Economy | Nahverkehr
Das Ende der SAD?
Foto: Thomas Ohnewein
Die 11 Seiten aus Rom sind eine Bombe. Seit gut zwei Wochen haben die Streitparteien den Beschluss der staatlichen Antikorruptionsbehörde ANAC in der Hand. Doch reden will niemand.
Denn die Folgen der Langstreckenrakete, die aus der italienischen Hauptstadt abgefeuert wurde, können vor allem für Ingomar Gatterer und seine SAD AG verheerend sein. Kommt es so wie es absehbar scheint, dürften die Tage von Südtirols größten Nahverkehrsunternehmen im wahrsten Sinne des Wortes gezählt sein. Vor allem aber findet der ungustiöse Streit mit der Landesverwaltung, der von der SAD mit allen Mitteln geführt wird, jetzt eine unerwartete Wende. Plötzlich sitzt das Land am längerem Hebel.
Denn die Folgen der Langstreckenrakete, die aus der italienischen Hauptstadt abgefeuert wurde, können vor allem für Ingomar Gatterer und seine SAD AG verheerend sein. Kommt es so wie es absehbar scheint, dürften die Tage von Südtirols größten Nahverkehrsunternehmen im wahrsten Sinne des Wortes gezählt sein. Vor allem aber findet der ungustiöse Streit mit der Landesverwaltung, der von der SAD mit allen Mitteln geführt wird, jetzt eine unerwartete Wende. Plötzlich sitzt das Land am längerem Hebel.
Wobei man dazu sagen muss: Gatterer & Co haben das Loch selbst gegraben, in das sie jetzt - zumindest nach Ansicht der ANAC - hingefallen sind.
Der Streit
Seit längerem läuft die Ausschreibung zum Südtiroler Schülertransport für die Schuljahre 2020 – 2013. Ausgeschrieben sind vier Lose mit einer gesamten Ausschreibungssumme von über 27 Millionen Euro. Es sind drei Unternehmen, die sich bekanntlich an der Ausschreibung beteiligt haben. Die süditalienische Tundo Srl, das „Konsortium der Südtiroler Mietwagenunternehmer“ (KSM) und die SAD AG.
Geleitet und durchgeführt wird die Ausschreibung von der Vergabeagentur des Landes. Dort trudelten in den vergangenen Monaten mehrere schriftliche Stellungnahmen, Eingaben und Anzeigen sowohl von der SAD AG wie auch vom KSM ein. Vereinfachend gesagt: Beide Bieter sprachen dem anderen Konkurrenten die Voraussetzungen ab, überhaupt an der Ausschreibung teilzunehmen. Dabei wurden die Argumente beider Seiten jeweils juristisch und durch konkret dokumentierte Vorwürfe untermauert.
Vor diesem Hintergrund hat der Leiter der Vergabeagentur, Thomas Mathá, entschieden, die staatliche Antikorruptionsbehörde ANAC mit der Klärung der Streitfragen zu befassen. Genau dafür ist die römische Behörde auch gegründet worden.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2020 übermittelte die Vergabeagentur an die ANAC die gesamte Dokumentation zur Ausschreibung. Darunter auch die Eingaben und Einwände von KSM und SAD AG.
Drei brisante Fragen
Wie es vorgeschrieben ist, formulierte die Vergabeagentur als Verfahrensverantwortlicher auch drei konkrete Fragen, auf die die ANAC eine Antwort geben sollte.
Es sind drei Fragen, die alle drei durchaus brisant sind und deren Beantwortung nachhaltige Auswirkungen weit über die Ausschreibung hinaus hat.
Die Fragen:
- se gli “accordi riservati” sottoscritti da alcuni operatori economici partecipanti alla gara possano essere qualificati come intese restrittive della concorrenza e possano essere tenuti in considerazione ai fini di un eventuale giudizio discrezionale di esclusione, ai sensi dell’art. 80, comma 5, del Codice;
- se la sanzione irrogata dall’AGCM nei confronti di un operatore (SAD Trasporto Locale S.p.A.) possa essere ritenuta rilevante ai fini della valutazione discrezionale della SA ("stazione appaltante", A.d.A.), ai sensi dell’art. 80, comma 5, lett. c) e c-bis) del Codice;
- se il contegno tenuto dai due operatori nel corso della procedura in corso – i quali hanno “segnalato” alla SA la vicendevole assenza dei requisiti di partecipazione - possa essere ritenuto rilevante, quale tentativo di influenzare indebitamente il processo decisionale della SA, ai fini di una valutazione discrezionale su una possibile esclusione ex art. 80, comma 5, lett. c-bis) del Codice.
Vor allem die Antwort auf die erste Frage könnte jetzt die Wirkung einer Napalmbombe haben.
Geheime Abmachungen
Zur Erklärung: Zwei Jahre lang hatte die „Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato“ (AGCM) zur Ausschreibung um den Südtiroler Nahverkehr und die SAD AG ermittelt. Am Ende verhängte die staatliche Aufsichtsbehörde gegen die SAD AG eine Millionenstrafe, weil sie ihre marktdominierende Stellung ausgenutzt habe, um den Wettbewerb widerrechtlich zu verzögern.
