Little Women
Frauen, die schreiben, sind heute ganz normal, wenngleich auch nicht immer ganz gleich behandelt wie der in der Gesellschaft dominante Mann. Frauen, die schreiben, waren vor einigen Jahrhunderten alles andere als normal, und taten sie es dennoch, durfte man als Autorin keine großen Erwartungen an die Reaktion der männerdominerten Verlegerschaft haben. In Louisa May Alcotts Roman „Little Women” (1868) schreibt sie im Grunde über sich selbst, und, wie der Titel vermuten lässt, über weitere Frauen, nämlich ihre Schwestern. Sie sind vier Kinder in der Familie March, namentlich Jo, Alcotts alter Ego, Meg, Amy und Beth. Dann gibt es noch ihre Mutter, eine herzensgute Frau, und den Vater, der jedoch im Krieg ist, und den reichen Nachbarn mit seinem Sohn. Nicht zu vergessen ist die strenge Tante der Mädchen. In einer für Frauen sehr stagnierenden Zeit, in der sich die Gesellschaft kaum weiterentwickelt, erzählt Alcott die Geschichte der vier Töchter, und wie sich ihr Verhältnis zueinander wandelt und verändert. Die Filmemacherin Greta Gerwig, die zuletzt mit „Lady Bird” einen großen Erfolg feiern konnte, hat den literarischen Stoff nun adaptiert, und wie bereits erwähnt ist sie nicht die erste, die sich daran versucht. An Ort und Zeit ändert sie nichts, und doch bekommt der Film durch ein wunderbar verflochtenes Drehbuch einen modernen Anstrich. Er steigt mit der Protagonistin der Erzählung ein, mit Jo, gespielt von Gerwig-Liebling Saoirse Ronan, die eine Kurzgeschichte an einen Verleger verkaufen möchte. Ihr Traum ist es, vom Schreiben leben zu können. Schnell muss sie jedoch einsehen, dass die von Männern dominierte Branche kaum Interesse an schreibenden Frauen hat, und wenn doch, dann nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Progressive Geschichten sind nicht erwünscht, verzichtet man auf einen männlichen Protagonisten und ersetzt ihn mit einer Frau, muss die am Ende heiraten. Sonst wäre der Leser ja unzufrieden oder gar irritiert. Und was den Preis angeht, nun, da muss Jo auch zurückstecken und knallhart verhandeln. Tritt sie das Urheberrecht zugunsten einer einmaligen Pauschale ab oder begnügt sie sich mit einem geringeren Honorar und hofft auf den späteren Erfolg? Mit ihren künstlerischen Bestrebungen ist Jo nicht alleine. Auch ihre drei Schwestern tummeln sich in ähnlichen Gefilden. Meg, gespielt von Emma Watson, möchte Schauspielerin werden, Amy, verkörpert von Florence Pugh, Malerin und die jüngste unter den vieren, Beth, übt sich fleißig am Klavierspielen. Längst leben die vier nicht mehr im Haus ihrer Eltern, doch dies war einst so, und das ist interessant, und deshalb springt der Film immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Im Hier und Jetzt ist Beth, die jüngste Schwester erkrankt und ihr Zustand verschlechtert sich immer weiter. Aus diesem Anlass beschließt Jo, ihren literarischen Bestrebungen kurz eine Pause zu gönnen und bricht nach Hause auf. Auf dem Weg dorthin reflektiert sie das Vergangene, und so erleben wir als Zuschauer die turbulente, nicht immer nur von Harmonie geprägte Beziehung der Schwestern. Die Kindheit wird dabei größtenteils ausgespart und man konzentriert sich auf die Jugend und das frühe Erwachsenendasein. In dem spielt natürlich auch die Liebe eine nicht unwesentliche Rolle. Der Nachbarsjunge Laurie (Timothée Chalamet) verdreht zumindest zweien der vier den Kopf. Doch ist er ein anständiger, junger Mann und eine gute Partie für die Heirat? Tante March, skurril verkörpert von Meryl Streep, ist sich da unsicher.
„Little Women” ist ein Coming-of-Age Film, und einer, der durch sein durchdachtes und geschickt konzipiertes Drehbuch mit den Gefühlen des Zuschauers zu jonglieren weiß. Auf Momente der großen Euphorie, die vor allem durch das exzellente Spiel der vier jungen Darstellerinnen zurückzuführen ist, folgen einige der traurigsten und melancholisten Augenblicke des vergangenen Filmjahres. Dieses Auf und Ab der Emotionen sorgt dafür, dass „Little Women” trotz seines angestaubten historischen Settings niemals langweilig wird und den augenzwinkernden Charme der Greta Gerwig gut in die Vorlage integriert. Wie erwähnt ist der vorwiegend weibliche Cast neben dem Drehbuch das klare Highlight des Films. Vor allem Saoirse Ronan und Florence Pugh machen ihre Sache großartig und verschwinden als Schauspielerinnen völlig im Körper ihrer Rollen. Die komplexe Beziehung der vier ist jederzeit spürbar und der jugendliche Geist in den verspielten Darstellungen präsent. Diesem Ensemble zuzusehen ist eine wahre Freude. „Little Women” ist aber auch ein Film, in dem das Schauspiel und die Geschichte im Vordergrund stehen. Die Inszenierung hält sich bewusst zurück und ihr kommt eher eine unterstützende Funktion zu. Ruhige Kameraeinstellungen begleiten die vier Schwestern. Das originelle, von bunten Farben dominierte, und zurecht bei den Oscars ausgezeichnete Kostümdesign ist unbedingt zu erwähnen. Manche Bilder dieses Films werden zu Ikonen der Filmgeschichte werden, nicht zuletzt aufgrund der Kostüme.
Ja, dieser Film ist meist unaufgeregt, doch daraus entsteht die Spannung, die Atmosphäre, das Gefühl, das den Film umgibt. Er atmet Gerwigs Handschrift, und das ist die einer Unabhängigen. Wie kaum eine andere Regisseurin steht sie für das neue amerikanische Independent-Kino. Dass die Oscars ihre Regiearbeit für dieses Werk noch nicht einmal mit einer Nominierung würdigten, ist schade, schmälert aber ihre Leistung keineswegs. Der Film zeigt die Stellung der Frauen in der Vergangenheit, und lässt die Frage offen, ob es heute wirklich besser um sie steht. An der Oberfläche ja, doch sind die maskulin geprägten Strukturen wirklich verschwunden? Louisa May Alcott bezeichnete ihr Buch als Geschichte für Mädchen. Damit verkennt sie das Potential ihres eigenen Romans. Greta Gerwig reizt dieses aus. „Little Women” ist ein Film von und über Frauen, der sich aber dennoch an alle Geschlechter dieser Welt richtet.