Politics | Schule

Eingeschränkte Meinungsfreiheit

Südtirols Schulländesräte behaupten allen Ernstes, dass eine Lehrperson auch privat nicht für die Legalisierung der leichten Drogen eintreten darf.
Wenn es eine Provokation war, dann ist sie aufgegangen.
Alessandro Urzì hat am 19. März im Südtiroler Landtag eine Anfrage mit dem vielsagenden Titel „La funzione di professore è compatibile con attività a favore della droga libera?“.
Der Landtagsabgeordnete von „Fratelli d’Italia/Alto Adige nel cuore“ will mit der Anfrage erfahren, ob die Rolle eines Professors oder Lehrers in einer öffentlichen Schule mit dem persönlichen Einsatz für die Liberalisierung leichter Drogen vereinbar ist.
Auf den ersten Blick ist es eine absurde Frage. Denn jeder öffentliche Bedienstete und allen voran Lehrer müssen sich an die Gesetze halten und können in ihrem Unterricht nicht zu illegalen oder verbotenen Handlungen aufrufen. Jede Übertretung dieser Grenze wird sowohl straf- wie dienstrechtlich geahndet.
Persönliche Meinungen, Überzeugungen und auch das politische oder gesellschaftliche Engagement der öffentlichen Bediensteten in ihrer Freizeit haben den Dienstgeber aber nicht interessieren, solange diese nicht gegen geltende Bestimmungen oder Gesetze verstoßen.
Der Einsatz für die Legalisierung von leichten Drogen ist in Italien aber keine Straftat, sondern wie in den meisten westlichen Demokratien eine gesellschaftliche, medizinische und politische Überzeugung, die durch das demokratische Recht auf Meinungsäußerung verfassungsrechtlich geschützt ist.
In Südtirol gilt das aber anscheinend nicht. Das geht aus der Antwort hervor, die der italiensche Schullandesrat Giuliano Vettorato jetzt gegeben hat.
 

„Auch nicht außerhalb“

 
Giuliano Vettorato verweist in seiner Antwort auf die Anfrage von Alessandro Urzì zuerst darauf, dass sich Lehrer und Professoren, die im öffentlichen Unterrichtswesen tätig sind, an den nationalen Verhaltenskodex zu halten haben, der in Südtirol durch ein eigenes Landesgesetz übernommen wurde.
Dort sei auch festgeschrieben, “di svolgere i propri compiti nel rispetto della legge” und “evitare situazioni e comportamenti che possano nuocere agli interessi o all’immagine della pubblica amministrazione”.
Vettorato dann wörtlich:
 
Essendo il consumo e la diffusione delle sostanze stupefacenti normato in Italia con disposizioni di legge che ne vietano la diffusione e il consumo, un insegnante, come qualunque dipendente pubblico, che svolgesse attività a favore della droga libera, sarebbe già per tali ragioni perseguibile per legge, in quanto metterebbe in atto attività e comportamenti che nuocerebbero all’immagine della pubblica amministrazione che sarebbero non compatibili con la propria funzione.
Se consideriamo inoltre la funzione docente, come propria di personale che deve possedere competenze psico-pedagogiche e quindi educative, definite dal Contratto collettivo nazionale quadro 2018, art. 27, le quali si esplicano in coerenza con le finalità generali del Sistema nazionale di istruzione e formazione e in armonia con il PTOF (Piano triennale dell’offerta formativa di ciascuna scuola), anche in questo caso rileviamo incompatibilità con l’attività di un docente a favore della droga libera, essendo l’educazione alla salute e le conseguenti azioni di prevenzione del consumo delle sostanze stupefacenti tra alunni e studenti delle scuole, una delle linee prioritarie degli interventi educativi delle scuole.
 
