Politics | Vorabdruck
Andreotti, Nobelpreisträger & die SVP
Foto: upi
Rom, Juni 2001: Am Morgen des 6. Juni wird die Senatorin Helga Thaler Ausserhofer zur Vorsitzenden der neuen Autonomie-Fraktion gewählt. Die Exponentin der Südtiroler Volkspartei war seit 1992 Kammerabgeordnete, von 1994 bis 2013 saß sie im Senat. Zur Autonomie-Fraktion gehören u. a. der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga und die Senatoren auf Lebenszeit Giovanni Agnelli und Giulio Andreotti. Vor allem Andreotti spielt eine wichtige Rolle bei der Gründung der neuen Fraktion. Aber die treibende Kraft hinter diesem Projekt ist eine Frau: Helga Thaler Ausserhofer. Ihr ist es zu verdanken, dass in der Geschichte des italienischen Parlaments ein neues Kapitel geschrieben wird und das Thema Autonomie, insbesondere die Südtiroler Autonomie, zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses rückt.
Von Anfang an wollte man den bekannten Industriellen Giovanni Agnelli und den ehemaligen Staatspräsidenten Francesco Cossiga in die Autonomie-Fraktion einbinden – was auch gelang. Doch erst nach verschiedenen Treffen zwischen „Frau Helga“ und dem „Divo“ Giulio Andreotti, wie sie 2001 in der Presse genannt wurden, kam es zur Gründung der Fraktion.
Im April 2006 erinnert sich Senatorin Helga Thaler Ausserhofer in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ an diese Zeit:
„Die Autonomie-Gruppe war meine Idee. Als ich 1994 in den Senat kam, waren wir in der gemischten Fraktion nur ein paar Leute. Nach einigen Monaten waren es fünfzig! Meist kamen Senatoren zu uns, die dabei waren, Partei und Fraktion zu wechseln und so die gemischte Fraktion in der Übergangs- zeit als ,Parkplatz‘ nutzten. Wir Südtiroler gingen dabei unter, hatten kaum Gelegenheit, im Senat das Wort zu ergreifen oder in einer Kommission mitzuarbeiten. Da bin ich 2001 zu Andreotti gegangen und habe ihm vorgeschlagen, zusammen eine neue Fraktion zu gründen. Er hat zugestimmt und hat zwei Senatoren der ,Democrazia Europea‘ mitgebracht. Dann kam noch der ,avvocato‘ dazu und schließlich Cossiga, auch er ein großer Südtirol-Freund.“
Alle größeren italienischen Tageszeitungen berichteten über das Abkommen Thaler-Andreotti.
Im Juni 2001 hielt Silvio Berlusconi nach seinem Wahlsieg und seinem Regierungsauftrag seine Antrittsrede im Parlament. Es war eine lange, eindringliche Rede, in der er auf die verschiedensten Einzelheiten einging, wie es für ihn typisch war. Doch er sprach mit keinem Wort die Autonomien mit Sonderstatut und die sprachlichen Minderheiten an, obwohl gerade eine neue Autonomie-Fraktion gegründet worden war. Helga Thaler Ausserhofer reagierte darauf, indem sie das Nein der Autonomie-Fraktion für die Regierung ankündigte. Sie begründete das kurz und bündig:
„Zur Autonomie-Fraktion gehören Senatoren, die zwar aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen kommen, sich aber alle für die Befugnisse und die Aufwertung der Autonomie der Regionen mit Sonderstatut, der Regionen mit Normalstatut, der Provinzen, der Gemeinden und für den Föderalismus in Italien einsetzen.“
Die Botschaft war klar. Bei der Parlamentssitzung am 20. Juni 2001 gab Helga Thaler dem neuen Regierungschef ein deutliches Signal – es war kein Friedenszeichen.
Im Laufe der 14. Legislaturperiode erarbeitete sich die Fraktion unter dem Vorsitz von Helga Thaler Ausserhofer, die Mitglied des Finanzausschusses und Sekretärin des Landwirtschaftsausschusses war, das Ansehen der Parlamentarier und in den einzelnen Ausschüssen – vor allem wegen der pragmatischen Haltung, die aber die eigene politische Einstellung nie verriet.
