Familien sind bunt
Der Vater arbeitet im Homeoffice und die Mutter kümmert sich liebevoll und ausgeglichen um die Kinder und um das Familienwohl. Schön klingt das – Familien, die die Corona-Krise wunderbar hinbekommen. Ich habe im Moment den Eindruck, dass es in Südtirol in der öffentlichen Wahrnehmung nur „klassische“ Familienmodelle gibt. Väter können im Homeoffice arbeiten und Mütter sind in Elternzeit, sofern sie arbeiten. Es gibt keine irgendwie anders gearteten Familienmodelle, keine in den Familien zu betreuenden Menschen, keine Alten, es scheint keine Alleinstehenden zu geben und keine Alleinerziehenden. Seltsam dieses vermittelte Bild, obwohl wir eigentlich in einer bunten Gesellschaft leben..., zum Glück…! Fakt ist, dass Menschen, die nicht in dieses "klassische" Bild passen, aus dem Blickfeld geraten. Vor dem gedanklichen Auge vieler Entscheider und Berichterstatter sitzt die ideale Familie mit Eigenheim, Vater-Mutter-Kind(er)-Konstellation. Viele nehmen an, dass die Mama da ist, die nicht arbeiten muss bzw. die aus gegebenem Anlass eingeführte Elternzeit nutzen kann. Es gibt keine prekären Familiensituationen in der Berichterstattung und in der öffentlichen Wahrnehmung. Vielen Politikern, Berichterstattern, Wissenschaftlern ist nicht klar, dass sich „Familie“ auch in schwierigen Situationen abspielt: bei Alleinerziehenden, bei Arbeitslosen, bei Menschen mit Migrationshintergrund, in kleinen Wohnungen. Und: Wie sieht im Moment das Alltagsleben von Alleinstehenden aus, die es auch gibt, die aber aus dem Blickfeld geraten, weil alle über „Familie“ reden? Mein Alltag als Alleinerziehende verläuft „in normalen Zeiten“ aus Geld- und Zeitgründen sehr diszipliniert und genau getaktet. Wenn irgendetwas im zerbrechlichen Alltagsgerüst sich ändert, dann wackelt alles. Im Moment ist der Spagat zwischen Homeschooling und Homeoffice zu stemmen. Andere Betreuungspersonen fallen aus, und seit 5. März bin ich die einzige Ansprechperson für meine Tochter, alles bleibt an einer Person hängen. Aber ich bin nicht arbeitslos, das ist im Moment ein großes Glück, und ja, das Coronavirus verlangt uns allen große Anstrengungen ab. Alle wursteln sich gerade irgendwie durch. Ich wünsche mir und ich appelliere daran, dass auch andere Familienmodelle als das „klassische“ im öffentlichen Bewusstsein, bei Entscheidungsträgern und in der Berichterstattung wahrgenommen werden. Es braucht nicht nur Basteltipps, sondern auch Verständnis und Wahrnehmen bzw. Berücksichtigen von prekären Konstellationen. Auch wir Alleinerziehende sind Familien, nur etwas fragilere, weil schon vor der Krise sehr am Limit.
Bravo - mutiger Appell Frau
Bravo - mutiger Appell Frau Aster!
leider hatte ich diesen
leider hatte ich diesen Eindruck auch schon vor der Coronakrise. In der Allianz für Familie sind Organisationen vertreten, welche die Familien in ihrer Vielfalt vertreten: "normale", Elterninitiativen, aktive Väter, Alleinerziehende, mit vielen Kindern, Kinder mit Beeinträchtigung, aus anderen Kulturen usw. Die Sprecherin Christa Ladurner ist gemeinsam mit der Präsidentin des KFS in Verhandlungen mit LR Deeg und LR Achammer, übergab einen Katalog an Fragen mit möglichen Lösungen und setzt sich für die Einrichtung eines "Krisenstab Familie" ein.
Danke, Margit, für diesen
Danke, Margit, für diesen Beitrag.
Ich bin ebenfalls alleinerziehend, ohne familiäre Unterstützung. Auch wenn ich vieles „gut auf die Reihe kriege“, gibt es immer wieder Phasen, in denen ich an meine Belastungsgrenzen stoße, ermüdet und erschöpft bin. Vor einem Jahr habe ich aus Übermüdung sogar einen Autounfall gebaut und bin wie durch ein Wunder mit ein paar blauen Flecken davon gekommen... Fragilität, Verletzlichkeit: das bringt die Lage von Einelternfamilien auf den Punkt. Ich selbst habe meine Familienkonstellation nie als unvollständig wahrgenommen. Die Öffentlichkeit tut das aber sehr wohl, sie bemitleidet auch die Kinder, denn das Familienbild in Südtirol ist nach wie vor sehr konservativ.