Economy | Kaufhaus Bozen

Konsum-Mekka oder Laden-Killer?

Teil 1 der Artikel-Reihe "Pro und Contra Benko": die Auswirkungen auf Handel und Arbeitsplätze.

Südtirol blickt auf eine lange – und in Italien wohl einmalige – Geschichte des Widerstandes gegen Einkaufszentren zurück. Die restriktive Urbanistik-Gesetzgebung des Landes, die den Handel in Gewerbeflächen und auf der grünen Wiese weitgehend untersagte, hat die historisch gewachsene Einzelhandelsstruktur jahrzehntelang unter eine gläserne Glocke gestellt. Seit dem Liberalisierungsschub durch das Monti-Dekret vor rund vier Jahren, seit es in Bozen ein Twenty und ein Centrum gibt, ist es damit vorbei. Das Kaufhaus-Bozen-Projekt von René Benko wäre für die Landeshauptstadt ein weiterer, entschieden gesetzter Schritt in Richtung Shopping-Malls. Doch wie genau würde sich KHB auf den Handel auswirken? Darüber gehen die Meinungen auseinander. 

 

Stichwort Ladensterben

Contra Benko:

Jemand, der naturgemäß etwas gegen millionenschwere neue Konkurrenz haben muss, sind Bozens Kaufleute. Der hds hat dazu aufgerufen, bei der Bürgerbefragung mit Nein zu stimmen. Sein Hauptargument: die Verkaufsfläche des KHB-Projekts ist zu groß. Mehr als 34.000 Quadratmeter Handelsfläche sollen auf dem heutigen Busbahnhofsareal neu entstehen – die gesamte Verkaufsfläche in der Bozner Altstadt ist heute etwa 60.000 Quadratmeter groß. Die konzeptlose „Flächenexplosion“ werde sich nicht nur auf ganz Bozen, sondern auch auf die umliegenden Gemeinden negativ auswirken. Anders gesagt: Wenn die Verkaufsfläche in Bozen durch das KHB-Projekt um rund 50 Prozent wächst, wird es Handelsbetriebe geben, die die massive neue Konkurrenz nicht überleben. Denn so attraktiv es sich auch präsentiert, das neue Angebot im Bereich Südtiroler Straße / Perathonerstraße /Garibaldistraße würde es wohl kaum schaffen, neue Konsumenten aus dem Boden sprießen zu lassen. Ähnlich sieht es auch der Verband der Selbstständigen (Confesercenti), der seine Klientel eher unter den Ladenbesitzern der Außenbezirke und damit einen Grund mehr hat, gegen einen Konsumtempel in der Stadtmitte zu sein. Die Peripherie fühlt sich ohnehin vernachlässigt und muss befürchten, dass sich Straßen wie Läden noch mehr leeren, wenn die Bozner ihr Geld verstärkt in die Stadtmitte tragen.

Ein Ladensterben steht nach Ansicht der Gegner auch aus verkehrstechnischen Gründen zu befürchten. Sie sehen das KHB als Krake, die Konsumenten anzieht und nicht mehr loslässt. Denn die künftige Kundschaft von KHB würde dank Tunnel und Parkgaragen verkehrstechnisch direkt ins Einkaufszentrum geführt und dort rundum bedient – vom Einkauf über die Verpflegung bis zur Kinderbetreuung. Wer würde dann noch in den Lauben shoppen, wo in der guten alten Zeit jeder Kaufwillige, der in die Stadt kam, Station machte?

Pro Benko:

Die Befürworter des Benko-Projekts lassen das Argument des Ladensterbens nicht gelten – zumindest was die Innenstadt angeht. Denn in Wirklichkeit seien die sündhaft teuren Geschäftsmieten der Ruin der Branche. Solange die Herren der Bozner Lauben und der restlichen Innenstadt ihre Objekte lieber leer stehen ließen oder teuer an internationale Ketten vermieteten, als ihre Mietansprüche auf ein vertretbares Niveau herunter zu drehen, werde es weitere Traditionsunternehmen geben, die das Handtuch werfen. Die Verbraucherzentrale Südtirol ist außerdem der Ansicht, dass Läden, die das richtige Sortiment führen, nicht untergehen: „Die Nahversorgung hat von der Neugestaltung des Busbahnhofareals nichts zu befürchten, wenn sie sich um Spezialisierung und lokale Produkte bemüht.“ Was die KHB-Befürworter außerdem zu bedenken geben: weder in Innsbruck noch in Trient hätten die neuen Einkaufszentren die verheerenden Folgen gehabt, die die Gegner an die Wand malen.

