Der Spitzenkandidat
Turbulenzen gehören in der Fünf-Sterne-Bewegung längst zum Alltag. Im Hinblick auf das jährliche Treffen der Bewegung vom 22. bis 24. September in Rimini fallen sie freilich besonders heftig aus. Dass Luigi Di Maio beste Chancen hat, zum Spitzenkandidaten bei den Parlamentswahlen aufzusteigen, war bereits klar. Was die Basis jedoch erzürnt, ist der Mangel an glaubwürdigen Gegenkandidaten. Denn gegen den 31-jährigen treten nur sieben Unbekannte aus dem Fussvolk an. "Spero che almeno mia moglie mi voti", schmunzelt Vincenzi Cicchetti, M5S-Sprecher im Gemeinderat von Riccione. "Di Maio non ha mai lavorato. Torni tra 10 anni."
Für Unmut in der Bewegung sorgt vor allem die Ankündigung, dass der siegreiche Kandidat für das Amt des Premiers gleichzeitig zum Vorsitzenden der Bewegung aufsteigen soll - für den orthodoxen Flügel um Roberto Fico ein inakzeptabler Beschluss des Führungsduos Grillo und Casaleggio. Wenige Stunden vor Beginn des jährlichen M5S-Teffens in Rimini mangelt es nicht an polemischen Tönen. Die heftigste Kritik kommt von einem erklärten Sympathisanten: Chefredakteur Marco Travaglio, dessen Tageszeitung Il fatto quotidiano als eine Art Hausblatt der Bewegung gilt, geht mit dem M5S hart ins Gericht:
"Mentre festeggiano il decimo anniversario del battesimo al V-Day, sembrano nati ieri. Dovrebbero essere in quarta elementare, sono ancora all’asilo nido. Molti si son fatti le ossa in Comuni, Regioni e Parlamento. Ma il Movimento continua a gattonare e inciampare come un infante un po’ ritardato. Con regole o non-regole che andavano bene agli albori, per una piccola forza locale di opposizione, protesta e disturbo, ma non hanno più senso per quello che è – nonostante tutto – il primo partito nazionale. La figuraccia delle primarie con Di Maio candidato unico e l’ennesimo intoppo leguleio in Sicilia non sono indice di scarsa democrazia. Ma qualcosa di peggio: la prova dell’eterna immaturità, impreparazione, improvvisazione, inadeguatezza di un movimento che cresce fuori, ma non dentro..."
Mit Luigi Di Maio steigt einer zum Spitzenkandidaten auf, der vor allem Normalität verkörpert. Einer, der nie ohne Krawatte aus dem Haus geht, in Neapel die Reliquie von San Gennaro küsst und auf dem Wirtschaftsgipfel am Comer See den spanischen Regierungschef Rajoy zu seinem Vorbild erklärt.
Doch es bestehen erhebliche Zeifel daran, ob der Sohn eines ehemaligen MSI-Funktionärs seinen Traum verwirklichen kann, in den römischen Chigi-Palast einzuziehen. Denn in Italien wird der Premier bekanntlich nicht direkt vom Volk gewählt. So müsste seine Bewegung, die Koalitionen kategorisch ausschliesst, ihren derzeitigen Stimmenanteil von 26 Prozent fast verdoppeln. Dieses Wunder könnte bestenfalls San Gennaro ermöglichen, dessen Reliquie Di Maio am Freitag im Dom von Neapel devot geküsst hat. Das katholische Wochenblatt Famigia Cristiana hegt allerdings Zweifel an der Frömmigkeit des Spitzenkandidaten: "E' un cattolico surfista. Dice e fa tutto e il contrario di tutto".