Culture | Welt des Films

Instinkt und Vogelperspektive

Michela Parlavecchio macht mit Frabiatofilm ihre Filmleidenschaft zum Beruf, entdeckt ihr Organisationstalent und erzählt kreativen NeueinsteigerInnen wie der Hase läuft.
Note: This article was written in collaboration with the partner and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.
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Foto: Frabiatofilm

Die Welt des Films, war in Hollywoods 1920ern bereits schnelllebig, stets im Wandel, kompromisslos, aufreibend und unbarmherzig. Vom aufkommenden Tonfilm damals, bis zu den heutigen digitalen Technologien hundert Jahre später, hat sich diesbezüglich nicht wirklich viel verändert; außer vielleicht, dass der Wandel noch schnelllebiger wurde. Die Kunstform aber, die sich auf den Leinwänden abspielt, ist seit jeher unvergleichlich, wird sie nur mit der notwendigen Leidenschaft betrieben. Eine Leidenschaft, wie sie von der unabhängigen Bozner Arbeitsgenossenschaft Frabiatofilm als grundlegendes Handlungsprinzip aufgefasst wird. Ein schönes Beispiel dafür ist der Kurzfilm „Agosto“, der kürzlich wieder im Rahmen des Bozner Filmfestivals Bozen aufgeführt wurde. Bestehend aus den zwei Gründungsmitgliedern und ProduzentInnen Michela Parlavecchio und Alessio Vasarin sowie der Grafikdesignerin Marianna Pasina, dreht sich der Arbeitsalltag bei Frabiatofilm um diverse Filmproduktionen, also um Kurz- und Spielfilme sowie Dokumentarfilme. Seit ihrer Studienzeit, lernt Michela Parlavecchio mit ihren Tätigkeiten als Filmproduzentin, Projekt- und Content-Managerin bei FabriatoFilm wie sich Kreativität und Organisation gegenseitig bedingen und was es heißt sich individuell zu entwickeln, während man eine gemeinsame Vision verfolgt. Seit 2021 ist Parlavecchio zudem Vizepräsidentin der Fachgruppe 'Film' beim Südtiroler Handels-, Tourismus- und Dienstleistungsverband und schildert im Gespräch, wie eine Karriere im Filmbusiness aussehen kann.

 

 

Salto.bz: Welche Erfahrungen oder Eindrücke waren für Sie prägend, als Sie 2014 Frabiatofilm gründeten?

Michela Parlavecchio: Schon als Kind und Jugendliche hatte ich eine große Leidenschaft für das Kino, die mich nie richtig losließ. Während meiner Oberschulzeit habe ich an einem Filmworkshop namens ‚Effetto Notte‘ teilgenommen, der mir die Welt des Filmemachens, oder bessergesagt die Arbeitswelt des Kinos, näherbrachte und meine Begeisterung noch mehr entfachte. Später habe ich Kunstgeschichte studiert, blieb aber währenddessen in Kontakt mit Alessio Vasarin, einem der Tutoren des Workshops, der bereits als Filmemacher arbeitete. Nach einiger Zeit begannen wir, zusammen an Projekten zu arbeiten und dieser Zusammenarbeit entsprang schließlich die Genossenschaft Frabiatofilm. Wir haben uns auf kommerzielle Produktionen, also Werbung und Auftragsarbeit spezialisiert und dennoch versucht, jedes Jahr mindestens ein eigenes Filmprojekt zu realisieren. Marianna Pasina, eine Grafikdesignerin und Illustratorin aus Bozen, stieß später als Partnerin zu uns und brachte eine neue Sichtweise sowie neue Möglichkeiten mit sich, insbesondere in den Bereichen Animation und Motion Design. Dies öffnete dann wiederum Türen für neue Kooperationen und unser Horizont erweiterte sich erneut.

 

 

Frabiatofilm ist eine Produktions- und Arbeitsgenossenschaft, die sich mit Filmproduktionen, Kurz- und Spielfilmen sowie Dokumentarfilmen beschäftigt. Können Sie Ihre derzeitige Rolle bei Frabiatofilm beschreiben?

Ich arbeite bei Frabiatofilm als Projekt- und Content-Managerin. Das bedeutet, dass ich für die Planung und das Projektmanagement verantwortlich bin und engen Kontakt mit unseren KundInnen, KollaborateurInnen und Mitgliedern pflege. Als Teil des kreativen Teams arbeite ich an der Konzeption und Umsetzung von Projekten mit, während ich zusätzlich wirtschaftlich und organisatorisch das Team leite, um sicherzustellen, dass alles reibungslos läuft. Ich fühle mich immer für alles verantwortlich, jedoch nicht als Kontrollfreak, sondern weil ich mich leidenschaftlich für unsere Arbeit engagiere. Auch für die Nachhaltigkeit unseres Unternehmens trage ich Verantwortung, was durchaus oftmals in Summe eine gewisse Belastung mit sich bringt, aber ich fühle mich geehrt, auch diese wichtige Rolle auszufüllen.
 

