zu, und ihre Erfüllung verursacht zeitlichen und zum Teil auch kostspieligen finanziellen Aufwand. Besonders Kleinbetriebe und Gemischtbetriebe sind stärker gefährdet, die bürokratischen Pflichten nicht zu bewältigen, als spezialisierte und Großbetriebe. Die Diversifizierung der Betriebe und die Unterstützung kleinstrukturierter Betriebe ist hingegen das Ziel einer  umweltverträglichen und zukunftsfähigen biologischen Landwirtschaft.
 

Die Frage: Wie werden Sie die speziellen Gegebenheiten kleinstrukturierter und vielseitiger, landwirtschaftlicher Betriebe bezüglich bürokratischer Pflichten berücksichtigen und somit unterstützen?

Die Antworten:
Herbert Dorfmann (SVP):
Seit ich im EP bin versuche ich, übermäßige bürokratische Auflagen zu bekämpfen. Wir verteilen in der GAP jährlich rund 55 Milliarden Euro an Millionen von Bauern. Natürlich fällt da unweigerlich auch Bürokratie an. Es ist ja auch Pflicht der EU, zu
kontrollieren, ob das Geld rechtmäßig verwendet wird. Trotzdem müssen wir den bürokratischen Wulst eindämmen. Ich habe beispielsweise in den vergangenen Jahren sehr für eine Kleinerzeugerregelung bei der Verteilung der Fördergelder in der 1. Säule
gearbeitet. Diese wird es jetzt geben. Also: Es ist ein Kampf gegen die Windmühlen, aber manchmal gibt es Lichtblicke.


Pius Leitner (Freiheitlichen):
Die EU-Bürokratie, die die unsinnigsten Bereiche betrifft und unterschiedliche europäische Realitäten in Normen und Gesetze zwängt, ist einzuschränken. Für zahlreiche Bereiche braucht es keine EU, weil auch Länder und Staaten souverän
entscheiden können und die Menschen eigenverantwortlich entscheiden wollen. Das EU-Fördersystem ist neu zu ordnen, das zu einem „bürokratischen Monster“ verkommen ist. Die kleinstrukturierte Landwirtschaft gewährleistet die naturnahe
Produktion und leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung historisch gewachsener Kulturräume. Der alpine Raum ist deshalb in seiner ganzen Vielfalt förderungswürdig und nicht internationale Agrarriesen, die hektarweise Monokulturen
anbauen. Wir Freiheitlichen fordern eine Umschichtung von den Agrarriesen zu denen, die wirklich arbeiten, nämlich zu den Bauern und dabei insbesondere zu jenen Bauern in Berglagen, die ohne Beihilfen nicht überleben können. Hier sind auch die
bürokratischen Vorschriften entsprechend auszurichten.
 

Oktavia Brugger (Grüne):
Eine (Bio-)Bäuerin und ein (Bio-)Bauer sind ExpertInnen für die umweltfreundliche Produktion gesunder Lebensmittel. Damit sollten sie ihre Arbeitszeit verbringen. Auch wenn es sich bei der Bürokratie nicht nur um ein Problem der Landwirtschaft handelt, äußert es sich in dieser Branche und insbesondere in der Biolandwirtschaft doch besonders krass.
Auch mir sind von BiolandwirtInnen aus der Bekanntschaft Kontrollmarathone, die sich über Tage ziehen, bekannt. Für Kleinstbetriebe, wie sie in Südtirol vielfach zu finden sind, müssen unbedingt Erleichterungen vorgesehen werden. Die Beratung soll bei der Einhaltung der Kriterien helfen und Betrieben bei Verstößen Auswege aufzeigen. Der ökologische und soziale Mehrwert kleiner Betriebsstrukturen muss auch gesetzlich berücksichtigt werden.

4. Gentechnik

Der Hintergrund: Der Großteil der Europäischen Konsumenten lehnt Gentechnik in der Landwirtschaft, der  Lebensmittelherstellung und –verarbeitung ab. Auch in Südtirol ist die Entscheidung gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft (im Anbau und in der Fütterung) bis jetzt konsequent umgesetzt worden. In den Bioland-Richtlinien ist das Gentechnikverbot fest verankert. Die Gesetzgebung in Brüssel scheint die Wünsche der Bevölkerung diesbezüglich aber nicht wirklich ernst zu nehmen: Die Gentechnik-Kennzeichnungspflicht gilt zum Beispiel nicht für tierische Produkte wie Milch und Fleisch von Kühen, die mit GVO-Soja gefüttert wurden.