Am 4. Mai 2006 wurde Helga Thaler zur Quästorin des Senats ernannt und war damit die erste SVP-Politikerin in diesem Amt.
Das Bündnis mit Mitte-Links
Senator Oskar Peterlini (SVP) war es, der in der 15. Legislaturperiode die Initiative ergriff, wieder eine Autonomie-Fraktion zu gründen, nachdem er kurz Mitglied der gemischten Fraktion gewesen war. Der Fraktion traten zuerst seine Politiker-Kollegen von den Regionen mit Sonderstatut bei: der SVP-Senator Manfred Pinzger, Helga Thaler Ausserhofer und Carlo Perrin aus dem Aostatal.
Peterlini war 2001 für das Ulivo-SVP-Bündnis im Senatswahlkreis Bozen-Unterland zum ersten Mal in den Senat gewählt worden und saß dann auch in den folgenden zwei Legislaturperioden im Senat. Die neue Fraktion wurde am 18. Mai 2006 gegründet und bestand bis zum vorzeitigen Ende der 15. Legislaturperiode am 28. April 2008. Fraktionsvorsitzender war Oskar Peterlini. Die Entscheidung, mit dem Mitte-links-Block politisch zusammenzuarbeiten, bedeutete für die Fraktion eine entscheidende Wende: Nach Gesprächen mit der Fraktionsvorsitzenden Anna Finocchiaro wechselten sechs Senatoren von der Ulivo-Fraktion in die Autonomie-Fraktion.
Fraktionsvorsitzender Oskar Peterlini unterstrich bei der Vertrauensabstimmung am 18. Mai 2006, dass die Fraktion „für ein erfolgreiches Modell der Selbstverwaltung steht, für eine Politik, welche die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Gemeinden ernst nimmt, für Verteidigung der sprachlichen Minderheiten, der Sonderautonomien, für einen echten Föderalismus und mehr Finanzautonomie für alle Regionen und lokalen Körperschaften“.
In seiner Replik betonte Ministerpräsident Romano Prodi, „dass die Autonomien mit Sonderstatut geschützt werden müssen“. So heißt es auch im Regierungsprogramm von Prodi auf Seite 16, dass die Regierung „wie auch die bisherigen Mitte-links-Regierungen sprachliche Minderheiten und Autonomien mit Sonderstatut schützen und ihre Weiterentwicklung im Sinne einer dynamischen Autonomie fördern will. Die vertraglich zugesicherten Rechte der Autonomiestatute müssen auch bei einer Anpassung an Verfassungsreformen oder die europäische Gesetzgebung garantiert werden“.
Die Blockfreiheit
Die Fraktion „Unione di Centro, SVP e Autonomie (UDC-SVP-Aut)“ arbeitete in der 16. Legislaturperiode unter der Regierung Silvio Berlusconi (8. Mai 2008 bis 16. Novem- ber 2011) und Mario Monti (16. November 2011 bis 28. April 2013). Die Fraktion wurde offiziell am 6. Mai 2008 gegründet, Vorsitzender war Gianpiero D’Alia. Der Kassationsanwalt wurde 2001 in die Kammer gewählt und war unter der dritten Berlusconi-Regierung für die UDC Unterstaatssekretär im Innenministerium. In der 15. Legislaturperiode wurde er wieder in die Kammer gewählt, in der 16. Legislaturperiode wechselte er in den Senat.
