Beppe Grillo
Foto: Alberto Iob
Politics | Risse im M5S

M5S: Basis gegen Grillo und Di Maio

Die Mitglieder der Fünf Sterne stimmten mit deutlicher Mehrheit für eine Kandidatur in Kalabrien und in der Emilia-Romagna.
Es war eine schallende Ohrfeige für Beppe Grillo und Luigi Di Maio. In einer Abstimmung im Informatik-System Rousseau sprach sich am Donnerstag eine klare Mehrheit  des Movimento 5 Stelle für eine Kandidatur bei den
bevorstehenden Regionalwahlen in Kalabrien und in der Emilia-Romagna aus. Das Ergebnis lässt keine Zweifel offen: Über 70 Prozent stimmten dafür. La Repubblica: "Polvere di stelle." La Stampa: "Schiaffo a Di Maio." Der immer mehr in Bedrängnis geratene Parteichef trat die Flucht nach vorne an: "Dobbiamo essere tutti felici del risultato della votazione. E´un segnale forte." Daran besteht kein Zweifel. Allerdings ein segnale forte gegen den Parteichef.
 
In der Fünf-Sterne-Bewegung knistert es seit Wochen. Ausdruck der wachsenden Konflikte ist seit Wochen die Unfähigkeit, einen neuen Fraktionssprecher in der Kammer zu wählen. Ein Kandidat nach dem anderen wird unter wachsenden Polemiken verheizt. Der immer mehr unter Druck geratene Parteichef Luigi Di Maio träumte davon, die Bewegung aus den Palästen wieder auf die Strasse zu führen: "Chi vuole stare in un partito esca. Il M5S non lo è e non lo diventerai." Die Zahl der Parlamentarier, die der Bewegung enttäuscht den Rücken kehren, wächst. Senator Ugo Grassi: "Lasciare il movimento per me é un atto di legittima difesa." Auch Parteichef Di Maio äussert Unbehagen: "Voglio uscire da questi palazzi, non sopporto più il politichese." Ein schwieriger Seiltanz.
Denn eine Bewegung, die als vehemente Opposition gegen die Macht und die traditionellen Parteien geboren ist, hat wachsende Probleme, mit einer Partei wie dem PD zu regieren, die über Jahre ihr Lieblingsfeind war. Di Maio:
"Dovremo creare una nuova carta di valori con dei nuovi obiettivi per il movimento."  
Im März sollen die stati generali del movimento 10 Jahre nach der Gründung die Leitlinien der Bewegung neu definieren. Aktuellstes Streitthema der zerrissenen Bewegung war in den letzten Wochen die Frage der Kandidatur bei den bevorstehenden Regionalwahlen. Grillo und Di Maio wandten sich dezidiert  gegen eine Kandidatur in Kalabrien und Emilien: "Non c'é un consenso per fare alleanze locali con il PD." Lokale Vertreter der Bewegung missbilligten diese Entscheidung und sprachen von freiwilliger Selbstaufgabe. Hintergrund der wachsenden Verunsicherung: Die Fünf-Sterne-Bewegung hat seit der Parlamentswahl im Vorjahr die Hälfte der Stimmen eingebüsst – von 32 auf 16 Prozent. Tendenz sinkend.
 
Die Parlamentarier der beiden betroffenen Regionen zeigten sich verärgert: "Il simbolo delle 5 stelle sulla scheda elettorale deve esserci." Di Maio, der mit der Doppelfunktion als Aussenminister und Parteichef sichtlich überfordert ist und immer mehr unter Druck gerät: "Abbiamo consultato le persone che portano dalla prima ora sulle spalle questo Movimento, e tutti concordano che serva un momento di riflessione, di stand by." Doch die Parlamentarier  und Regionalratsabgeordneten der Emilia-Romagna tendierten in die Gegenrichtung: "Abbiamo consegnato a Di Maio un report dettagliato per spiegargli che é tutto pronto per fare una campagna come si deve." Senator Danilo Toninelli: "A me pare tanto che non candidarsi sia l´esatto opposto di quel non mollare mai, che da sempre ci ispira."
 
Die deutliche Entscheidung der Basis zwingt Grillo und Di Maio zur Flucht nach vorn – in eine mehr als ungewisse Zukunft.  Denn gewählt wird in den kommenden Monaten nicht nur in Kalabrien und Emilien, sondern in sechs weiteren Regionen, etwa in der Toskana und im Veneto. Der Konflikt um die Kandidatur hat die in der Bewegung bereits bestehenden Meinungsverschiedenheiten verstärkt, z.B. über die Zukunft des Stahlwerks Taranto oder das Gesetz über die prescrizione. Die Senatorin Elena Fattori hat als vorerst letzte Parlamentarierin die Fünf Sterne verlassen und ist in die gemischte Fraktion gewechselt – dort traf sie auf bekannte Gesichter wie Gregorio De Falco, Paola Nugnes, Maurizio Buccarella und Caro Martelli. Ihre Zahl dürfte demnächst weiter zunehmen.