„Wir fühlen uns allein gelassen“
Die Geriatrie des Bozner Krankenhauses behandelt normalerweise Erkrankungen betagter Patientinnen und Patienten, keine Virusinfektionen. Doch seit dem Ausbruch des Coronavirus beherbergt die Abteilung fast ausschließlich Covid-19-Patienten. Die Entscheidung, zur Covid-19-Abteilung umfunktioniert zu werden, kam für die Krankenpfleger der Geriatrie überraschend, und das Personal befand sich plötzlich mit einer Situation konfrontiert, für die es nicht ausgebildet war. „Wir sind nicht auf die Pflege bei Infektionskrankheiten spezialisiert, und wussten anfangs nicht recht, damit umzugehen,“ erklärt eine Pflegekraft der Geriatrie in Bozen. Ein Teil des Personals sei am Anfang zwar kurz durch eine Fachkraft eingewiesen worden, doch das sei keineswegs ein Ersatz für eine angemessene Weiterbildung gewesen. Weitere Ausbildung zum Thema Hygiene und Schutzmaßnahmen blieben aus. „Wir wurden ins kalte Wasser geworfen“, so die Pflegekraft des Bozner Krankenhauses. Dabei sei der Teil des Gebäudes auch deshalb unangemessen als Covid-19 Abteilung, da es sich baulich um keine Isolierstation handle, die vom Rest des Gebäudes durch eine Schleuse abgetrennt sei.
Nicht nur in die Geriatrie, auch auf andere Normalstationen der sieben Südtiroler Krankenhäuser und Privatkliniken wurden Covid-Patienten verlegt. Seitdem wurden immer wieder Stimmen über chaotische Zustände, unzureichende Schutzbekleidung und fehlende Koordination aus den Krankenhäusern laut.
Wir sind nicht auf die Pflege bei Infektionskrankheiten spezialisiert, und wussten anfangs nicht recht, damit umzugehen. Wir wurden ins kalte Wasser geworfen.
Diese Verteilung von Corona-Patienten auf ganz Südtirol und auf verschiedene Normalstationen soll sich deshalb ändern. Bei der Pressekonferenz am Montagnachmittag wurde die Entscheidung mitgeteilt, dass alle Südtiroler Covid-19-Patienten in den neuen Trakt des Bozner Krankenhauses verlegt werden sollen, der seit 26. März bereits für Coronafälle zur Verfügung gestellt wurde. Landeshauptmann Kompatscher erklärte, dass ein zentralisiertes Kompetenz-Zentrum durch die sinkende Zahl an Infizierten nun möglich wäre. Bozen als größtes Krankenhaus habe die besten Voraussetzungen dafür. Das Kompetenz-Zentrum für Covid-19-Patienten, so betonte es Kompatscher, sei aber nur als vorübergehende Lösung geplant.
Aber auch hier habe es der Sanitätsbetrieb verpasst, die praktische Umsetzung zu durchdenken, und Arbeiter vor Ort, sowie Gewerkschaften rechtzeitig zu informieren, beklagt der Regionalreferent der Gewerkschaft für Pflegekräfte Nursing Up Massimo Ribetto: „Es war wieder eine Entscheidung von oben herab, ohne vorher mit den Gewerkschaften und dem zuständigen Personal zu sprechen.“ Die Gewerkschaft bekomme tagtäglich Nachrichten von Krankenhauspersonal, das sich mit der Realität vor Ort besser auskennen würde und somit zu besseren Lösungen beitragen könnte. „Es fehlt aber der Dialog, Entscheidungen werden ohne Möglichkeit für Kritik getroffen. Wir hatten gebeten, der Task Force des Sanitätsbetriebs beizutreten, doch das wurde gar nicht beachtet“, so Ribetto. Diese fehlende Kommunikation führe dazu, dass die Strategien in der Handhabung der Viruspatienten unklar seien, und nicht homogen durchgeführt werden könnten. Das schade vor allem dem Krankenhauspersonal, das die Entscheidungen unvorbereitet treffe.
Es fehlt der Dialog. Der Sanitätsbetrieb trifft Entscheidungen von oben herab, ohne vorher mit den Gewerkschaften und dem zuständigen Personal zu sprechen.
Kritik über mangelnde Kooperation und Intransparenz wird auch aus der geriatrischen Abteilung in Bozen laut. Das Krankenhauspersonal vor Ort werde nicht gehört und fühle sich allein gelassen, beklagen mehrere Mitarbeiter. Die Arbeitsbedingungen in der Abteilung seien schwer. Bereits 9 Krankenpfleger seien auf Covid-19 positiv getestet worden, 15 befänden sich im Krankenstand. Doch immer noch seien nicht alle getestet worden, und auch nicht regelmäßig. Zwar würde Personal aus anderen Abteilungen nachgeschickt, doch auch das sei genauso unvorbereitet, und wisse nicht, wie umgehen mit der Situation.
