"Die Stimmung ist am Boden"
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“Wir stehen alle unter Schock.” Die Fassungslosigkeit ist unter den Mitarbeitern von EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann deutlich zu hören. Am Montag Abend ist Dorfmann nach Brüsssel gereist, und am Flughafen Zaventem gelandet – dort, wo am Dienstag Morgen eine Bombe mehrere Menschen in den Tod riss und zahlreiche verletzte. Kurz darauf eine Explosion in der U-Bahn-Station Maelbeek, im Herzen des Europaviertels, wo sich die Institutionen der EU und auch Herbert Dorfmanns Arbeitsplatz befindet. In Brüssel herrscht Ausnahmezustand. salto.bz hat den EU-Parlamentarier in der belgischen Hauptstadt erreicht. “Es geht mir gut, das ganze Büro ist in Sicherheit”, gibt er Entwarnung.
Herr Dorfmann, wo halten Sie sich am Dienstag Vormittag auf? Was passiert gerade?
Herbert Dorfmann: Ich bin hier im EU-Parlament. Die Nachrichten überschlagen sich und die Stimmung im Haus ist am Boden. Ich war vorher kurz unterwegs und es herrscht kein Normalzustand. Die Menschen stehen auf den Gängen herum, draußen hört man nur Sirenen von Einsatzfahrzeugen und Krankenwagen. Eine wirklich sehr bedrückende Situation.
Sie waren erst kürzlich am Flughafen in Brüssel?
Ja, gestern (21. März, Anm. d. Red.) bin ich dort gelandet und noch durch die Abflughalle gegangen.
Wahrscheinlich kennen Sie auch die betroffenen Metro-Stationen gut?
Die Orte kenne ich perfekt, ja. Allerdings benutze ich die U-Bahn nicht regelmäßig, da ich, wenn ich zur Arbeit ins Parlament muss, zu Fuß gehe. Erst heute Früh bin ich an der Station Maelbeek vorbeigekommen. Und wenn man sich die drei betroffenen U-Bahn-Stationen anschaut, muss man – leider – sagen, dass sie wohl sehr gezielt und bewusst ausgewählt wurden. Es sind die drei Haltestellen im EU-Viertel, Schumann befindet sich bei der EU-Kommission, Maelbeek beim Sitz des EU-Parlaments und Arts-Loi beim Europäischen Rat.
Würden Sie sagen, das war ein Anschlag auf Europa?
Das würde ich mich nicht getrauen zu behaupten. Aber es wirklich beängstigend, wenn so etwas direkt vor der Haustür passiert. Es geht einem extrem nahe. Man denkt an die Opfer und die Verletzten dieser brutalen Geschichte, dieses Wahnsinns.
Seit einigen Monaten gelten in Brüssel massiv verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Seit den Terroranschlägen in Paris vom 13. November 2015 herrschte ein erhöhter Sicherheitsstatus. In der ganzen Stadt war nicht nur Polizei, sondern auch viel Militär unterwegs, mit Maschinengewehren. Auch am EU-Parlament. Aber ich muss sagen, dass wir ziemlich schnell zu einem ‘normalen’ Alltag zurückgekehrt sind. Die Präsenz von Sicherheitskräften ist sozusagen normal geworden.
Das heißt, die Anschläge kamen überraschend?
Ich persönlich bin nicht so naiv, dass ich geglaubt hätte, das Problem des islamischen Extremismus sei mit der Verhaftung einzelner Terroverdächtiger – zuletzt am Samstag – aus der Welt geschafft worden. Es gibt ihn nach wie vor.
Sie vermuten, dass der Anschlag auf Konto islamistischer Terroristen geht?
Derzeit gilt es erst zu verstehen, was wirklich passiert ist. Aber Brüssel hat einen sehr hohen Anteil an Moslems und dass sich darunter auch radikalisierte Kräfte finden, hat man spätestens seit Paris verstanden.
Wie geht Ihr (Arbeits-)Alltag heute weiter?
Wir haben gleich eine Sitzung des Umweltausschusses, und diese findet statt. Aber es kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Parlament heute normal gearbeitet wird. Viele machen sich auch schon Gedanken wegen der Osterferien, die anstehen und über die Reisepläne, die man vielleicht hatte. Eine sehr eigenartige Stimmung…