 
Inoltre, la prevenzione del consumo delle sostanze stupefacenti in età scolare è uno degli interventi prioritari anche delle politiche scolastiche in Italia, come conferma il Piano di azione: “Prevenzione dell’uso di droga in età scolare - Attuazione dell'accordo per la prevenzione dell’uso di droga in età scolare sottoscritto dalla Presidenza del Consiglio dei Ministri e il Ministero dell’Istruzione, dell’Università e della Ricerca”, emanato nel 2019.
Destinatari di tali azioni di prevenzione di comportamenti nocivi e dannosi per la salute dei giovani, specie nella fase scolare, sono soprattutto i docenti, che hanno lo scopo di veicolare didatticamente e con opportune strategie educative, collaborando con i SS. Sanitari e i Dipartimenti antidroga del Ministero dell’Interno, messaggi e comportamenti che vadano nella direzione della responsabilizzazione dei giovani e della diffusione di comportamenti corretti riguardo alla propria salute.“

 

Dann folgt ein Satz, den man mehrmals lesen muss:

„Per tali prioritarie ragioni riteniamo che l’attività a favore della droga libera eventualmente svolta da un docente, anche se non direttamente nell’esercizio della propria funzione, abbia un carattere di non compatibilità con la funzione docente.“
 
Demnach darf eine Südtiroler Lehrerin oder ein Angestellter der Südtiroler Schule weder Mitglied beim Bozner Cannabis Social Club sein, noch sich an einer Demonstration oder Bewegung für die Liberalisierung der Drogen beteiligen.
Die Antwort passt zur Politik jener Partei, der der italienische Schullandesrat angehört, der Lega.
In der Antwort von Giuliano Vettorato wird aber gleich am Anfang darauf hingeweisen, dass diese Antwort auch im Namen der beiden anderen Schullandesräte Philipp Achammer und Daniel Alfreider erfolgt.
Demnach ist die Einschränkung demokratischer Grundrechte in Südtirol anscheinend gemeinsame Regierungspolitik.
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Michl T. Thu, 05/21/2020 - 17:08

was der Leghista da sagt (anscheinend auch für "du Philipp" und Alfreider? haben die das wirklich im Wachzustand gelesen??) ist verfassungsrechtlich nicht haltbar. Das ist dem Vettorato seine eigene Meinung und die darf er haben. Die freie Meinungsäußerung in der Freizeit zur Legalisierung leichter Drogen ist jedenfalls für jedermann
1. verfassungsmäßig gedeckt, da kann er noch so im Quadrat springen und
2. sogar viel harmloser, als das was seine Brüder im Geiste so vom Stapel lassen. Für Leghisti in der Regierung gelten offenbar nicht die Regeln für "comportamenti che possano nuocere agli interessi o all’immagine della pubblica amministrazione"? Denn als LR ist er (so wie Salvini als damaliger Innenminister) Teil der Exekutive und oberster Dienstherr über "seinen" Teil der öffentlichen Verwaltung.
dass es ihm lei nit zu bled isch. Aber Scham setzt ein Mindestmaß an Intellekt und Anspruch an sich selbst voraus.

Thu, 05/21/2020 - 17:08 Permalink
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Frank Fink Fri, 05/22/2020 - 10:41

Ich finde diesen Artikel etwas eigenartig. Dass gewisse Berufe die Meinungsfreiheit einschränken ist ja nichts neues. Deartige Verhaltenskodizes gibt es ja in mehreren Berufsgruppen, z.B. auch für die Polizei und ich nehme an, auch für Richter. Ich habe jetzt nur mal eine schnelle Google-Suche gemacht. Für Mitarbeiter des österreichischen Innenministeriums gelten z.B. folgende Regeln:
Die „allgemeine“ Verhaltenspflicht nimmt auch auf das außerdienstliche Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bezug. Auch Handlungen im privaten Umfeld können daher als der dienstlichen Sphäre zugehörig beurteilt werden. Private Verhaltensweisen entspringen dabei nicht einer gesonderten Verpflichtung zur Wahrung des „Standesansehens“, ondern sind auf die Ausübung der dienstlichen Aufgaben gerichtet. So kann das Eingehen hoher, die Zahlungsfähigkeit in Frage stellender hoher Schulden im privaten Bereich negative Rückschlüsse auf die Amtsführung als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter des Innenressorts zulassen. (https://www.oeffentlicherdienst.gv.at/moderner_arbeitgeber/korruptionsp…) Nehmen wir vielleicht ein anderes Beispiel: Würden Sie wollen, dass der Lehrer Ihrer Kinder für die Legalisierung von Waffen, die Wiedereinführung der Todesstrafe oder für die Rechte von Kinderschändern auf die Straße geht, bzw. dort gesehen wird? Natürlich sind das extreme Beispiele, um den Sinn einer derartigen Regel zu erklären. Wo die Grenze anfängt und wo sie aufhört ist eben nicht so einfach zu definieren und kann man natürlich diskutieren, aber gleich einen Artikel darüber zu schreiben, dass damit Grundrechte verletzt würden, erscheint mir dann doch etwas zu weit hergeholt zu sein.

