Culture | Salto Weekend

Bitte streicheln!

"rosa me" ist pink, nackt und redet nicht. Außerdem steht sie gerne im Mittelpunkt, weiß immer genau was sie will und ist besonders neugierig, wenn sie Menschen begegnet.
foto_1.jpg
Foto: Foto: Sebastian Kraner

Die Performancekünstlerin Sara Schwienbacher aus Lana hat ein neues individuelles Kunstmedium für sich erfunden: die „Kunstfigur“. Als "rosa me" verwandelt sich Sara in ein lebendiges Kunstwerk, eine Art Untersuchungsinstrument, mit dem sie ihre Umwelt erforscht. Im Rahmen von Performances interagiert die Kunstfigur mit den Personen um sich. Im Zentrum steht dabei immer das Erlebnis der Begegnung zwischen "rosa me" und einer meist fremden Person.
"rosa me" ist eine kuriose Figur über die Sara einiges zu erzählen hat.

Woher kommt "rosa me" eigentlich?
Sara Schwienbacher: Am Anfang war es noch so, dass die Figur nichts Performatives an sich hatte, sie entstand aus einem Bedürfnis heraus, mich selbst als Gegenüber zu sehen. Ich glaube ich war 18 als ich mich das erste bemalt habe. Fragen zum eigenen Dasein, meiner Körperform, und die Neugier mich selbst als Kunstmaterial zu begreifen waren meine Ausgangspunkte. Dies hat sich weiterentwickelt als ich begonnen habe mich für die Wirkung der Figur in Resonanz mit dem Betrachter zu interessieren. Der Handlungsspielraum und die Dynamik zwischen mir und den Anderen wurde zum neuen Schwerpunkt. Mich interessiert vor allem wie der Betrachter das Angebot zu partizipieren aufnimmt und wie dies meine performative Haltung beeinflusst.

Für mich ist die Figur ein Freiraum und Lustraum, wo ich mir Dinge holen kann, an die ich sonst eher nicht herankomme.

"rosa me" ist immer nackt unterwegs: eine Provokation oder Normalität?
Die Nacktheit ist einfach die Konsequenz, welche die Figur durch ihre Erscheinung einfordert. Zu Beginn war meine Motivation eine Daseinsberechtigung mit einer „anderen Ästhetik“ zu erproben. Ich war immer schon davon genervt, dass Körper am liebsten alle ähnlich aussehen sollten. Anfänglich habe ich noch mit vielen verschiedenen Farben experimentiert; der nackte Körper wirkt in jeder Farbe anders, dann plötzlich war da Rosa. Und sowohl durch die Resonanz von außen als auch von Innen habe ich gespürt, dass es einfach stimmt, die Farbe hat sich echt aufgedrängt. Jede Aktion und jedes Bild das ich denke ist jetzt automatisch schon rosa.

Rosa ist eine stark symbolisch behaftete Farbe. Versteckt sich hinter dem „Süßen“ und „typisch Femininen“ ein kritischer Ansatz?
Ja, die Arbeiten können auch politisch gedeutet werden und haben auf jeden Fall feministische Züge. Aber das hängt von der Betrachtung ab, weil sich ja jeder anders in der Gesellschaft positioniert. Deshalb ist auch der Kontext so spannend. Je nachdem wo ich performe, spielen kulturelle Kontexte, soziale Schichten, oder andere Faktoren eine Rolle. Aber der Umgang mit dem Körper schafft eine intime Sphäre die über politisch oder feministische Perspektiven hinausgeht. Die Berührung zwischen der Figur und dem Betrachter ist tief, persönlich und spontan und hängt natürlich von der Geschichte des Betrachters ab.

Wie sieht so eine Begegnung zwischen "rosa me" und den BetrachterInnen aus?
"rosa me" hat einen sehr auffordernden Charakter, sie weiß was sie will und versucht es zu erreichen. In Lana habe ich die Federboas nicht nur um mich selbst, sondern auch um den Betrachter gewickelt, hab mir selbst über das Gesicht gestreichelt und die Besucher so aufgefordert mir eine Streicheleinheit zu schenken. Wenn ich merke, dass Personen sich zum Beispiel fremdschämen, dann kann es passieren, dass mich genau das reizt; dann provoziere ich auch gerne. Das spannende ist, dass ich nie weiß, wie es sein wird, wie es sich anfühlen wird. Es ist eine ungeplante Wechselwirkung die aus jeder Begegnung entsteht und die immer anders, neu und einmalig ist.

Was bedeutet "rosa me" für Sara?
Für mich ist die Figur ein Freiraum und Lustraum, wo ich mir Dinge holen kann, an die ich sonst eher nicht herankomme. Die Arbeit „bitte streicheln“ zum Beispiel ist in eine künstlerische Übersetzung von einem Bedürfnis, ein Eingeständnis bedürftig zu sein. Die Arbeit wird aber nie in diesem Bewusstsein konzipiert, es entsteht meist im Laufe der performativen Handlung, manchmal kristallisiert es sich auch erst lange nach einer Performance heraus. Das Prinzip Kunstfigur, das verkleiden oder eine andere Rolle spielen, ist auch tief in unserer Tradition verankert, wie zum Beispiel an Karneval. Der Unterschied ist, dass ich nicht in eine Rolle schlüpfe, mir nichts Fremdes aneigne, sondern etwas aus mich selbst heraus kreiere, mich neu erfinde und mich dadurch auch immer wieder selbst finde.

Neben ihrer Arbeit als freischaffende Künstlerin ist Sara Schwienbacher auch im Bereich der Kunsttherapie und Kunstpädagogik tätig. In Form von Workshops bezieht sie ihre Kunst in pädagogische Prozesse mit ein und erprobt das Medium der Performance mit Kindern oder Jugendlichen. Dabei geht es vor allem darum, den Schülern eine Begegnung zu bieten aus der jeder und jede eine individuelle Erfahrung für sich mitnimmt, um das Selbstbewusstsein und den Mut zu einer eigenen Haltung zu stärken. Erst vor kurzem war die Künstlerin auch im Realgymnasium in Meran um dort zusammen mit den Schülern „Performance“ zu erforschen. Sara Schwienbacher besetzt zurzeit eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin für künstlerische Forschung an der Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg. Zudem ist sie die künstlerische Leiterin von PAULA, dem lebendigen Galerieraum im Künstlerdorf Worpswede.