Environment | Invasive Arten

„Das tut natürlich weh!“

Marmorierte Baumwanze, Kirschessigfliege und giftige Pflanzen für Tier und Mensch – wird die Gefahr von invasiven Arten unterschätzt?
Marmorierte Baumwanze
Foto: PAT
  • Mit dieser Frage befasste sich gestern (21. Februar) wie berichtet der II. Gesetzgebungsausschuss, der auf Antrag des Freien Abgeordneten Andreas Leiter Reber eine Anhörung mit Experten der verschiedensten Fachgebiete organisiert hatte. Zwar hatte sich der Landtag bereits früher mit einzelnen Erscheinungen in Zusammenhang mit invasiven Arten befasst, so reichte beispielsweise Madeleine Rohrer von den Grünen im vergangenen Herbst einen Beschlussantrag ein, der sich mit dem Japankäfer und den wirtschaftlichen Schäden beschäftigt – und die Antwort erhalten, man solle sich doch lieber um Wolf und Bär kümmern, zum ersten Mal wurde allerdings versucht, die Thematik in ihrer Gesamtheit und Komplexität zu erfassen. 

  • Anhörung im Landtag: Der II. Gesetzgebungsausschuss hat sich gestern mit der Problematik der invasiven Arten beschäftigt. Foto: Südtiroler Landtag/GNews
  • In der Anhörung gaben die Wissenschaftler einen Überblick über die aktuelle Situation der Vorkommen invasiver Arten und einen Ausblick auf künftige Entwicklungen, wobei verschiedene Aspekte beleuchtet wurden: von den Einschleppungs- und Verbreitungsmustern nicht einheimischer Arten bis hin zu den natürlichen Gegenspielern, von den Überwachungs- und Reaktionssystemen bis hin zu den ökologischen und wirtschaftlichen Schäden, die insbesondere im Obst- und Weinbau entstehen, von den gesundheitlichen Folgen bis hin zur Rolle des Klimawandels und der Globalisierung. So berichtete beispielsweise Robert Wiedmer vom Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau von seinen Erfahrungen in diesem Sektor. Der 1957 gegründete gemeinnützige Verein zählt rund 6.000 Mitglieder, die ca. 22.000 Hektar Anbaufläche bearbeiten; ungefähr 50 Mitarbeiter führen Beratungstätigkeiten zu Obst- und Weinbau in ganz Südtirol durch. „Wir haben in den vergangenen Jahren bereits einige Erfahrung mit invasiven Schädlingen sammeln können“, erklärte Wiedmer, „von der Kirschessigfliege über die marmorierte Baumwanze bis hin zur Goldgelben Vergilbung im Weinbau.“ Seit etwa 20 Jahren tauchten in beständiger Regelmäßigkeit neue Arten und damit neue Probleme auf. Mit ein Grund dafür ist der wachsende globale Handel bzw. Warenaustausch. Wie der Experte berichtet, sei hier Italien aufgrund der vielen Seehäfen oftmals die erste Anlaufstelle für neue Arten, die aus anderen Kontinenten einwandern. Der zweite Punkt betrifft die klimatischen Veränderungen, welche die Ausbreitung gewisser Tier- und Pflanzenarten begünstigen. Diese Veränderungen haben es beispielsweise ermöglicht, dass die Mittelmeerfruchtliege, die, wie der Name bereits sagt, eigentlich weiter südlich anzutreffen ist, in unseren Breiten heimisch werden konnte. 

