Kleinkinderbetreuung: „Reden wir endlich über Qualität"
Frau Ladurner, die Genossenschsaft Cocinella ist vergangene Woche hart mit der neuen Tarifregelung für die Kleinkinderbetreuung ins Gericht gegangen. Werden Vollzeit arbeitende Eltern nun wirklich benachteiligt?
Christa Landurner: Man muss klar sagen, dass das jetzige System für die meisten Eltern eine finanzielle Entlastung bringt. Vor allem die Tagesmüttertarife sind von sechs auf 3,85 Euro gesunken. Das ist bringt schon eine Erleichterung, vor allem in Verbindung mit der Verdoppelung des Kindergelds. Es wird aber stimmen, dass die Vollzeitbetreuung durch die Aufhebung der Obergrenze von 400 Euro teurer geworden ist. Doch das betrifft nur wenige große Strukturen in den Städten und im Verhältnis sicher eine Minderheit der Eltern. Auch gibt es Tarifbegünstigungen für finanziell schwache Familien, da zahlt man dann knapp einen Euro pro Stunde.
Also, dann ist nun alles besser geworden bei der Kleinkinderbetreuung?
Was die Kosten für die Eltern betrifft, ja. Doch das ist auch das Einzige, das bislang umgesetzt wurde. Ich hätte mir ja gewünscht, dass wir zuerst einmal die Qualitätsstandards definieren und dann erst über Tarife sprechen. Also, was ist eine gute Kleinkinderbetreuung, wie soll der Betreuungsschlüssel aussehen und wie sieht eine angemessene Entlohnung für das Personal aus. Doch hier konnte keine Einigung zwischen Land, Gemeinden und Genossenschaften erzielt werden.
Deshalb haben wir nun eine Übergangslösung. Doch ist es realistisch, dass es 2014 eine Einigung in der Qualitätsdiskussion gibt?
Es muss sie geben. Denn es ist einfach unmöglich, zu welchen Preisen derzeit Ausschreibungen für Kitas und Horte gemacht werden. Wir brauchen dringend Mindeststandards und Mindesttarife, denn sonst ist klar, dass die Qualität in Zeiten sinkender Finanzmittel noch weiter sinkt.
Und sie ist jetzt schon nicht die Beste?
Es gibt einige internationale Qualitätsstandards, und ich würde sagen, wir sind überall weit davon entfernt. Wir haben in Kinderhorten einen Betreuungsschlüssel von 1:8, das sind acht kleine Kinder unter drei Jahren auf eine Betreuerin. Oder besser gesagt, unter zweieinhalb Jahren, weil dann gehen sie ohnehin alle in den Kindergarten - und das ist das nächste Problem.
Warum?
Weil dort der Betreuungsschlüssel noch höher ist, und die Kinder vielfach noch nicht reif dafür, ja oft nicht einmal sauber sind. Das heißt die Kindergärtnerinnen müssen Zeit, die sie für die Gruppe bräuchten, für das Windelwechseln aufbringen. Aber aus Elternsicht ist das alles verständlich, weil die Betreuung im Kindergarten kostet mich 60 bis 80 Euro, während sie in den Kitas ein paar 100 Euro kostet.
Also geht es doch immer um das Geld?
Klar. Das nächste Problem sind die Löhne des Personals. Viele verdienen unter 1000 Euro. Deshalb haben wir eine gewaltige Fluktuation in der Kleinkinderbetreuung, obwohl wir aus der Bindungsforschung wissen, dass stabile Bezugspersonen essentiell für Kinder in dem Alter sind.
Gibt es dafür kein Bewusstsein der politischen Verantwortungsträger?
Bei allen, die sich einmal mit Qualitätsstandards beschäftigt haben, sollte das vorhanden sein. Doch die Gemeinden haben natürlich das vorrangige Interesse, dass die Dienste nicht zu teuer sind.
Sie werden immer teurer werden, wenn nun ab kommendem Jahr die Kosten zu je einem Drittel von Gemeinden, Land und Eltern getragen werden.
Der Bereich Kleinkinderbetreuung wird für die Gemeinden immer relevanter werden. Das ist auch bei den Diskussionen im vergangenen Jahr klar zu Tage gekommen. Die Gemeinde Bozen hat sofort angefangen zu rebellieren, als da die Rechnung gemacht wurde, denn da kommen Wahnsinnskosten auf sie zu. Ich kann das auch als Gemeindereferentin von Tscherms sagen, wo wir auch eine Kita haben. Wir liegen ab dem kommenden Jahr in Sachen Kleinkinderbetreuung in einer Größenordnung von 30.000 bis 40.000 Euro. Das ist ein Stück mehr als bisher und für kleine Haushalte nicht ohne zu stemmen. Und wir müssen uns bewusst sein, dass die Nachfrage nach Kleinkinderbetreuung stetig steigen wird. Wir mögen zwar heute noch weit weg sein von einem EU-Standard wie 30 Prozent, doch wir werden uns in den kommenden Jahren immer mehr annähern.
Ist es dann überhaupt realistisch, dass wir mehr Qualität in die Kleinkinderbetreuung bekommen?
Ich denke, wir brauchen einfach bestimme Standards, denn nur dann gebe ich mein Kind gerne ab. Und wir reden ja bei der Kleinkinderbetreuung von Bildungseinrichtungen, nicht von Aufbewahrungsstätten. Deshalb dürfen die Kosten einfach nicht im Vordergrund stehen, wir müssen endlich beginnen über die Qualität und die Mindestanforderungen diskutieren. Land, Gemeinden, die Genossenschaften, aber auch die Familien. Und zwar am besten schon morgen.
Kinderunfreundliche Leistungsgesellschaft
Hohe Mieten, unsichere Arbeitsstellen zwingen Mütter vor der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes wieder an die Arbeitsstelle zurückzukehren. Warum werden die Kindergelder nicht einfach erhöht? Statt der Kitas 4oo bis 500 Euro im Monat zu bezahlen? Warum werden so hohe Tarife berechnet? Warum ein so hoher Betreuungsschlüssel von acht Kindern pro Betreuerin? Es stimmt mich einfach traurig. Denn ich bin innerlich überzeugt dass Kleinkinder in diesem Alter eine persönliche Bezugsperson brauchen. Leider sind die Lebensumstände einer Mutter oft anders nach der Geburt des Kindes. .oder die erträumte Partnerschaft zerbricht. Aber wie soll eine alleinerziehende Mutter diese Kosten schaffen??? Einfach ein unmöglicher Zustand, ich hoffe die Frauen in der neuen Landesregierung setzen sich für eine qualitativ bessere und kostengünstigere Betreuung ein, ermöglichen auch Mütter das Daheimbleiben. Es liegt aber auch in der Verantwortung der einzelnen Betriebe Initiativen zu ergreifen und Kleinkinderbetreuung, Gleitarbeitszeiten anzubieten.