Während der Ermittlungen passierte aber auch etwas, was später anscheinend in Vergessenheit geraten ist.
Am 25. Jänner 2018 beschlagnahmten Beamte der Finanzwache am Unternehmenssitz der SAD AG auf Anordnung der AGCM eine ganze Reihe von Dokumenten. Darunter auch eine Rahmenvereinbarung vom 3. Februar 2017 und zwei vertrauliche Vereinbarungen ("Accordi Riservati"), in denen zwischen einigen Südtiroler Unternehmen und Konkurrenten genau festgelegt wird, wie man im Falle einer Ausschreibung durch das Land die Lose und Linien untereinander aufteilen wird.
Der erste „accordo riservato“ wird zwischen SAD und LIBUS sowie den beiden Busunternehmern Hans Peter Taferner und Christoph Haidacher (für die Josef Oberhollenzer SAS) geschlossen. Der zweite Nebenvertrag wird zwischen SAD, der Silbernagl Anton & Co KG und der Pizzinini KG geschlossen.
Im Klartext: In den beiden Vereinbarungen wird im Detail vorausbestimmt, wie die Südtiroler Nahverkehrsdienste unter den 21 Busunternehmen aufgeteilt werden sollen.
Neutrale Juristen sagen seit Bekanntwerden dieser Abmachungen, dass die Beteiligten von jeder Ausschreibung ausgeschlossen werden müssen.
Genau das hat jetzt auch die oberste staatliche Antikorruptionsbehörde bestätigt.
Das Verfahren
Die ANAC ist nach dem Schreiben der Vergabeagentur umgehend tätig geworden. Bereits am 16. Juli 2020 wurden die Streitparteien SAD und KSM informiert und um Gegenäußerungen ersucht. Die SAD AG lieferte am 22. Juli 2020 in Rom einen korpulenten Verteidigungsschriftsatz ab, in dem sie nachzuweisen versucht, dass alle Anschuldigungen völlig haltlos seien.
Doch die Antikorruptionsbehörde hat alle Gegenargumente der SAD verworfen und sie kommt in ihrem Gutachten zu einem völlig anderen Schluss. Mit Beschluss Nr. 725 vom 9. September 2020 liefert die ANAC die Antworten auf die drei Fragen. Sie sind für die SAD AG ein Desaster.
Das Ergebnis in Kurzform:
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Motivi di esclusione – Grave illecito professionale – Illecito anticoncorrenziale - Abuso di posizione dominante – Valutazione discrezionale.
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Motivi di esclusione – Grave illecito professionale – Accordi riservati tra concorrenti – Valutabili dalla stazione appaltante anche in assenza di un provvedimento di accertamento dell’AGCM.
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Motivi di esclusione - Tentativo di influenzare indebitamente il processo decisionale della stazione appaltante – Influenza “indebita” – Ratio e presupposti – Discrezionalità della stazione appaltante.
Die ANAC kommt zum Schluss, dass die SAD AG in allen drei angefragten Bereichen eine rechtlich nicht einwandfreies Verhalten angewandt hat und damit von der Ausschreibung ausgeschlossen werden sollte.
Gesetzlich steht diese Entscheidung ausschließlich der Behörde zu, die die Ausschreibung macht. Also der Vergabeagentur des Landes. Deshalb kann die ANAC auch nur Empfehlungen aussprechen.
Auf 11 Seiten gibt die staatliche Antikorruptionsbehörde dem Land eine Handlungsanleitung, wie die Vergabeagentur jetzt vorgehen soll. Dabei stellt die ANAC auch klar:
„Si ritiene, pertanto, doveroso premettere che, poiché l’ANAC in sede di procedimento di precontenzioso (così come il Giudice Amministrativo in sede processuale) non può pronunciarsi su poteri amministrativi non ancora esercitati, ci si limita a definire le coordinate ermeneutiche nel cui ambito la stazione appaltante potrà (rectius dovrà) effettuare le proprie valutazioni discrezionali in ordine alla sussistenza dei requisiti di ordine generale in capo agli operatori la cui integrità e affidabilità professionale viene considerata dubbia.“
Nach diesem Gutachten der ANAC wird die Vergabeagentur die SAD AG von der Ausschreibung zum Schülertransport wohl ausschließen müssen.
Aber dieselbe Argumentation gilt auch für eine mögliche Ausschreibung des gesamten Südtiroler Nahverkehrs. Damit wird das ANAC Gutachten für Gatterer & Co zum Damoklesschwert.
Aber dieselbe Argumentation gilt auch für eine mögliche Ausschreibung des gesamten Südtiroler Nahverkehrs. Damit wird das ANAC Gutachten für Gatterer & Co zum Damoklesschwert.
Denn das Land wird wohl kaum die Vorgaben der staatlichen Antikorruptionsbehörde einfach ignorieren können.
Das ANAC-Gutachten
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