Society | Referendum

„Wer prekär arbeitet, ist erpressbar“

Der Gewerkschafter Alfred Ebner ruft zur Wahl auf – und spricht im Interview mit SALTO über Druck, Unsicherheit und politische Verantwortung.
alfred ebner
Foto: Cgil Agb
  • SALTO: Herr Ebner, während die CGIL das Referendum aktiv unterstützt, raten Vertreter der Regierung und mehrere politische Parteien davon ab, sich daran zu beteiligen. Wie interpretieren Sie diese Haltung?

    Alfred Ebner: Das halte ich für sehr bedenklich. Der CGIL hat sich für das Referendum eingesetzt, Unterschriften gesammelt, auch wenn bei jenen zur Staatsbürgerschaft zivilgesellschaftliche Organisationen federführend waren. Jetzt kann man inhaltlich dafür oder dagegen sein – das ist legitim. Aber dass hohe Repräsentanten des Staates, wie der Senatspräsident Ignazio La Russa, öffentlich zum Nichtwählen aufrufen, ist ein Schlag ins Gesicht der Demokratie. In Zeiten, in denen die Wahlbeteiligung ohnehin auf unter 50 Prozent gesunken ist, ist das das falsche Signal. Es geht nicht darum, wie man stimmt, sondern dass man abstimmt. Wählen ist ein universelles demokratisches Recht – in vielen Ländern wird heute noch dafür gekämpft. Und bei uns fordert man dazu auf, es nicht auszuüben? Das ist sehr problematisch.

  • Referendum: Damit das Referendum gültig ist, müssen mehr als die Hälfte der Wahlbeteiligten ihre Stimme abgeben. Foto: (C) Collettiva

    Die meisten Referenden der vergangenen Jahre sind am Quorum gescheitert. Haben Sie die Befürchtung, dass es auch diesmal so kommen könnte?

    Die Gefahr besteht natürlich. Aber genau deshalb sagen wir: Bitte geht wählen! Wer sich für Demokratie ausspricht, sollte diese auch leben. Dass ausgerechnet führende Politiker zur Wahlverweigerung aufrufen, ist eine Missachtung der Bürger. Die Geschichte der Referenden zeigt: Früher hat man 10 bis 15 Fragen gleichzeitig zur Abstimmung gestellt – da war es kein Wunder, dass viele überfordert waren und zu Hause blieben. Das hat der direkten Demokratie geschadet. Jetzt gibt es fünf klare Fragen. Man kann zustimmen oder ablehnen. Aber man sollte sich wenigstens damit befassen und seine Meinung kundtun.

     

    „Es geht um Schutz vor willkürlicher Kündigung.“

     

    Eine der fünf Fragen betrifft Artikel 18 des Arbeitsrechts. Dieser wurde mit dem Jobs Act von 2015 weitgehend abgeschafft. Gegner des Referendums sehen darin eine Maßnahme gegen die Interessen der Wirtschaft.

    Nein. Der Kündigungsschutz war nie ein echtes Problem für die Betriebe. Die Behauptung, Unternehmen würden deshalb nicht wachsen, weil bei mehr als 15 Mitarbeitern der Kündigungsschutz zu rigide gehandhabt würde, ist ein Mythos. Für Unternehmer war das Thema in der Praxis nachrangig, für die Beschäftigten hingegen war es zentral. Es geht um Schutz vor willkürlicher Kündigung. Heute kann man fast ohne Risiko jemanden feuern – die Abfindung ist vorhersehbar, kalkulierbar. Früher war das anders: Das Gericht konnte eine Wiedereinstellung anordnen, das war eine reale Abschreckung. Dadurch hat sich der Betrieb sehr genau überlegt, ob eine Kündigung berechtigt ist. Diese Unsicherheit für den Arbeitgeber hatte eine schützende Funktion für den Arbeitnehmer, die ist weggefallen und sollte unserer Meinung nach wieder eingeführt werden.

  • Alfred Ebner, Generalsekretär der Rentnergewerkschaft im AGB/ CGIL: „Befristung war früher die Ausnahme, heute ist sie fast die Regel.“ Foto: Seehauserfoto
  • Und wie sieht es bei kleinen Betrieben mit dem Kündigungsschutz aus?

    Der Kündigungsschutz bei Kleinbetrieben war und ist schwächer als bei großen. Es ging nie darum, dass jemand gegen den Willen des Chefs in einem Zwei-Mann-Betrieb weiterarbeiten kann. Das ist auch im neuen Vorschlag nicht vorgesehen. Aber wenn jemand ohne guten Grund gekündigt wird, sollte ein Richter die Möglichkeit haben, eine angemessene Abfindung festzulegen – und zwar nicht pauschal, sondern je nach Fall. Es ist ein Unterschied, ob jemand Alleinverdiener mit zwei Kindern – vier sind heute unwahrscheinlich – ist oder nicht. Die Möglichkeit zur Bewertung fehlt heute. Wir wollen, dass Richter das Recht haben, auch über die gesetzliche Mindestabfindung hinauszugehen, wenn die Umstände dies rechtfertigen.