Eine Presseagentur fasste am 28. April 2008 die Gründung der Fraktion so zusammen:
„Rom – Salvatore Cuffaro, Neo-Senator der UDC und ehemaliger ,Gouverneur‘ von Sizilien, arbeitet schon an der Wiedergründung der Autonomie-Fraktion. Geht es nach seinem Plan, werden zur Fraktion auch die anderen beiden UDC-Senatoren Antonio Antinoro und Gianpiero D’Alia gehören, außerdem die zwei SVP-Senatoren Manfred Pinzger und Helga Thaler Ausserhofer, Claudio Molinari und Oskar Peterlini von SVP-Insieme per le Autonomie sowie Antonio Fosson, der Vertreter des Aostatales im Senat. Es fehlen also noch zwei Senatoren, um die vom Senat vorgesehene Mindestanzahl zu erreichen. Doch Cuffaro weiß bereits, wen er fragen wird, nämlich zwei ,Rassepferde‘ der DC: die Senatoren auf Lebenszeit Giulio Andreotti und Emilio Colombo. Dem designierten Senatspräsidenten Renato Schifani hat er seine Pläne bereits mitgeteilt.“
Gianpiero D’Alia erinnert sich an die Gründung der Fraktion:
„Unser Ziel war es, vor dem Hinter-rund unserer unterschiedlichen Autonomie-Erfahrungen politisch zusammenzuarbeiten. Die UDC, zu der ich gehörte, und die SVP gehörten beide zur Europäischen Volkspartei und kannten sich deshalb bereits.“
Die Verbindung einer christlich-sozialen Einstellung mit dem Bekenntnis zur Autonomie war also die Basis der neuen Fraktion und dafür, dass sie in den nächsten Jahren weiter anwuchs. Und mit der Anspielung auf Andreotti, Colombo und Cossiga betonte D’Alia, dass der Fraktion „auch drei – inzwischen leider verstorbene – Senatoren auf Lebenszeit beitraten, die ein sehr großes Ansehen genossen und die politische Geschichte Italiens mitgeprägt haben“.
Auffällig ist, dass sich die Fraktion, die im Mai 2008 gegründet wurde, mehrmals in ihrer politischen Zusammensetzung änderte, zum ersten Mal im Februar 2010. Fraktionsvorsitzender Gianpiero D’Alia hat dafür eine einfache Erklärung: „Es kamen Senatoren von anderen Parteien zu uns, zum Beispiel von den Italienern im Ausland, den Republikanern und vielen anderen.“ Doch alle hielten sich bei der Arbeit im Parlament an eine gemeinsame Linie.
Von der Fraktion hieß es oft – was aber bei Weitem nicht immer zutraf –, dass sie von Fall zu Fall für die Regierungsmehrheit stimmte, wenn diese ihr als Gegenleistung bei Autonomie-Fragen entgegenkam. Freilich ging es in erster Linie um Realpolitik, aber nicht ausschließlich. Während der 16. Legislaturperiode hielt die Autonomie-Fraktion fast immer zur Opposition. Doch ihre Opposition war – und das wurde im Parlament allgemein anerkannt – immer inhaltlich begründet, im Unterschied zur Opposition der Parteien, die bei den letzten Wahlen verloren hatten.
Tatsächlich schenkte die Fraktion – mit Ausnahme von Cossiga – der Regierung Berlusconi nicht das Vertrauen. Das änderte sich auch nicht bei der folgenden Regierung unter Mario Monti, der nichts übrighatte für die Regionen mit Sonderstatut und die Autonomen Provinzen Bozen und Trient. So war es nur konsequent, dass die Fraktion bei den meisten Regierungsvorhaben dagegen stimmte. Eine Ausnahme war die Vertrauensabstimmung im November 2011. Damals entschied sich die Fraktion wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation des Landes für eine Unterstützung der Regierung.
Hier stellt sich wieder die nicht nur tagespolitisch, sondern auch geschichtlich relevante Frage, in welchem Verhältnis die Fraktion mit ihren unterschiedlichen Politiker-Persönlichkeiten – die allerdings alle überzeugte Verteidiger der Autonomie waren – zu den anderen Fraktionen im Senat stand.
Wie Exponenten der anderen Parteien bestätigen, genoss die von D’Alia geleitete Fraktion großes Ansehen und man sah in ihr nicht nur irgendeine parlamentarische Fraktion, sondern anerkannte auch ihre besondere politische Bedeutung. Mehrheitsparteien wie Opposition schätzten die Fraktion wegen ihrer besonderen Geschichte, aber auch wegen der treuen Wählerschaft, die hinter ihr stand. Die Fraktion wurde nicht als abgehobener Zirkel wahrgenommen, sondern als ein Ort, wo politische Fragen ernsthaft diskutiert wurden.