Mit der Verlegung aller Patienten in den neuen Trakt des Bozner Krankenhauses könnte dem entgegengewirkt werden. Die anderen Krankenhäuser und Abteilungen könnten zu ihrem Normalbetrieb zurückkehren, ohne Patienten und Personal einer erhöhten Ansteckungsgefahr auszusetzen. Die Gewerkschaft Nursing up sieht die Maßnahme dennoch mit Skepsis: „Wir sind nicht per se gegen die Entscheidung. Doch wir verstehen nicht, wie sie umgesetzt werden soll. Den Personalmangel wird es weiterhin geben. Mit welchen personellen Ressourcen soll nun dieses zentrale Kompetenzzentrum geführt werden?“, fragt sich Regionalreferent Ribetto. Es sei geplant, Personal aus anderen Gemeinden nach Bozen zu schicken, meint Ribetto. Doch das mache die Sache laut Gewerkschaft noch komplizierter. Man riskiere mit dieser Verlegung das System zu überlasten. Außerdem entspreche die Entscheidung nicht der staatlichen Ebene, denn in anderen Regionen arbeite man hingegen an einer Dezentralisierung der Patienten, und sie von zuhause aus zu pflegen, anstatt im Krankenhaus.
Obwohl sich auch das Pflegepersonal der Geriatrie dieselbe Frage stellt, erhofft sich eine Pflegekraft durch diese Verlegung, bald wieder ihren üblichen Tätigkeiten nachgehen zu können: „Ich hoffe, dass sie dort dann alles richtig isolieren können. Die Räumlichkeiten sind sicher besser als bei uns.“ Doch der neue Trakt allein reiche nicht aus, gibt sie zu bedenken: „Vor der Umstellung zum Normalbetrieb muss unsere Abteilung von Grund auf gesäubert und desinfiziert werden“. Für die Zukunft wünscht sich die Pflegekraft, dass der chronische Personalmangel endlich behoben wird.
Es wurde nie entschieden, ein einziges Zentrum für Covid-19-Patienten aus ganz Südtirol einzurichten.
Auf die Vorwürfe antwortet Patrick Franzoni, stellvertretender Leiter des medizinischen Covid-19-Notfallmanagements mit Unverständnis: „In einer Notsituation bringen uns solche Polemiken nicht weiter.“ Es sei wichtig, zusammenzuarbeiten, die Anstrengung aller sei jetzt gefragt, um endlich in die Phase 2 übergehen können. Franzoni, der im neuen Trakt des Bozner Krankenhauses für Covid-19-Fälle arbeitet, schildert außerdem ein anderes Bild über die dortigen Arbeitszustände: „Das medizinische Personal arbeitet auf Hochtouren, sowohl Krankenpfleger als auch Ärztepersonal geben ihr Bestes. So eine ausgezeichnete Zusammenarbeit wie im Moment habe ich noch nie erlebt.“
Die Information, alle Covid-19-Patienten nach Bozen zu verlegen, dementiert Franzoni grundsätzlich: „Es wurde nie entschieden, ein einziges Zentrum für Covid-19-Patienten aus ganz Südtirol einzurichten.“ Stattdessen solle jedes Gebiet eine eigene Struktur schaffen, in der Corona-Patienten zentral aufgenommen werden könnten. Der neue Trakt in Bozen diente zwar temporär als Covid-19 Abteilung, doch gelte das ausschließlich für das Gebiet Bozen, nicht für ganz Südtirol.„Eine Zentralisierung wäre ja auch nicht sinnvoll. Da wir sieben Krankenhäuser haben, werden wir auch alle sieben weiterhin nutzen und miteinander kooperieren“, so Franzoni. Ob und wann die Geriatrie ihren Normalbetrieb wieder aufnehmen könne, wisse er nicht. Der neue Trakt gelte als zusätzliche Covid-Abteilung, nicht als Ersatz.
Am Dienstag präzisierte Landeshauptmann Kompatscher: Einzig Covid-Patienten, die einer Intensivbetreuung bedürfen, sollen aus ganz Südtirol nach Bozen verlegt werden. Ob das die kritischen Stimmen verstummen lässt?
Es scheint jedenfalls so, als fehle die Kommunikation nicht nur zwischen Gewerkschaft, Krankenhauspersonal und Sanitätsbetrieb, sondern auch innerhalb der Verwaltungsorgane, und am Ende auch mit den Medien.
Danke an salto für diese
Danke an salto für diese konkreten, wenn auch in der Aussage etwas divergierenden Einblicke. Bitte viel mehr davon, auch Kinderbetreuung, Schule etc.
Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, sich über Doktalan oder Maken aufzuregen. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo die Gesellschaft sich solidarisch auf die Seite des Personals stellt und so ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem einfordert.
Dürfte ich fragen wieviele
Dürfte ich fragen wieviele Pflegerinnen und Pfleger Herr Regionalreferent Ribetto mit seinem Nursing-Up vertretet? Anzahl, Prozente ... egal was. Das nur damit man einschätzen könnte wie mächtig oder wichtig diese Vertretung im Verhältnis zu mir bekannteren Gewerkschaften ist.
In reply to Dürfte ich fragen wieviele by Klemens Riegler
Il sindacato nazionale e di
Il sindacato nazionale e di categoria NURSING UP in Provincia di Bolzano all'interno del comparto Sanità, nell'ambito del personale non dirigenziale, si attesta come la prima organizzazione sindacale con il 28,75% di rappresentatività. Tra tutte le sigle sindacali siamo quelle con il maggior numero di iscritti: 1629 solo all'interno dell'Azienda Sanitaria dell'Alto Adige.