Aber Ihre wahre Leidenschaft ist die kreative Arbeit…

Ich würde sagen, dass ich mich schon immer als kreativen Menschen definiert habe, wobei ich den kontrollierenden, verwaltenden und organisierenden Teil immer langweilig fand. Im Laufe der Zeit habe ich jedoch festgestellt, dass ich gerne organisiere und die Organisationsarbeit auch mit einer kreativen Komponente verbinden kann und sogar muss. Ohne Kreativität würde ist gute Organisation nicht möglich. Das geht Hand in Hand!

 

Unsere Arbeit ist ein sehr kreativer Job, dessen Voraussetzung ein Gleichgewicht an Organisation und freiem Denken ist.

 

Verstehe ich das richtig, dass das Konzept zum einen die kreative Arbeit an eigenen Projekten ist und zum anderen die Realisierung von Projekten für Kunden?

Ja und nein. Im Werbungs-, Kommunikations- und Auftragsbereich der Genossenschaft bekommen wir von KundInnen Aufträge, bei denen ich als Projektmanager die herangetragenen Projekte verwalte, den Kontakt mit der/dem KundIn halte und auch für die Inhalte verantwortlich bin. Bei unseren Kinoproduktionen hingegen, als Produzentin, läuft es ein bisschen anders. Wir haben sowohl Eigenproduktionen als auch Projekte, die von Autoren, Regisseuren oder Drehbuchautoren, an uns herangetragen werden, wenn sie unsere Hilfe dabei brauchen, ihre Ideen zum Leben zu erwecken. Dabei können sich auch sehr lange Projekte ergeben, die über Jahre hinweg dauern können. Der/die ProduzentIn muss dabei einen angemessenen Weg finden, wie die Geschichte erzählt wird, wer das Publikum ist, wie der Film vertrieben werden soll und wie er finanziert wird. Das ist eine kreative Arbeit, bei der man sich ständig anpassen muss und nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten suchen muss, wenn eine Institution oder Filmkommission das Projekt ablehnt. Der/die ProduzentIn ist verantwortlich für das Zusammenstellen des Teams und die Organisation der Produktion, und er/sie ist derjenige/diejenige, der/die den Film erst möglich macht. Unsere Arbeit ist also ein sehr kreativer Job, dessen Voraussetzung ein Gleichgewicht an Organisation und freiem Denken ist.

Wie kann man sich ein Filmproduktionsstudio als Arbeitsgenossenschaft vorstellen?

Die Grundprinzipien des Genossenschaftswesens sind Zusammenarbeit, Offenheit und Miteinbezug. Prinzipien, die sehr geeignet für das sind, was wir tun. Konkret bedeutet das, dass im Filmgeschäft externe Kooperationen essenziell sind, um Projekte zu realisieren. Die Arbeitshaltnatur von Genossenschaften, die Zusammenarbeit zwischen Menschen zu fördern, ein Netzwerk von Fachleuten aufzubauen und gemeinsame Ziele zu verfolgen, passt also perfekt zu uns.

 

 

Würden Sie sagen, dass Sie mit der Entwicklung von Frabiatofilm mitgewachsen sind?

Ja ich bin definitiv mitgewachsen. Bei der Gründung zusammen mit Alessio war ich 21 und er 26 Jahre alt. Ich studierte noch, schlug mich aber parallel dazu bereits mit Problemen, die meine AltersgenossInnen größtenteils nicht hatten. Trotzdem legte ich einen gesunden Leichtsinn an den Tag und sagte: "Stürzen wir uns in die Sache!" Wir entwickelten uns stark weiter, machten aber auch viele Fehler, aus denen wir gelernt haben. So haben wir nun auch nach Jahren die Notwendigkeit begriffen, die kommerziellen Produktionen von den Filmproduktionen zu trennen. Allerdings war der Entwicklungsprozess bis hin zur Erkenntnis nötig für uns, um zu verstehen, in welche Richtung wir gehen wollen. Ich musste entscheiden, welche Art von Filmen ich produzieren wollte und mit wem ich zusammenarbeiten wollte. Das alles waren Fragen, die wir uns 2014 nicht gestellt hatten, als wir ohne viel nachzudenken oder zu differenzieren alles gemacht haben. Mit der Zeit entwickelten wir Ideen und merkten, dass wir den Dingen, die wir tun, eine genaue Richtung geben und im Einklang mit unseren Werten handeln wollen.

 

Welche Entwicklung von den Anfängen Ihrer Karriere bis heute würden Sie der Genossenschaft zuschreiben?

Wie gesagt wurde Frabiatofilm im Jahr 2014 von Alessio Vasari und mir gegründet und war viele Jahre sowohl an kommerziellen Produktionen als auch an künstlerischen Projekten beteiligt. In letzter Zeit haben wir beschlossen, die beiden Bereiche in zwei getrennte Realitäten aufzuteilen, wobei Frabiatofilm der Name der cinematografischen Filmproduktionen bleiben wird. Dabei definieren wir uns als nach wie vor als unabhängige Bozner Filmproduktion, die starke Geschichten erzählen will, sowohl inhaltlich als auch von den Charakteren her. Wir wollen die Zuschauer mit unseren Filmen bewegen und zum Nachdenken anregen. Nach einem Trigger-Moment in diesem Jahr, haben wir uns dazu entschlossen unser Konzept weiterzuentwickeln. Wir bauen also dieses Jahr ein neues Image und eine spezifische Marke für die kommerziellen Produktionen auf. Mehr kann ich leider noch nicht verraten.