Im Laufe der Legislaturperiode fanden die Vertreter Siziliens, des Aostatales, des Trentino und Südtirols trotz der unterschiedlichen Probleme ihrer Herkunftsregionen zu einem Konsens in wichtigen Fragen. So tauschte man vor allem die eigenen Erfahrungen aus und diskutierte die unterschiedlichen Autonomie-Modelle in ihren Vor- und Nachteilen und wie man das jeweilige Modell in der Umsetzung optimieren könnte.
Angriff auf Südtirols Privilegien
Neben diesen inhaltlichen Diskussionen bestimmte aber bereits in dieser Legislaturperiode ein weiterer Faktor die Arbeit der Fraktion indirekt mit, nämlich das Bild von den vermeintlich „privilegierten“ Autonomien mit Sonderstatut, das in der öffentlichen Meinung vorherrschend war. Oft konnten auch die härtesten Gegner vom Sinn der Autonomie überzeugt werden, wenn ihre Vorurteile nicht gänzlich unüberwindbar waren. Dann reichte es, wenn man auf die geschichtlichen Gründe hinwies, die zur Autonomie geführt hatten. Freilich wurden die autonomen Regionen auch verglichen, Sizilien mit dem Aostatal und Südtirol.
Mitglieder der Fraktion bestätigen: „Man kann nicht bestreiten, dass in Sizilien und Sardinien die Autonomie zum Teil auch missbraucht wurde. Aber man muss auch bedenken, dass wir in Sizilien und Sardinien eine ganz andere Situation haben als im Norden. Die Einigung Italiens dauerte in diesen Regionen bis lang nach dem Zweiten Weltkrieg.“
Dass die Sonderautonomie nicht überall gleich gut funktionierte, im Norden besser, im Süden weniger gut – das war immer schon das Problem. Dabei muss man den Grund nicht immer und notwendigerweise darin suchen, dass die politisch Verantwortlichen im Süden weniger qualifiziert oder weniger überzeugt von ihrer Aufgabe sein könnten als jene im Norden. Mit diesen Problemen setzte sich die Fraktion intensiv auseinander und bereitete so den Boden für die Diskussionen in der folgenden Legislaturperiode, im Par- lament wie im autonomiegeschichtlichen Diskurs. Doch vor allem regte sie auch eine konkrete politische Auseinandersetzung darüber an, wie sich die einzelnen Regionen mit Sonderstatut weiterentwickeln können und sollen.
Fraktionschef Zeller
Nach einem politisch schwierigen Neustart wird in der 17. Legislaturperiode zuerst Enrico Letta Ministerpräsident (28. April 2013 bis 22. Februar 2014), dann Matteo Renzi (bis zum 12. Dezember 2016) und schließlich Paolo Gentiloni. Die Fraktion „Per le Autonomie (SVP-UV-Patt-UpT)-PSI“ wurde offiziell am 19. März 2013 gegründet, Fraktionsvorsitzender ist Karl Zeller (SVP).
Der bekannte Meraner Rechtsanwalt kann auf eine lange politische Laufbahn zurückblicken: 1994 wurde er in die Abgeordnetenkammer gewählt und saß dort von der 12. bis zur 16. Legislaturperiode. In der 17. Legislaturperiode wird er in den Senat gewählt und kann dort viele politische Erfolge erzielen. Dabei hilft ihm seine langjährige Erfahrung in der Abgeordnetenkammer, vor allem aber auch die Tatsache, dass die SVP die Mehrheitspartei PD bei den Parlamentswahlen 2013 maßgeblich unterstützt hat. Er ist Mitglied der Finanzkommission im Senat und nimmt an allen wichtigen Verhandlungen mit der Mehrheitspartei und der Regierung teil. Am 18. März 2014 wird er als Vertreter der Provinz Bozen in der Zwölfer- und Sechser-Kommission bestätigt. Zeller ist seit 1994 Mitglied dieser paritätischen Kommissionen, deren Aufgabe die Prüfung der Durchführungsbestimmungen des Autonomiestatuts der Region Trentino-Südtirol ist. Er ist Mitglied der parlamentarischen Untersuchungskommission, die das italienische Bankensystem prüfen soll, und seit 27. September 2017 Sekretär dieser Kommission.
