Economy | Milchwirtschaft

"Verbranntes Steuergeld"

Mit Subventionen an Landwirte, die freiwillig ihre Milchproduktion senken, will man die Talfahrt der Milchpreise eindämmen. Kann das wirken?

20 Cent: Das ist der Preis, den sich deutsche Landwirte für einen Liter Milch zurzeit noch erwarten können. Gleichzeitig ist es auch der Preis, der gerade viele Landwirte in Gefahr bringt, nicht mehr das nötige Existenzminimum erwirtschaften zu können. Grund für die bedenkliche Preisentwicklung ist ein ausuferndes Überangebot in der Milchproduktion. 15 Prozent der in Deutschland produzierten Milch kann gar nicht verarbeitet werden, die Nachfrage ist zu gering. Und das drückt die Preise. Nun sollen aber 500 Millionen Euro aus EU-Kassen das Malheur eindämmen. Der für die Landwirtschaft zuständige Kommissar Phil Hogan stellte am Dienstag im Europäischen Parlament das neue Hilfsprogramm vor.

Zunächst klingt das geplante Programm paradox. Die Landwirte sollen dafür subventioniert werden, dass sie keine Milch produzieren. 150 Millionen sind nämlich als direkte Entschädigungen für Landwirte vorgesehen, die freiwillig ihre Milchproduktion zurück fahren. Die weiteren 350 Millionen gehen an die Mitgliedstaaten, damit diese einzelstaatliche Maßnahmen zum Reduzieren der Milchproduktion treffen.

Für den Südtiroler Abgeordneten im EU-Parlament Herbert Dorfmann ist das „ein Schritt in die richtige Richtung“, insbesondere auch deshalb, weil im Hilfsprogramm ausdrücklich die bevorzugte Unterstützung für die kleineren Betriebe vorgesehen ist. Dorfmann, der an der gestrigen Sitzung im Parlament teilnahm, machte jedoch auch darauf aufmerksam, dass man die Milchproduktion in Bergregionen wie Südtirol trotz des Überangebots auch weiterhin tatkräftig fördern müsse. In den Bergregionen gebe es nämlich kaum eine Alternative zur Milchwirtschaft, weshalb gerade hier die Bauern unter hohen Produktionskosten und tiefen Preisen am meisten leiden würden.

Langfristig eine bedenkliche Maßnahme

Weniger begeistert vom Programm zeigt sich Matthias Gauly, Professor für Agrarwissenschaften an der Uni Bozen. „Wer die Grundzüge der Ökonomie verstanden hat, wird sofort begreifen, dass das eine unsinnige Aktion ist“, sagt er. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es tatsächlich bedenklich, eine Subvention für die Nicht-Produktion eines Gutes in Aussicht zu stellen. Dadurch werden die Landwirte nur so lange die Produktion zurückfahren, solange auch eine Entschädigung dafür ausgezahlt wird. Das Problem ist damit also nicht behoben, sondern nur aufgeschoben – und die Krise könnte damit sogar verlängert werden.

Gauly weist außerdem darauf hin, wie wenig und, vor allem, wie ineffektiv 500 Millionen Euro sind, wenn man bedenkt, dass es in der EU ungefähr 20 Millionen Milchkühe gibt, die an die 25-30 Kilo Milch am Tag produzieren. „Die Maßnahme kann die angespannte Lage in der Milchwirtschaft höchstens kurzfristig etwas entspannen. Bereits in der mittleren Frist wird sie sich als zwecklos, wenn nicht sogar schädlich erweisen. Diese Subvention ist verbranntes Steuergeld.“

Eine nachhaltige und langfristige Lösung sieht also anders aus. Gauly bekräftigt, es sei viel sinnvoller gewesen, das Geld stattdessen über eine andere Art von Subventionen zu verteilen. „Wenn man das Kriterium dafür, ob ein Landwirt subventioniert wird, darauf festlegt, ob er beispielsweise gewisse Umweltschutz- und Tierwohlauflagen erfüllt, hätte das langfristig eine weitaus größere, weil strukturelle Wirkung.“ Eine solche Maßnahme sei jedoch bei der Wählerschaft weniger wirksam, da sie erst später und nur durch Bemühungen von allen Seiten greift. Trotzdem hofft Gauly, dass die Landwirte nicht auf diese Maßnahme reinfallen und dessen Ineffektivität und Kurzfristigkeit sogleich erkennen.

 

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Marcus A. Thu, 07/21/2016 - 12:58

Dann sollte Matthias Gauly, Professor für Agrarwissenschaften an der Uni Bozen, aus dem akademischen Elfenbeinturm herab erklären, was laut ihm eine gute Lösung ist?

Dass Politiker (zumeist Berufspolitiker) meistens aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht optimale Lösungen treffen, sondern stimmenmaximierende Maßnahmen treffen, ist klar.

Thu, 07/21/2016 - 12:58 Permalink