Politics | Europawahlen

Was haben Sie gegen den Euro, Herr Leitner?

Wie halten es die EU-KandidatInnen mit der europäischen Gemeinschaftswährung? Freiheitlichen-Kandidat Pius Leitner zeigt, wie weit die Meinungsschere zum Thema im Europawahlkampf auseinander klafft.

Was haben Sie gegen den Euro, Herr Leitner?
Ich habe nichts gegen den Euro, ich bin dagegen, dass der Euro flächendeckend angewandt wird. Die Einführung des Euro in so vielen Ländern gleichzeitig war ein Fehler. Und wenn man in einer Sackgasse ist, müsste man auch den Mut haben zu  sagen: Mit dem Vorwärtsgang geht es nicht, deshalb muss man den Rückwärtsgang einschalten. Denn der Euro ist mittlerweile für die Großen in der EU keine Währung mehr, sondern eine Ideologie und das ist das große Problem.

Was meinen Sie damit?
Der Euro ist ein Politikum geworden, außerhalb jeder Wirtschafts- und Währungslogik. Man hat keine gemeinsame Verfassung, aber man hat den Euro.  Klar hat uns die gemeinsame Währung auch Vorteile gebracht und es ist sicher schön, wenn man in andere Länder reisen kann ohne Geld zu wechseln. Doch was damit einher gegangen ist, das vergisst man gerne.

Zum Beispiel?
Dass die starken Staaten für die schwachen zahlen müssen, dass die Sparer im Prinzip enteignet werden durch die niedrigen Zinsen und die Inflation und dass die Schere zwischen Arm und Reich größer geworden ist. Das hat auch mit dem Euro zu tun. Ich bin nicht gegen den Euro, aber er funktioniert nicht als Einheitswährung in Ländern, die unterschiedliche Wirtschaftsleistungen erbringen, die ein unterschiedliches Sozialsystem und ein unterschiedliches kulturelles Denken haben. Das passt einfach nicht zusammen, das ist zu schnell gegangen.

Wenn man in einer Sackgasse ist, müsste man auch den Mut haben zu  sagen: Mit dem Vorwärtsgang geht es nicht, deshalb muss man den Rückwärtsgang einschalten.

Wohin soll nun aber der Rückwärtsgang führen?
Es wäre sinnvoll zu überlegen, ob man den Euro nicht aufspaltet. Und dann muss Südtirol entscheiden, ob es zur der härteren oder schwächeren Währung gehören will. Von den Voraussetzungen her passen wir sicher zur härteren.

Eine solche freie Wahl wird Südtirol wohl kaum haben...
Es steht nirgends geschrieben, dass eine solche Aufspaltung mit den Staaten zusammenhängen muss. Aber es wäre für Südtirol sicher sinnvoller, in diesem Zusammenhang auch die Unabhängigkeit von Italien zu verlangen. Theoretisch könnte es aber auch eine Aufspaltung nach Regionen geben. Doch darüber will keiner reden, denn alle folgen dem Diktat der deutschen Bundeskanzlerin: Scheitert der Euro, scheitert Europa!  Damit zeigt man, dass es nicht um eine Währung geht, sondern um ein Politikum. Und ich glaube nicht, dass wir noch lange die Zustimmungen der Bevölkerung dafür haben werden, dass alle auf Kosten der eigenen Leute Garantieleistungen für Griechenland auf sich nehmen müssen.

Alle folgen dem Diktat der deutschen Bundeskanzlerin: Scheitert der Euro, scheitert Europa!  Damit zeigt man, dass es nicht um eine Währung geht, sondern um ein Politikum.

Ihre Grüne Konkurrentin Oktavia Brugger sieht das anders: Sie plädiert wie Alexis Tsipras für einen Schuldenerlass, der sich an jenem für Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg orientiert. Zählt für Sie die Idee einer Solidargemeinschaft überhaupt nicht?
Eine Solidargemeinschaft geht für mich schon in Ordnung, doch es gibt eben Grenzen. Es darf nicht sein, dass diese Solidarität der Starken von den Schwachen einfach ausgenützt wird. Dieses Denken der Linken – machen wir einfach einen Schuldenschnitt, Schwamm drüber – ist auch erzieherisch eine falsche Maßnahme. Man muss Staaten wie Griechenland, Italien oder Portugal auch sagen: Reißt euch am Riemen, ihr müsst auch Hausaufgaben machen. Denn sich nur auf die Großen zu verlassen, die dann eh brav zahlen, ist der falsche Weg. Deshalb ist auch nichts Schlimmes dabei, wenn solche Staaten kurzfristig nicht bei den starken Staaten dabei sind und einmal eine Verschnaufpause haben, um sich zu erholen. 