 

man muss in der Lage sein , sich selbst zurückzunehmen, von Zeit und Ort zu lösen, die Dinge von oben zu betrachten und zu verstehen, wo man sich verbessern kann, wohin man gehen will und warum.

 

Du arbeitest als Produzentin, Projekt- und Content-Managerin, hast dich in Mentoringprogrammen der IDM weitergebildet, Kurse auf der Holden School besucht und seit 2021 bist du Vizepräsidentin der Fachgruppe Film beim Südtiroler Handels-, Tourismus- und Dienstleistungsverband. Ich habe den Eindruck, dass du eine Vision verfolgst?

Außer meiner eigenen Fachkenntnisse und Praxiserfahrungen, hatte ich keine spezielle Ausbildung in der Welt des Kinos oder der Kommunikation. Im Laufe der Jahre habe ich meine Fähigkeiten aber mit diversen Workshops und Fortbildungen ausgeformt und weiterentwickelt. Fähigkeiten, die dazu dienen sollen unsere gemeinsame Vision bei Frabiatofilm zu verfolgen. Denn das ist es, worum es mir geht: die gemeinsame Vision. Ich glaube, dass Menschen die Basis jedes Unternehmens sind, besonders bei Genossenschaften. Beziehungsprobleme oder unterschiedliche Ansichten und Ziele können zum Scheitern eines Unternehmens führen. Alle meine Aktivitäten sehe ich als persönliches Wachstum, welches mir zwar hilft, meine Ideen zu verwirklichen, sicher, aber stets auch ein Gewinn für unsere gemeinsame Vision ist.

 

Was ist Ihrer Meinung nach der Mehrwert, den Sie zu Frabiatofilm beitragen?

Wie erwähnt, habe ich mit der Zeit entdeckt, dass ich gerne organisiere. Eben weil es mir gelungen ist, die Organisation mit der kreativen Komponente zu verbinden. Dann würde ich sagen, dass ich ein tendenziell diplomatischer Mensch bin. Ich verstehe, wie Dinge gesagt werden müssen, also in welcher Form und mit dem nötigen Respekt für andere; das ist besonders wichtig, wenn es kleinere Meinungsverschiedenheiten gibt. Ich denke, dass ich die Fähigkeit habe, zu vermitteln. Meine Erfahrung lehrte mich, dass man seinen Leidenschaften und Ideen folgen muss, aber man muss auch in der Lage sein, rational zu sein und den Überblick über das Ganze zu behalten. Das bedeutet, dass man in der Lage sein muss, sich selbst zurückzunehmen, von Zeit und Ort zu lösen, die Dinge von oben zu betrachten und zu verstehen, wo man sich verbessern kann, wohin man gehen will und warum.

 

Einerseits sind Impulsivität und Instinkt gut, aber andererseits muss man auch in der Lage sein, innezuhalten und sich zu fragen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist.

 

Was verstehen Sie unter dem "weiblichen Aspekt", vielleicht auch im Zusammenhang mit dem Alltag einer Genossenschaft wie der Ihren?

Für mich geht es bei diesem Thema weniger um Mann oder Frau, sondern vielmehr darum, welche individuellen Qualitäten jeder Mensch in die Gemeinschaft miteinbringt. Ich würde eher von persönlichen Eigenschaften sprechen, die man als angeborenen Reichtum betrachten kann und die zu den gemeinsamen Werten beitragen. Neugierde, Beobachtungsgabe und ähnliche Eigenschaften tragen in unserer Genossenschaft dazu bei, dass wir unsere gemeinsamen Werte und Merkmale entwickeln können. Mir liegt es sehr am Herzen, dass Frabiatofilm die Essenz der Menschen, aus denen sie besteht, widerspiegelt. Wir haben uns bereits viele Gedanken darüber gemacht und versuchen, unseren Aktivitäten eine genauere Identität zu geben, die mit dieser Essenz verbunden ist.

 

Dinge auch mal aus der Vogelperspektive zu betrachten...

 

Gibt es noch etwas, das Sie persönlich hervorheben möchten?

Vielleicht einen Ratschlag für jemanden, der eine Genossenschaft gründen möchte. Sicher, es geht darum sich voll und ganz auf das eigene Projekt einzulassen, aber ebenso wichtig ist es, aus Fehlern zu lernen. Es gilt eine Gesamtvision zu haben und die Dinge auch mal aus der Vogelperspektive zu betrachten, um die Richtung zu verstehen, in die man gehen will. Einerseits sind Impulsivität und Instinkt gut, aber andererseits muss man auch in der Lage sein, innezuhalten und sich zu fragen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist. In unserer schnelllebigen Welt muss man sich immer wieder verändern und anpassen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Daher ist es wichtig, den Blick von oben nach unten zu richten, um zu erfahren, was andere tun, welche Trends es gibt und wie sich die Gesellschaft verändert.

 

Ein Beitrag von David Orrú