Am 2. April 2013 verabschiedete die Autonomie-Gruppe ihre Fraktionsordnung, darin wird auch die politische Ausrichtung der Fraktion beschrieben:
„Die Fraktion möchte auf demokratische Weise, im Rahmen der Verfassung, der Senatsordnung und der gel- tenden Gesetze an der politischen Gestaltung in Italien mitwirken. Dabei richten sich die Mitglieder an den Grundsätzen von Transparenz und Verantwortung aus und streben eine Zusammenarbeit an, die von Loyalität und Fairness geprägt ist. Jedes Mitglied trägt zur Ausarbeitung der Leitlinien der politischen Arbeit bei. Die Schwerpunkte sind die Stärkung der Sonderautonomien, der Föderalismus und der Minderheitenschutz. [...] Um dies zu erreichen, werden alle Fraktionsmitglieder von der Fraktionsleitung in die Arbeit einbezogen.“
Von Anfang an waren in der Fraktion Senatoren verschiedener politischer Herkunft. Zuerst bestand die Fraktion aus zehn Mitgliedern, was die Mindestanzahl ist, um im Senat eine Fraktion zu bilden. Dazu gehörten die Vertreter der Autonomie-Parteien aus Südtirol, dem Trentino und dem Aostatal, die zwei PSI-Senatoren, nämlich Parteisekretär Riccardo Nencini (unter Renzi und Gentiloni war er Vizeminister) und Fausto Guilherme Longo, aber auch die bekannten Senatoren auf Lebenszeit Emilio Colombo und Giulio Andreotti. Letzteren beiden kam im Unterschied zu allen anderen Mitgliedern die besondere Ehre zu, von der ersten Gründung an Mitglied der Autonomie-Fraktion zu sein.
Der „harte Kern“ der Fraktion waren weiterhin die Vertreter der Autonomie-Parteien Trentino-Südtirols und Aostas, von hier aus entwickelten sich die politische Aktivität der Fraktion, ihre Positionierung und ihre Kontakte zur Regierung. Zum „harten Kern“ gehörten neben Karl Zeller auch der SVP-Senator Hans Berger, ehemaliger Landesrat für Landwirtschaft und Landeshauptmannstellvertreter in Südtirol, der ehemalige Trentiner Landwirtschaftslandesrat und PATT-Sekretär Franco Panizza, der 2013 das Bündnis mit dem PD mitunterzeichnet hatte, UpT-Senator Vittorio Fravezzi, seit 2005 Bürgermeister von Dro, UV-Senator Albert Lanièce, ehemaliger Gesundheitsassessor des Aostatales, und Francesco Palermo, Universitätsdozent und unabhängiger Kandidat im Senatswahlkreis Bozen-Unterland, der von der SVP und dem PD unterstützt worden war.
Prominente Neuzugänge
Schon bald nach ihrer Gründung musste die Fraktion einige Krisen bestehen: Am 6. Mai 2013 starb Giulio Andreotti, und wie die wichtigsten Presseagenturen schrieben, war damit die Autonomie-Fraktion in Gefahr, weil sie nun zu wenig Mitglieder hatte – abgesehen vom großen Bedauern, das der Tod Andreottis als eine der großen Persönlichkeiten in der Geschichte des italienischen Parlaments hervorrief. Fraktionsvorsitzender Karl Zeller sollte nun sondieren, ob man die Fraktion erhalten könnte. Zuerst dachte man an den Trentiner Giorgio Tonini als neues Mitglied. Doch der Fraktionsvorsitzende des PD Luigi Zanda hatte ihn als Vertreter der PD-Fraktion für ein wichtiges Amt vorgesehen, und in der Tat wurde Tonini bald darauf zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gewählt. Am 23. Mai 2013 wurde der PSI-Senator Enrico Buemi Mitglied der Autonomie-Fraktion. Er war Ignazio Marino in den Senat nachgefolgt, der wegen seiner Kandidatur als Bürgermeister von Rom zurückgetreten war. Am 24. Juni verlor die Autonomie-Fraktion ein weiteres berühmtes Mitglied: Im Alter von 93 Jahren starb der letzte lebende „Verfassungsvater“, Senator Emilio Colombo. Wieder mussten „Beitrittsverhandlungen“ aufgenommen werden. Karl Zeller gelang es, in Absprache mit den übrigen Fraktionsmitgliedern den MAIE-Senator Claudio Zin als Mitglied zu gewinnen. Damit nahm die Fraktion auch ihre definitive Bezeichnung an: „Per le Autonomie (SVP-UV- Patt-UpT)-PSI-MAIE“.