Die Frage: Wie wird im Falle Ihrer Wahl Ihr Verhalten bei Entscheidungen zur Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen und zur Kennzeichnung von Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte Substanzen enthalten sein?

 

Die Antworten:
Herbert Dorfmann (SVP):
Ich denke, dass es inzwischen weltweit kaum einen Staat gibt, der in Sachen Gentechnik so restriktiv ist wie die EU. Bekanntlich gibt es bisher nur eine Sorte, die für den Anbau zugelassen ist und diese wird auch kaum in Europa angebaut. Eine zweite wird folgen und zwar deshalb, weil der Rat keine klare Position diesbezüglich bezogen hat. Ich bin gegen die heute verfügbaren gentechnisch veränderten Sorten, weil sie oft agronomisch wenig bringen, von den Menschen nicht akzeptiert werden und Abhängigkeiten zu Anbietern aufbauen. Ich glaube aber gleichzeitig, dass man der Forschung nicht das Arbeiten verbieten
darf. Wenn moderne Züchtungsmethoden uns morgen in sehr wichtigen Fragen wie etwa verringerten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch Resistenzen weiterbringen können, ohne die oben genannten Probleme aufzuwerfen, stehe ich dem offen gegenüber. Die europäische Landwirtschaft kann aber im Anbau leicht auf alles verzichten, was heute am Markt verfügbar ist. Anders ist es beim Import. Leider ist eine Proteinversorgung der europäischen Landwirtschaft ohne gentechnisch veränderte Produkte nicht mehr möglich. Dessen sollte sich der Konsument bewusst sein. Wenn es nicht, wie in Südtirol, eine kontrollierte Gentechnikfreiheit gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise eine Kuh oder ein Schwein mit gentechnisch veränderten Produkten gefüttert wurde, inzwischen praktisch bei 100 %. Deshalb halte ich eine Kennzeichnung jener Produkte für richtig, die eben keine Gentechnik enthalten, weder direkt, noch in der Fütterung.


Pius Leitner (Freiheitlichen):
Vielen Bürgern sind Dimension und Bedrohungsszenarien der Grünen Gentechnik nicht bewusst. Diese Form einer mit Patenten und Lizenzgebühren arbeitenden Landwirtschaft ist ein machtpolitisches Instrument, das wenigen Konzernen die totale
Herrschaft über unsere Nahrungsmittel und damit unsere Zukunft in die Hand gibt. Es gibt keine Langzeitstudien über die Verträglichkeit gentechnisch veränderter Nahrungsmittel. Schon punktuelle Untersuchungen zeigen aber ein riesiges
Gefährdungspotential für die Gesundheit des Verbrauchers. Gleiches gilt für die intakte Natur. Einmal ausgesetzt sind gentechnisch manipulierte Organismen einer Seuche gleichzusetzen, die sich durch Auskreuzungen, also Ansteckung selbst vervielfacht und durch Menschenhand nicht mehr einzudämmen ist. Die Freiheitlichen setzen sich deshalb mit aller Entschlossenheit gegen eine Verbreitung der Grünen Gentechnik ein. Es geht um die Unabhängigkeit unserer Heimat, die Überlebensfähigkeit unserer Bauern und die Lebensqualität nachfolgender Generationen.
 

Oktavia Brugger (Grüne):
Wegen der umfassenden Unsicherheiten und der bereits bewiesenen Risiken der Gentechnik in der Landwirtschaft würde ich hier auf größtmögliche Sicherheit für die VerbraucherInnen und die ErzeugerInnen setzen. Dazu gehört für mich eine rigorose
Kennzeichnungspflicht für alles, was gentechnisch veränderte Rohstoffe enthält. Darüber hinaus sollte Regionen, welche sich einer Gentechnik-freien Landwirtschaft verpflichten, für ihren Einsatz für KonsumentInnen, Tiere und ErzeugerInnen honoriert
werden.

