Culture | Literatur und Gedenken

Ruth Klüger bei den Literaturtagen Lana

Für die Wissenschaftlerin und Dichterin Ruth Klüger war das Gedicht Rettungsanker in den dunklen Tagen des Holocaust. Sie präsentiert in Lana ihr neues Buch "Zerreißproben".
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Foto: Südtiroler Schützenbund / Egon Zemmer

„Das Gedicht, das gereimte, hat mir als Kind bereits Struktur gegeben, und umso mehr dann in der Zeit im Konzentrationslager,“ sagt Ruth Klüger zu den sehr zahlreich erschienenen Besuchern ihrer Lesung im Schallerhof in Lana. Zum Auftakt der 28. Literaturtage stellt die 81-Jährige ihren Band „Zerreißproben“ vor, eine Sammlung von Gedichten, die mit ihren Erfahrungen als junges Mädchen beginnt und mit Betrachtungen aus ihrem jetzigen Leben in Kalifornien endet.

1942 wurde die 11-jährige Ruth Klüger, Tochter eines jüdischen Arztes in Wien, ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, später kam sie nach Auschwitz und nach Christianstadt in Polen. Kurz vor Kriegsende gelang ihr gemeinsam mit der Mutter die Flucht. „Die Gedichte, die ich damals geschrieben hab, in den Lagern, waren ja eigentlich keine sogenannten guten Gedichte, es waren sehr konventionelle und in Reimform verfasste Verse, doch war der Inhalt weniger wichtig als die Struktur der Sprache, die Ordnung der gebundenen Sprache hat mich gehalten, man kann sagen, am Leben und bei Verstand gehalten.“ Wer sie als Kind gewesen sei, wisse sie jetzt gar nicht mehr, doch sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, diese Gedichte zusammen mit anderen aus ihren verschiedenen Lebensabschnitten zusammenzubringen.

Alles zusammenstückeln

Man sei in seinen wechselnden Lebensphasen immer auch wieder ein anderer Mensch, und so habe sie dieses Buch verstanden: Als ein Zusammenstückeln von verschiedenen Biografien, die alle Ruth Klüger ausmachen. Vom reimeklopfenden Kind im KZ hin zur Halbwüchsigen auf der Flucht vor den Nazis, der jungen Emigrantin, die 1947 in New York landet und weiter nach Berkeley, Kalifornien zieht, um dort ausgerechnet Germanistik zu studieren, die „Teufelssprache“, wie sie in einem Interview mit der Berliner TAZ sagt. Mit ihrem Mann, dem deutschen Historiker Werner Angress hat sie niemals Deutsch gesprochen, immer nur Englisch. „Es ist nicht ganz so ungewöhnlich, wie es klingt,“ meint die nunmehr emeritierte Professorin, „Emigranten redeten kein Deutsch.“ Dann kam 1992 der Durchbruch als Schriftstellerin mit dem Buch „weiter leben“.

Ruth Klüger ist eine schöne Frau mit silberfarbenem, fast punkigem Kurzhaarschnitt. Sie spricht unprätentiös über ihr Leben und über ihr Erlebtes, der Tod habe für sie jetzt endgültig seinen Schrecken verloren, meint sie nüchtern-verschmitzt. Ob es sie störe, dass sie stets und überall als Autorin wahrgenommen werde, die Auschwitz überlebt hat, lautete eine Frage an sie. „Nein,“ sagt sie, „gerade dadurch bin ich ja bekannt geworden, durch meine Vergangenheit und durch die literarischen Zeugnisse, die ich davon abgelegt habe. Das ist nicht belastend, vor allem jetzt nicht mehr, im Alter.“

Eine Geschichte wolle sie noch schreiben, über einen Spieler in Las Vegas, dessen Leben aus Ahnungen besteht, Ahnungen, die eintreffen oder eben nicht.

Um Ahnungen geht es bei den diesjährigen Literaturtagen 2013 in Lana: „Der sechste Sinn. Für eine poetische Zeitrechnung.“