Fri, 05/22/2020 - 10:41 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fri, 05/22/2020 - 15:39

In reply to by Frank Fink

Artikel zu schreiben scheint mir doch der beste Weg eine öffentliche Diskussion zu beginnen, oder wie, wer und wo soll sonst darüber diskutiert werden?
Und mir persönlich ist es sehr wichtig die Meinung anderer zu lesen, und meine kundtun zu dürfen, solange alles im Rahmen bleibt, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Fri, 05/22/2020 - 15:39 Permalink
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Peter Grünfelder Tue, 05/26/2020 - 11:05

Es wäre vernünftig und angebracht, die Dinge beim Namen zu nennen. Das tut Alessandro Urzì in seiner Anfrage im Landtag vom 19. März dieses Jahres offensichtlich nicht; und genauso nicht tut es der Landesrat für die Schule in italienischer Sprache Giuliano Vettorato in seiner Antwort. Denn beide sprechen von “droga”, was ein sehr vager Sammelbegriff ist. Man kann damit die verschiedensten Nahrungs- Genuss- Heil- und Betäubungsmittel bezeichnen. Pfeffer und Muskatnuss, Alkohol und Kaffee, Pillen fürs Schlafen oder fürs Wachsein, Opium zum träumen und Kokain zum Handeln... das alles und noch viele andere Substanzen sind „droga“.

Der Cannabis Social Club, der im Bericht von C. Franceschini erwähnt wird, berät und betreut Patienten, die Cannabis-Präparate zu sich nehmen: ebenfalls eine „droga“, wenn man sie schon so nennen will. Tatsächlich geht es aber um eine Pflanze, die seit Jahrtausenden bekannt ist und als Heilmittel genutzt wird. Ihre Moleküle haben offensichtliche und mehrmals durch Studien und Erfahrungen bewiesene positive Wirkungen bei der Behandlung vieler Krankheiten, insbesondere chronische und neurodegenerative Krankheiten wie Multiple Sklerose, Tourette-Syndrom, Epilepsie und besonders in der Schmerztherapie, wie auch bei psychologischen Störungen.

Die Südtiroler Landesregierung hat mit dem Beschluss 290/2018 zur Modalität für die Verschreibung und die Abgabe von medizinischem Cannabis bereits erste Schritte in die richtige Richtung gemacht; leider gibt es aber immer noch Patienten die große Schwierigkeiten haben, an ihre gewünschte Therapie heranzukommen.

Dafür setzt sich er CSC ein und wer immer sich genauer informieren will, ist willkommen im Sitz der Patientenvereinigung in der Dantestr. 2 in Bozen. http://www.cannabissocial.eu

In der Anfrage/Antwort ist von „legalizzazione“ die Rede. In einem freien Staat soll keine Person für seine Meinungen bestraft oder benachteiligt werden. Davon gehen wir aus und deshalb sprechen wir uns auch offen dafür aus: es bedarf tatsächlich einer Legalisierung und einer endgültigen Anerkennung der Cannabis Pflanze, wie es in mehreren Ländern bereits der Fall ist.

Tue, 05/26/2020 - 11:05 Permalink