5. Saatgutregelung

Der Hintergrund: Etwa 95 Prozent des Gemüsesaatgutsektors in der EU wird von nur fünf Unternehmen gesteuert. Das EU-Parlament hat am 11. März gegen die EU-Saatgutverordnung gestimmt. Doch wie geht es nun weiter, in Sachen EU-Saatgutrecht? Sortenvielfalt ist die Voraussetzung für die Anpassungen an den Klimawandel und die regionalen Anbauverhältnisse. Wir benötigen für den Biolandbau Zulassungskriterien, die Öko-Neuzüchtungen ermöglichen, damit auch in Zukunft geeignete Sorten zur Verfügung stehen. Nur ein eigenes Prüfverfahren für Biobauern und Öko-Züchter – unter  Öko-Bedingungen – kann unter Beweis stellen, dass Öko-Neuzüchtungen ertragreiche Ernten einbringen und darüber hinaus ihren Teil zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zulassungskriterien sind einseitig auf Hochleistungs-Hybridsorten ausgerichtet, wovon vor allem die marktbeherrschenden Agrar-Konzerne profitieren. Eine grundlegende Überarbeitung des Saatgut- und Pflanzgutrechts in Europa wäre die beste Option für die Vielfalt.
 

Die Frage: Wie wollen Sie in Brüssel an das Thema Saatgutrecht herantreten?
 

Die Antworten:
Herbert Dorfmann (SVP):
Ich habe gegen die Verordnungsvorlage gestimmt, weil ich sie für unausgegoren und oberflächlich gehalten habe. Ich gehöre aber nicht zu denen, die sagen, dass man den ganzen Bereich nicht regeln sollte, also nicht zur Truppe „Nie wieder Saatgut im EP“.
Die heutigen Bestimmungen sind in vielen Bereichen unklar, auch bei der Ausnahme von der Zertifzierungspflicht. Tatsache ist, dass sich da auch in unserem Land glücklicherweise viel Sinnvolles entwickelt hat und viele Menschen mit viel
Engagement versuchen, alte Sorten, Landsorten ecc. zu erhalten und zu vermehren. Diese arbeiten heute in einer Grauzone und so etwa in einer Situation: Wo kein Kläger, da kein Richter. Sehr befriedigend ist das aber nicht. Es braucht sinnvolle Ausnahmen.
Mir scheint, dass die derzeitige Regelung in Österreich ein gutes Vorbild sein könnte. Sollte ich wieder im EP sein, werden wir uns sehr bald wieder mit Saatgut beschäftigen. Ich bin gerne bereit, das Thema mit euch zu besprechen und euren Input
dazu aufzunehmen.


Pius Leitner (Freiheitlichen):
Durch die Regelung des Saatgutverkehrs in den Mitgliedstaaten soll die Verbreitung von regionalen und seltenen Landsorten behindert werden. Eine aufwendige Bürokratie bei der Saatgutregistrierung würde den lokalen Handel unmöglich machen.
Derartige EU-Saatgutregelungen lehnen wir entschieden ab, da im Interesse einer wettbewerbsfähigen, flächendeckenden und naturnahen Landwirtschaft die natürliche genetische Vielfalt von Saatgut weiterhin erhalten und die Praxis des lokalen Handels
alter und seltener Sorten aufrecht bleiben muss. Wir erachten es als dringend notwendig, mit aller Vehemenz für den Erhalt alter und seltener Saatgutsorten einzutreten und zu verhindern, dass die EU die Vielfalt an Obst- und Pflanzensorten einschränkt.


Oktavia Brugger: (Grüne)
Beim Thema Saat- und Pflanzgut muss den Konzernlobbys in der EU entschieden Widerstand geleistet werden. Die Enteignung der Bäuerinnen und Bauern von ihren „biologischen Schätzen“ und die Einengung der Zuchtforschung auf eine Handvoll
Turbozüchtungen ist ein unwiederbringlicher Verlust für die Landwirtschaft und die Menschheit als Ganzes. Angesichts der schwierigen Herausforderungen wie Allergien und Unversträglichkeiten beim Menschen, Resistenzbildungen bei Schädlingen durch Pflanzenschutzmittel, massenhaftes und oft plötzliches Auftreten von „Schädlingen“ in der Landwirtschaft, muss die Forschung heute in die Breite gehen und die Vielfalt an Sorten und Kulturen nutzen. Erfolgversprechende Ansätze wie die Züchtung pilzwiderstandsfähiger Obst- und Weinbausorten, die Wieder-Nutzung alter Sorten für die Obst- und Gemüseproduktion, sowie die Versuche, Saatgut alter Sorten zu sichern und für die heutigen Erforderniss zu testen, müssen viel stärker öffentlich unterstützt werden.