Politics | Kehrtwende

Türkischer Hilferuf wegen Dschihadisten-Ansturm

Spätes Erwachen in Ankara : Aussenminister Cavusoglu hat in Washington die massive Einreise von IS-Sympathisanten in die Türkei beklagt, die nach Syrien wollen.

Endlich hat auch die türkische Regierung die Gefahr erkannt, die vom Islamischen Staat ausgeht. Bisher hatte die Regierung in Ankara beide Augen zugedrückt, als hunderte von IS-Sympathisanten wöchentlich die türkische Grenze Richtung Syrien und den Irak passierten. Jetzt hat Aussenminister  Cavusoglu offengelegt, dass die Türkei gegen 12.800 Verdächtige ein Einreiseverbot verhängt habe.  1300 " foreign fighters " seien ausgewiesen worden.  Die Situation sei ausser Kontrolle geraten, fügte er hinzu. Die Herkunftsländer müssten sich anstrengen, die zukünftigen Terroristen auszumachen und festzunehmen, noch bevor sie ausreisen. Ein Informationsaustausch tue not, sagte Cavusoglu. 

Worte, die man von türkischen Regierunsvertretern bisher nie gehört hatte. Früher hiess es immer, es bestehe keine Gefahr und es bedürfe keiner Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten der Herkunftsländer.  Dass nun eine Kehrtwende in der bisher IS-freundlichen türkischen Politik eingetreten ist,  hat auch mit den jüngsten Erkenntnissen über den Aufbau und die Gründung des Islamischen Staates zu tun.

Dem Spiegel-Reporter Christoph Reuter ist es gelungen, entscheidende Dokumente in die Hand zu bekommen, die belegen, dass ehemalige hohe Geheimdienstbeamte Saddam Husseins den Islamischen Staat sozusagen auf dem Papier entworfen und mit systematischer Brutalität verwirklicht haben.  

Um die Errichtung eines Gottesstaates geht es dabei nur am Rande: Hauptziel der brotlos gewordenen Saddam-Generäle war es,    mithilfe der erlernten Geheimdienstmethoden ein Terrorregime zu errichten, um sich zu bereichern.  Der Islam spielt nur insofern eine Rolle, als er die Unterwerfung der Menschen erleichtert. 

Die brandheissen Dokumente fanden syrische Rebellen zufällig - im Haus eines Mannes, den sie bei einem Feuergefecht getötet hatten. Später stellte sich heraus, dass es sich beim Toten um Haij Bakr handelte, den " Erfinder" des IS, der unter verschiedenen Namen und mit verschiedenen Rollen den Terror-Staat Schritt für Schritt aufgebaut hatte.  Seine ehemaligen Gefährten bezeichnen den Saddam-Geheimdienstfunktionär als hochintelligent und entschlossen. Wie unter Saddam arbeitete er mit einem Spitzelsystem und Terrormethoden, um Dörfer und Städte zu destabilisieren und dann zu unterwerfen. 

Haij Bakr war alles andere als ein Islamist. Als er getötet wurde, fand sich in seinem Haus weder ein Koran, noch irgendeine religiöse Schrift. Doch hatte er seine Strategie- und Logistikpläne fein säuberlich aufgezeichnet , die schliesslich  in die Hände des Spiegel-Reporters gelangten, der sie in seinem Buch " Die schwarze Macht" veröffentlichte.

Den derzeitigen IS-Chef, beziehungsweise den Kalifen Al Baghdadi lernte Bakr im amerikanischen Gefängnis Camp Bucca kennen, wo auch andere hochrangige Terroristen einsassen.  Dort wurde der Grundstein für den Terrorstaat gelegt.  Die Einführung der Scharia und der brutalen Sitten aus der Zeit des 7. Jahrhunderts dienten vor allem dazu, den ausufernden Dschihad-Terrorismus zu rechtfertigen und zu verbreiten.

Modernste Technik und Informatik wurden benutzt, um weltweit Propaganda für diesen künstlichen Gottesstaat zu betreiben. Diese Propaganda wirkt dermassen, dass der Ansturm williger und todesbereiter Kämpfer aus aller Welt weiter zunimmt.

Jetzt bekommt es auch die vom Sunniten Erdogan regierte Türkei mit der Angst zu tun. Sie grenzt an Syrien und den Irak und hatte bisher gehofft, dass  der sunnitische " Gottesstaat"  den verhassten syrischen Diktator ausschaltet . Stattdessen gewinnt der IS trotz sporadischer Verluste durch US-Luftangriffe immer neue Gebiete dazu  und schleust  über die Türkei tausende von zukünftigen Terroristen ein.