 

Stichwort Kaufkraft

Contra Benko

Steht das Kaufhaus Bozen erst einmal, dann wird die Kaufkraft der Bozner nicht wie durch ein Wunder wachsen, sondern sich Neuem zuwenden, argumentieren hds und confesercenti. Anders gesagt: das Geld wird dann anderswo fehlen.

Pro Benko

Wer mit dem Spruch hausieren gehe, dass die Kaufkraft der Bozner nicht wächst, nur weil das Kaufangebot dank Benko größer wird, der vergesse Zig-Tausende Südtiroler, die Jahr für Jahr nach Innsbruck oder Affi fahren, um in den dortigen Einkaufszentren zu shoppen, entgegnen die Benko-Befürworter. Hier schlummere Kaufkraft, die Bozen für sich nutzen könne, statt mit anzusehen, wie sie in die Nachbarregionen abwandert. So erinnert etwa die VZS daran, dass sich Südtirols Familien mit Bekleidung und Schuhen, Kindersachen, Lebensmitteln, Möbeln und Elektronik in auswärtigen Einkaufszentren, über Direktverkäufe in Fabriken oder durch Schnäppchenjagd im Internet eindecken „Auf diese Weise fließt viel Geld über die Grenzen unseres Landes hinaus.“

 

Stichwort Arbeitsplätze

Contra Benko:

Beschäftigungspolitische Argumente gegen das KHB-Projekt führt der Bozner Soziologe Luca Fazzi u. a. ins Feld. „Studien belegen, dass für jeden Arbeitsplatz, der in einem Einkaufszentrum entsteht, drei bis sechs Stellen im Handel verschwinden“, schrieb der Uni-Dozent kürzlich in einer Art Anti-Benko-Pamphlet auf salto. Außerdem: Wer sich belebende Konkurrenz im Handel erhoffe, werde wohl enttäuscht werden. Denn was die Landshauptstadt am dringendsten brauche, sei das Aufbrechen des bestehenden Duopols im Lebensmittelbereich. Und was das anbelangt, würden die schillernden Boutiquen des KHB in Fazzis Augen wohl nicht die ersehnte Preis-Entspannung bringen.

Sorgen um die Arbeitsplätze im Handel machen sich naturgemäß auch manche Gewerkschaftler. Während Millionen in die Attraktivität der Stadtmitte und in einen Einkaufstempel investiert würden, sei in Vierteln wie Don Bosco oder Neustift ein Ladensterben zu beobachten, kritisiert Maurizio Surian, Sprecher der Sektion Handel im AGB/CGIL. Dies bedeute den Verlust von Arbeitsplätzen. Die neuen Arbeitsplätze, die im Kaufhaus Bozen entstünden, würden wohl eher auf Kurzzeit-Verträgen beruhen, seien also beschäftigungspolitisch eher uninteressant.

Pro Benko:

Die VZS sieht das anders: fließt weniger Geld in die Einkaufszentren der Nachbarregionen, dann erhöht sich der Umsatz im Südtiroler Handel und damit auch die Chance auf neue Arbeitsplätze.

Auch in Gewerkschaftskreisen erblickt man im KHB mögliche beschäftigungspolitische Vorteile, und zwar in der Baubranche. Hier sind in den letzten Jahren 40 Prozent der Arbeitsplätze verloren gegangen, meint etwa Michele Buonerba vom SGB/CISL. Die vielen Baustellen rund um das Busbahnhofsareal bedeuten Aufträge für lokale Firmen und damit auch neue Jobs.

 

Stichwort Preise

Pro Benko:

Auch in dieser Frage gehört die VZS zu den entschiedenen Befürwortern des neuen Kaufhauses auf dem Busbahnhofareal. Gebot der Stunde sei es, vor allem Bozen als Handelsstadt noch attraktiver zu machen. Belebung der Konkurrenz könne der Stadt nur gut tun, auch angesichts der beständig höheren Inflation in Bozen.

Contra Benko:

Der Soziologe Fazzi sieht das anders: Wer sich belebende Konkurrenz im Handel erhoffe, werde wohl enttäuscht werden. Denn was die Landshauptstadt am dringendsten brauche, sei das Aufbrechen des bestehenden Duopols im Lebensmittelbereich. Und was das anbelangt, würden die schillernden Boutiquen des KHB in Fazzis Augen wohl nicht die ersehnte Preis-Entspannung bringen.