Am 27. November 2013 traten der Fraktion – in Absprache mit den Mitgliedern und in Übereinstimmung mit den programmatischen Leitlinien – Elena Cattaneo und Carlo Rubbia bei, die am 30. August desselben Jahres vom damaligen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zu Senatoren auf Lebenszeit ernannt worden waren.
Es folgten weitere Neueintritte: Zuerst kam im September 2014 Senator Lorenzo Battista dazu, der in der Autonomen Region Friaul-Julisch-Venetien für die Fünf-Sterne-Bewegung gewählt worden war und seit März 2017 Mitglied der Bewegung „Articolo 1-Mdp“ war. Im Dezember traten dann nach der Auflösung der Fraktion „Scelta Civica per l’Italia“ noch Vizeminister Andrea Olivero und die Senatoren Lucio Romano und Maria Paola Merloni der Autonomie-Fraktion bei.
Am 19. Jänner 2015 wurde Giorgio Napolitano kurz nach seinem Rücktritt als Staatspräsident – und nun von Rechts wegen Senator auf Lebenszeit – offiziell Mitglied der Fraktion „Per le Autonomie-PSI-MAIE“. Zum ersten Mal trat damit ein ehemaliger Staatspräsident einer anderen als der gemischten Fraktion bei. Dies war vor allem auf die damalige politische Zusammensetzung der gemischten Fraktion zurückzuführen. Den Vorsitz führte dort von Anfang an das Bündnis aus SI und SEL (Sinistra italiana-Sinistra ecologia e libertà), das die politische Arbeit der Fraktion prägte. Damit stand sie in klarer politischer Gegnerschaft zu Enrico Letta und Matteo Renzi, denen Napolitano als Staatspräsident jeweils den Regierungsauftrag erteilt hatte.
Am 18. März 2015 traten zwei weitere wichtige Persönlichkeiten der Fraktion bei: der ehemalige Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und der Senator auf Lebenszeit Renzo Piano. Letzterer war – wie auch Carlo Rubbia und Elena Cattaneo – seinerzeit von Napolitano zum Senator auf Lebenszeit ernannt worden. Letztes Neumitglied war seit 21. Oktober 2015 der aus Venezuela stammende Senator Luis Alberto Orellana, der vorher zur Fünf-Sterne-Bewegung gehört hatte. Großes Bedauern rief am 16. September 2016 das Ableben des ehemaligen Staatspräsidenten und Senators auf Lebenszeit Carlo Azeglio Ciampi hervor.
Der Autonomie-Fraktion traten während der Legislaturperiode alle ehemaligen Staatspräsidenten und fast alle Senatoren auf Lebenszeit bei – ein Charakteristikum, das der Fraktion zu großem Ansehen verhalf. Eine Mitgliedschaft des Senators auf Lebenszeit Mario Monti kam nicht zustande, auch weil sich viele Senatoren der Autonomie-Fraktion dagegen aussprachen, da für sie Montis Einstellung nicht vereinbar war mit den autonomiepolitischen Zielen der Fraktion.
Von Renzi zu Gentiloni
Am 31. Jänner 2015 wurde Sergio Mattarella zum Staatspräsidenten gewählt. Die Südtiroler Politiker begrüßten seine Wahl: Die Autonomie-Fraktion hatte von Anfang an die Kandidatur von Mattarella unterstützt, ist er doch, wie Karl Zeller erklärte, „als Sizilianer und hervorragender Jurist nicht nur ein Kenner, sondern auch ein Freund der Autonomie“. Was die Freundschaft mit Südtirol betrifft, führte der neue Staatspräsident eine Tradition weiter: Giorgio Napolitano hatte mit Trentino-Südtirol, der „Sonderautonomie unter allen Sonderautonomien“, immer enge Kontakte gepflegt.