Es gibt zahlreiche Experten, die eine Spaltung der europäischen Währung in einen Nord-Euro und einen Süd-Euro  als Schwachsinn bezeichnen, der schwerwiegende Folgen wie Deflation oder einen extremen Konjunktureinbruch zur Folge hätte. Selbst ihre Parteigenossen aus Bruneck schreiben Ihnen in einer kritischen Mail,  dass Sie „jeder Wirtschaftler von diesem Irrweg in 15 Minuten weg argumentieren könnte“.
Letzteres kommentiere ich sicherlich nicht öffentlich. Seine Meinung kann jeder am Parteitag am 14. Juni kundtun. Doch auch die Kassandra-Rufe werden der Wahrheit nicht gerecht. Schauen sie sich Großbritannien an, das die Krise 2008 viel besser gemeistert hat alles andere, weil es selbst Gestaltungsmöglichkeiten hatte. Doch die gibt es nicht, wenn man in dieser ganzen großen Truppe drinnen ist und dem Diktat der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission ausgeliefert ist, für es keine demokratischen Legitimation und Kontrolle gibt. Das ist nicht das Europa, das ich mir vorstelle.

Wenn die EU-kritischen Kräfte gestärkt werden, wie es auch die Freiheitlichen sind, wird man nach der Wahl über den Euro diskutieren müssen.

Was muss bei der Wahl am Sonntag passieren, damit es sich in ihrem Sinne ändert?
Wenn die EU-kritischen Kräfte gestärkt werden, wie es auch die Freiheitlichen sind, wird man über den Euro diskutieren müssen. Denn ich bin ein überzeugter Europäer, aber zuerst bin ich Südtiroler und ich sage, jetzt müssen auch unsere Interessen vertreten werden.

Welchen künftigen Kommissionspräsidenten wählen die SüdtirolerInnen, wenn sie Pius Leitner wählen?
Das ist noch alles offen. Jetzt warten wir zuerst einmal das Wahlergebnis ab und schauen, wer dann tatsächlich vorgeschlagen wird. Aber einen Herrn Tsipras oder Herrn Schulz unterstütze ich sicher nicht. Wenn ich gewählt werden sollte und aufgerufen werde, jemanden zu unterstützen, muss er in jedem Fall programmatisch mit uns Gemeinsamkeiten haben.

Ich habe jetzt zwei Diskussionen zwischen Juncker und Schulz gesehen, und die beiden kann man austauschen, die sind an Beliebigkeit nicht zu übertreffen.

Und mit Jean-Claude Juncker gibt es Gemeinsamkeiten?
Ich habe jetzt zwei Diskussionen zwischen Juncker und Schulz gesehen, und die beiden kann man austauschen, die sind an Beliebigkeit nicht zu übertreffen. Da kommen nur Allgemeinplätze à la die Europäische Union ist gut. Mehr ist nicht dahinter.

Gibt es zu Themen wie dem Euro schon einen Austausch mit anderen europäischen Kräften, die ihnen programmatisch näher stehen?
Nein, doch sollte es zu einer gemeinsamen Fraktion im Europäischen Parlament kommen, dann wird man darüber zu reden haben. Doch derzeit, weiß man noch nicht, wer dabei ist.

Werden Sie ihrem Gefühl nach dabei sein?
Es ist ein schwerer Wahlkampf und es wird äußerst schwierig werden. Ich hoffe vor allem, dass die Leute wählen gehen, und bereit sind, sich inhaltlich zu dieser Wahl zu äußern – und nicht zu anderen Dingen, die leider Gotte in den vergangenen Monaten geschehen sind.