  • „Die Natur macht, was sie will“

    Jürgen Wirth Anderlan, Landtagsabgeordneter der Liste JWA und Obstbauer: „Wir glauben zwar, dass wir es kontrollieren können, aber es wird wohl nicht aufzuhalten sein.“ Foto: Seehauserfoto

    „Seit ungefähr vier Jahren haben wir massive Probleme mit der marmorierten Baumwanze“, berichtet Jürgen Wirth Anderlan, Mitglied des II. Gesetzgebungsausschusses und als Obstbauer von den Problemen rund um invasive Arten selbst betroffen. „Obstanlagen, die von der Marmorierten Baumwanze befallen sind, sehen aus, als wäre ein Hagelschauer über sie niedergegangen. Der Ernteausfall betrug in den vergangenen Jahren zwischen zwei und 15 Prozent“, berichtet Wirth Anderlan, „und das tut natürlich weh“. Zwar gebe es Pflanzenschutzmittel, die allerdings zum einen extrem teuer seien, zum anderen kaum Wirkung zeigten. Ein Dilemma, so der Abgeordnete der Fraktion JWA: Wenn die Bauern die Wahl hätten, würden sie am liebsten gar nicht „spritzen“, da wie gesagt sehr teuer, arbeitsintensiv und oftmals wirkungslos, auf der anderen Seite verlange der Konsument ein rundum perfektes Produkt. Durch Schädlingsbefall beschädigtes Obst dagegen sei unverkäuflich. 

     

    „Der Ernteausfall betrug in den vergangenen Jahren zwischen zwei und 15 Prozent.“

     

    Zusätzlich zu neuen invasiven Arten habe man es in letzter Zeit aber wieder vermehrt mit den „alten Bekannten“ wie dem Feuerbrand bei den Pilzkrankheiten oder der Schild- und Blutlaus bei den Insekten zu tun. Was die marmorierte Baumwanze betrifft, seien bereits Versuche mit dem natürlichen Gegenspieler, der Samurai-Wespe, unternommen worden, „hier gehe es allerdings nicht recht weiter“, bemängelte Wirth Anderlan. Ganz im Gegenteil werde dieses Insekt zunehmend auch für die Beherbergungsbetriebe zum Problem, und es sei bereits vorgekommen, dass Gastwirte und Hoteliers an die Bauern herangetreten seien, mit der Bitte um wirksame Schädlingsbekämpfungsmittel. Das Fazit des Landtagsabgeordneten und Obstbauern: „Es ist sehr schwierig, weil letzten Endes die Natur macht, was sie will. Wir glauben zwar, dass wir es kontrollieren können, aber es wird wohl nicht aufzuhalten sein.“ 

  • Zu den Referenten gehörten Andrea Simoncelli vom Landespflanzenschutzdienst, der über das Monitoring von Schadorganismen – Quarantäneschädlinge – Aktuelle Situation der invasiven Arten und Ausblick berichtete, Melanie Graf von BRING Beratungsring Berglandwirtschaft, die Invasive Tierarten im Grünland, Acker- und Beerenobstanbau vorstellte, sowie Robert Wiedmer vom Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau, der die Herausforderungen durch invasive Arten im Obst- und Weinbau präsentierte. Die gesundheitlichen Implikationen des Themas verdeutlichte Giulia Morosetti vom Südtiroler Sanitätsbetrieb – Abteilung Prävention in ihrem Vortrag Medizinischer Aspekt invasiver Tierarten – Prävention und Schutz vor Krankheiten, ehe Josef Wieser Wildbiologe des Südtiroler Jagdverbandes, über invasive Wirbeltiere, Thomas Wilhalm vom Naturmuseum Südtirol über invasive Pflanzenarten am Wegesrand – Auswirkungen auf die Biodiversität und Giovanni Peratoner vom Versuchszentrum Laimburg über Invasive Pflanzenarten im Grünland und Ackerland berichteten. Abschließend stellte Wieser nochmals die rechtliche Situation dar.

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Salto User
nobody Sat, 02/22/2025 - 21:21

Man kann auch Obst und Gemüse essen, das optisch nicht einwandfrei ist (kompliziert ist der Handel, nicht der Konsument - letzterer läst sich durch Argumente überzeugen, der Handel anscheinend nicht). Die größere Gefahr stellen importierte Krankheiten des Menschen dar und deren Überträger (z.B. Tigermücke als Vektor verschiedener humanpathogener Viren).

Sat, 02/22/2025 - 21:21 Permalink