    Eine weitere Abstimmungsfrage betrifft befristete Arbeitsverträge. Was soll sich mit dem Referendum ändern?

    Befristung war früher die Ausnahme, heute ist sie fast die Regel. Und das Problem ist: Man braucht dafür keinen Grund mehr. Früher musste man angeben, warum ein Vertrag befristet ist – sei es Saisonarbeit, eine Mutterschaftsvertretung oder eine Produktionsspitze. Heute braucht es bis bei einer Arbeitsstelle, die auf 12 Monaten oder weniger befristet ist, keine Begründung. Diese braucht es nur zur Verlängerung, wobei 24 Monate die Obergrenze sind. Das führt dazu, dass viele unter Druck stehen: Wenn du dich ruhig verhältst, bekommst du vielleicht noch ein Jahr, sonst eben nicht. Das ist ein Klima der Unsicherheit – mit Konsequenzen, zum Beispiel bei der Wohnungssuche oder bei einem Bankkredit. Wer prekär arbeitet, ist erpressbar. Deshalb wollen wir Befristungen nur mit nachvollziehbarem Grund – wie früher geregelt, entweder gesetzlich und über Kollektivverträge.

     

    „Wenn du dich ruhig verhältst, bekommst du vielleicht noch ein Jahr, sonst eben nicht.“

     

    Ein besonders heikles Thema ist die Haftungskette bei Subunternehmen. Was fordern Sie in diesem Punkt? 

    Heute ist es oft so, dass große Firmen Aufträge an Subfirmen vergeben, diese geben sie weiter – bis ganz am Ende ein kleines Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern steht. Dort weiß niemand mehr, ob Beiträge gezahlt werden, ob legal gearbeitet wird, ob die Sicherheitsstandards eingehalten werden. Und jeder in der Kette verdient – auf Kosten der Arbeitnehmerrechte. Denn sparen kann man bei der Arbeitssicherheit, weniger beim Material. Deshalb sagen wir: Der Hauptauftraggeber muss mitverantwortlich sein, wenn Verstöße passieren. Das heißt nicht, dass er automatisch schuldig ist. Aber er muss kontrollieren. Heute ist es oft so: Ich gebe den Auftrag weiter – und bin fein raus. Diese Praxis ist gefährlich.

    Was ist für Sie persönlich das wichtigste Ziel dieses Referendums? 

    Ganz klar: Mehr Würde und mehr Schutz am Arbeitsplatz. Es geht nicht um Revolution, sondern um gerechtere Regeln. Die Wiedereinstellung bei ungerechtfertigter Entlassung, der Schutz vor Kettenverträgen, die Verantwortung bei Subaufträgen – das alles sind Mittel, um mehr Fairness zu schaffen. Wir fordern das nicht zum ersten Mal. Bereits 2016 hatten wir die Unterschriften zusammen, doch das Verfassungsgericht ließ das Referendum zum Jobs Act nicht zu. Jetzt ist die Zeit reif. Und wir hoffen, dass die Menschen diese Chance ergreifen – indem sie zur Wahl gehen.

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Herta Abram Sat, 05/24/2025 - 13:12

Danke für Ihr Engagement fürs Gemeinwohl, Herr Ebner!
Ja, was Faschos zum Referendum von sich geben, ist leider genauso erwartbar, wie beängstigend.
DIE GEWERKSCHAFTEN UND DIE GESELLSCHAFT MÜSSEN SICH GEGEN DIESE SCHRITT FÜR SCHRITT ANTIDEMOKRATISIERUNG VEREINEN !!
Allein die Argumentationen Galateos zu den Referndumthemen sind an Fadenscheinigkeit und Demokratieablehnung, nicht zu überbieten!
https://www.rainews.it/tgr/tagesschau/video/2025/05/referendum-pro-und-…
Schritt für Schritt möchten die Faschos ihre Macht ausbauen: Gewerkschaften und Pressefreiheit beschneiden und gleichzeitig säbeln sie kontinuierlich an der demokratischen Verfassung.
Und was tun wir dagegen?

Sat, 05/24/2025 - 13:12 Permalink
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Robert Hölzl Sat, 05/24/2025 - 15:29

Artikel 18 des Arbeitsrechts
Ist diese Abschaffung für die Gewerkschaften ein Problem, weil wirklich so viele Arbeitnehmer ungerechtfertigt entlassen wurden oder ist es nicht viel mehr ein Problem, weil ein Arbeitgeber vielleicht einen Gewerkschaftler entlässt, aus welchem Grund auch immer. Das Problem mit Gewerkschaften ist, dass sie gerne generalisieren. Und es gab sehr wohl vor der Abschaffung des Artikels 18 Betriebe, die an der Schwelle der 15 Angestellten standen (vielleicht auf 13 oder 14 waren) und wegen des Artikels 18, davon abgesehen haben, 1 oder zwei Personen mehr anzustellen.

Sat, 05/24/2025 - 15:29 Permalink