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Thomas Benedikter: "Ein bescheidener Versuch Autonomiereform zu betreiben"

Seit September 2013 veranstaltet der Verein Politis seine "hearings" zur Reform des Autonomiestatuts. Gäste wie Francesco Palermo, Sepp Stricker oder Luisa Gnecchi diskutieren mit den Anwesenden die Mängel unseres Statuts. Veranstalter Thomas Benedikter im Gespräch.

Herr Benedikter, was halten Sie von der autonomie-kritischen Polemik, die die italienischen Medien derzeit anzetteln?
Thomas Benedikter: Da ist schon was dran, solche Debatten haben meist einen realen Hintergrund. Der italienische Regionalstaat funktioniert nicht gut und die politischen Eliten in vielen Regionen machen ihre Arbeit auch nicht gut. In den Regionen fehlen die Kompetenzen, aber auch die finanziellen Ausstattungen um diese Verantwortungen wahrzunehmen. Die Skandale der Misswirtschaft in Latium, Sizilien oder Piemont bestätigen das allgemeine Misstrauen noch einmal mehr.

Es geht um das Misstrauen in die Institutionen, pauschal gesagt; Sie wollen mit Ihrer Veranstaltungsreihe des Vereins Politis hingegen Aufklärung in Sachen Autonomie bringen, gelingt das?
Wir machen politische Bildungsarbeit, jenseits von Parteien und Zugehörigkeiten. Wir bieten Bürgern den Raum sich zur Weiterentwicklung der Autonomie kundig zu machen. Das komplexe System muss ja erklärt und diskutiert werden. Nur so kann ein kritisches Verständnis darüber entstehen, wie die Autonomie weitergebaut werden kann. Wir nehmen als Bürger das Recht wahr, über Information und Sensibilisierung uns ein Thema anzueignen, nämlich die Reform der Autonomie, die zwar angekündigt wird, aber derzeit noch nirgendwo konkret auf den Tisch kommt.

Womit befassen Sie sich in den Politis-Treffen?
Je mehr man sich mit dem Statut befasst und auch die Praxis kennt, etwa das Verhältnis zwischen Bozen und Rom, die Konflikte und Rechtstreitigkeiten, die Problematiken unter der Regierung Monti, sieht man deutlich, wo im Statut wirkliche Mängel vorhanden sind. Nun, in den Treffen diskutieren wir diese Mängel und besprechen mögliche und gangbare Lösungen. Denn unsere Autonomie ist bei weitem nicht die beste denkbare, wie wir immer glauben und verkünden.

Welcher Art sind diese Mängel?
Da fällt mir die Frage der Finanzen ein. Derzeit eine der zentralen Fragen. Da hat eine autonome Region das Recht, stabile Finanzierung zu haben, aber nicht unbedingt das Recht, finanziell verhätschelt zu werden. Grundsätzlich ist es nicht so, dass autonome Regionen ihren Status als Wirtschaftssondergebiet erhalten. Verfassungmäßig sind sie jedoch verpflichtet, den Staat mitzutragen. In Italien gibt es aber insgesamt kein gutes regionales Finanzierungssystem. Die Verbesserungen könnten dahingehen, diese Abkommen die unser Land mit dem Staat schließt, besser abzusichern. Oder die Besetzung der paritätischen 6-er und 12-er Kommission. Diese werden derzeit von den Regierungen besetzt und spielen eine Rolle abseits der Öffentlichkeit. Sie sind aber wichtig, da sie Normen mit Gesetzescharakter verabschieden. Hier wäre denk- und wünschbar, bessere demokratische Maßstäbe an die Besetzung anzulegen, dass Parlament und Landtag hier mehr mitbestimmen.

Im letzten Vortragsabend gab es die Beiträge von der PD-Abgeordneten Luisa Gnecchi und Gewerkschafter Sepp Stricker, worum ging es da?
Letzthin ging es bei uns um Gesundheit und Soziales, wo es ebenfalls unnötige Aufspaltungen gibt zwischen Staat, Region und Land. Es gibt auch eine konkurrierende Gesetzgebung zwischen diesen Entitäten, wo der Grund für die Aufteilungen kein sachlicher ist, sondern ein politischer. Gut geregelt ist zum Beispiel der soziale Wohnbau, hier sind die Kompetenzen recht klar definiert. Bei der Sozialpolitik gibt es hingegen einen Bereich, der sicherlich noch Aufholbedarf hat in autonomer Hinsicht. Es gibt bei den nationalen Kollektivverträgen kaum Zusatzverträge für unsere eigene Situationen. Die Bereitschaft der Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände ist gering, solche Zusatzverträge auszuhandeln; aber gerade hier, mit derart hohen Lebenshaltungskosten, sollte man dafür sorgen, dass Arbeitnehmer eine sozial gerechte Entlohnung erhalten.

Was ist das Ziel der Vortragsreihe von Politis?
Ideal wäre, wenn am Ende wirklich sehr klar dasteht, dass die Bürger am Autonomiestatut mitarbeiten wollen. Dass klar gesagt werden kann, der Bürger hat großes Interesse daran, das Statut zu reformieren. Bei der Abschlusstagung am 2. Mai wird ein Dokument vorgelegt, in dem alle Vorschläge und die Ergebnisse unserer Online-Umfrage enthalten sind. Die 70 Fragen dieser Umfrage bieten den Bürgern ein Reflexionsinstrument zum Thema.

Eine zweiter wichtiger Punkt betrifft die Frage, wann wird diese Reform zu einem echten politischen Projekt? Plakativ ist das Zukunftsbild der Vollautonomie zwar da und die Reform ist angekündigt, aber es ist wenig konkret formuliert, wie man dahin kommen will. Unser Versuch ist ein bescheidener, von Bürgerseite und von nicht-gebundenen Organisationen, hierzu eine Basis und eine Plattform zu eröffnen. Die Politik muss dann diese Bürgerbeteiligung ernstnehmen und gegebenenfalls weitermachen. Aber die Frage bleibt, wie partizipativ der Prozess sein wird: Wird es eine statutgebende Versammlung geben, einen Bürgerkonvent oder lediglich einen Beirat von Experten die zum Schluss ihr Gutachten abgeben? 

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Benno Kusstatscher Wed, 01/22/2014 - 21:10

Die Veranstaltungsreihe kann ruhigen Gewissens als hervorragend bezeichnet werden, die Vorträge als hochkarätige, zeitgeschichtliche Beleuchtung und man spürt, wie das Publikum mitfiebert und die Autonomie als Herzensanliegen erlebt. Nicht zu fassen, dass Euch die Leute nicht die Bude einrennen. Mein Kompliment an die Veranstalter!

Wed, 01/22/2014 - 21:10 Permalink