Für die Autonomie-Fraktion stehen die Autonomie, ihre Weiterentwicklung und optimale Umsetzung im Mittelpunkt.
Doch sie spielt daneben auch eine entscheidende Rolle bei wichtigen Abstimmungen im Parlament und bei den vorbereitenden Arbeiten in den verschiedenen Ausschüssen. Die Mehrheit im Senat bilden schließlich PD (nach der Abspaltung von Articolo 1-Mdp), Alleanza popolare und die Autonomie-Fraktion.
Die Stabilität der Regierung war in der 17. Legislaturperiode immer wieder in Gefahr, zum Beispiel Ende 2013 mit der Spaltung von Forza Italia und Berlusconis Rückzug aus der Regierungsverantwortung. In solchen Situationen brauchte die Regierung die Stim- men der Autonomie-Fraktion, insbesondere im Verfassungsausschuss und im Haushalts- ausschuss, wo immer schon die wichtigen politischen Entscheidungen fielen und wo die Fraktion jeweils zwei Vertreter hatte.
Nach dem verlorenen Referendum im Dezember 2016 und dem Rücktritt von Matteo Renzi traf sich der „harte Kern” der Fraktion mit dem neuen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni, der in der Regierung Renzi Außenminister gewesen war. Zur Rolle der SVP schreibt die Presse, was auch die autonomiefreundlichen Parteien im Senat so sehen: „Gestärkt durch den Sieg des Ja beim Verfassungsreferendum und durch ihre guten Beziehungen zur Regierung wünscht sich die SVP vom designierten Ministerpräsidenten ein Signal, dass die Regierung autonomiefreundlich bleibt.“
Karl Zeller fasst es so zusammen:
„Wir haben dem designierten Regierungschef unsere Forderung deutlich gemacht, dass die Senatswahlkreise für Trentino-Südtirol, wie sie im geltenden Wahlgesetz vorgesehen sind, auch im neuen Wahlgesetz bestätigt werden; dass auch weiterhin eine gute Zusammenarbeit zwischen unserer Autonomie und der Regierung nötig ist, was die Durchführungsbestimmungen betrifft, in erster Linie Justiz, Zweisprachigkeit und Steueragenturen; und dass schließlich die Regierung verspricht, die anstehenden Maßnahmen im Infrastrukturbereich umzusetzen, in erster Linie was die Vergabe der Autobahnkonzession (A22) und den BBT betrifft.“
Wieder einmal bewies die Autonomie-Fraktion mit diesem pragmatischen Zugang ihren Sinn für Realpolitik. In dieser Haltung lag nach Einschätzung der wichtigsten nationalen Presseagenturen ANSA auch die Macht der Fraktion bei der Vertrauensfrage:
„Ohne die 18 ALA-Senatoren wird die Fraktion rund um Karl Zeller zum wichtigsten Verbündeten. Bei 320 Senatoren ergäben PD, Area Popolare (NCD-UDC), die Autonomie-Fraktion, GAL und die gemischte Fraktion eine Mehrheit von 171 Stimmen, wie es in der italienischen Presse gestern hieß. Weil die Regierung mindestens 161 Stimmen braucht, steigen die Stimmen der SVP und ihrer Bündnispartner – UpT, PATT, andere Sonderautonomien, PSI, Senatoren auf Lebenszeit – im Wert. So ist es kein Zufall, dass die SVP mit einer langen Wunschliste zu Gentiloni kam, die von der Autobahnkonzession für die A22 bis hin zu ausstehenden Durchführungsbestimmungen reicht.“
Die Vertrauensabstimmung zur Regierung Gentiloni wurde im Senat mit 169 Ja-Stim- men und 99 Nein-Stimmen gewonnen. Das zeigt ein weiteres Mal, welche wichtige Rolle die Autonomie-Fraktion im Senat spielte.
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