Economy | Wissenschaft
Innovation als Chefsache?
Foto: NOI Techpark
Südtirol gibt sich gerne innovativ und am Puls der Zeit – die von dem Landesinstitut für Statistik ASTAT veröffentlichten Daten geben ein weniger blendendes Bild ab: „Insgesamt liegt Südtirol in Bezug auf Forschung und Entwicklung unter dem gesamtstaatlichen und dem europäischen Durchschnitt“, so die Autor*innen der ASTAT-Studie.
Auch die Grundlagenforschung hat einen Mehrwert per se.
Die EU hat für das Jahr 2021 vorgegeben, 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Forschung und Entwicklung (F&E) zu investieren, davon ist Südtirol weit entfernt, auch wenn der Wert von 0,91 Prozent im Vergleich zu 2002 stark gestiegen ist. Damit wurden im Coronajahr 2021 213,7 Millionen Euro für F&E ausgegeben. In Italien lag der Wert im Jahr 2021 bei 1,5 Prozent, beim Spitzenreiter Israel beträgt der BIP-Anteil 5,6 Prozent, in Österreich 3,2 Prozent und in Deutschland 3,1 Prozent.
Für den Direktor des Ressorts Innovation und Forschung, Ulrich Stofner, entspricht die niedrige Investitionsrate aufgrund der Corona-Pandemie den Erwartungen. Schließlich sanken die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr 2020 um 1,3 Prozent, was auf einen Rückgang der Investitionen von Unternehmen zurückzuführen ist. Diesen Corona-Effekt bestätigt auch Ulrike Tappeiner, Präsidentin der Freien Universität Bozen.
Dennoch sei die Summe für F&E im Vergleich zu den Nachbarn Tirol und Trentino gering, auch wenn der Zuwachs der Investitionen in den letzten Jahren sehr hoch war. Im Trentino gab man im Jahr 2021 weit mehr für diesen Bereich aus, nämlich 320,1 Millionen Euro. Dort werden in allen Wirtschaftssektoren mehr Beschäftigte für F&E eingesetzt als in Südtirol, so ASTAT. „Als Forscherin und Präsidentin der Freien Universität Bozen spreche ich mich dafür aus, dass mehr Gelder für diesen Bereich eingesetzt werden, da auch die Grundlagenforschung einen Mehrwert per se hat“, sagt Tappeiner.
Gleichzeitig betont die Präsidentin der Uni Bozen die hohe Wirtschaftsleistung des Landes, die im territorialen Vergleich zu einem hohen Pro-Kopf-Einkommen führt. „Wie die Wirtschaftsleistung Südtirols mit den Ausgaben für F&E zusammenhängt, wird im vorliegenden ASTAT-Bericht leider nicht analysiert. Im klassischen Fall erhöhen F&E die Produktivität, deren Höhe von vielen Faktoren abhängt, beispielsweise auch von der Allgemeinbildung und dem Vertrauen in die öffentliche Verwaltung. Solche Dinge sind zum Teil nicht unmittelbar messbar.“
Südtirol muss weiter in Innovation investieren.
Außerdem spielen Wirtschaftstreibende bei der Förderung von F&E eine wichtige Rolle: Sie legen 57 Prozent der Ausgaben auf den Tisch, öffentliche Körperschaften 26,8 Prozent und Universitäten 16,2 Prozent. Gleichzeitig holen Forschungseinrichtungen des Landes und Universitäten langsam auf, 2021 gab es in beiden Sektoren einen Zuwachs von 3,5 Prozent.
„Hierzulande gibt es eine Reihe großer Unternehmen, die auch auf dem Weltmarkt tätig sind. Dort wird der F&E-Bereich deutlich stärker ausgebildet als in kleineren und mittleren Unternehmen, von denen Südtirol auch lebt und welche in der täglichen Arbeit auch Innovation vorantreiben. Im Vergleich zu Tirol fällt aber auf, dass dort wirklich große Unternehmen, etwa in der Pharmaindustrie, in größerem Maßstab Forschungsgelder bereitstellen“, erklärt Tappeiner von der Universität Bozen.
Schrittweises Wachstum
Stofner vom Ressort für Innovation und Forschung zeigt sich trotzdem zufrieden: „In der Gesamtentwicklung stimmt die Richtung. Da während der Pandemie auch die eingereichten Anträge für Mittel aus unserem Fördertopf zurückgegangen sind, überraschen mich die Zahlen aus dem Pandemiejahr 2021 nicht. Dieser Trend wird auch bei den Zahlen aus dem Jahr 2022 zu beobachten sein, während 2023 wieder eine Zunahme erwartet werden kann.“
Außerdem gibt der Ressortdirektor zu bedenken, dass die Erfassung der Investitionen für F&E noch lückenhaft sei. So zum Beispiel seien Ausgaben der Universität noch nicht vollständig erfasst, ebenso würden Investitionen in Infrastrukturen nicht einfließen. Im Übrigen erfasse dieser Indikator nicht die Forschungskooperationen der Unternehmen mit externen Forschungseinrichtungen und Unis, da er nur betriebsinterne Aufwendungen berücksichtige.
Dennoch gesteht Stofner ein, dass Südtirol noch viel Nachholbedarf habe. Die in den letzten beiden Jahrzehnten erzielte Wachstumsrate bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung sei aber selbst im europäischen Vergleich beträchtlich. „Wir starteten bei einem BIP-Anteil von 0,4 Prozent, wir wachsen hier viel stärker als der EU-Durchschnitt, aber auch stärker als das Trentino und Tirol.“
Diese Strategie sei bereits im Jahr 2006 unter dem früheren Landeshauptmann Luis Durnwalder durch das Innovationsgesetz und die Vorbereitungen für den Technologiepark, heute NOI Techpark, in die Wege geleitet worden. „In Vergangenheit wurden durch den NOI Techpark in Bozen und seit kurzem auch durch den NOI Techpark Bruneck Andockstellen für Unternehmen geschaffen, um die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft für Innovation zu fördern. Diesem Prozess muss man aber auch Zeit lassen“, fügt Tappeiner hinzu.
Die strategische Ausrichtung für F&E genieße heute laut Stofner an oberster Stelle Priorität: „Unter Landeshauptmann Arno Kompatscher wurde dieser Schwerpunkt massiv geschärft, das betrifft die Beiträge für Unternehmen, die Investitionen in die Universität und die Forschungseinrichtungen, einschließlich den unter dem Namen Capacity Building laufenden Aufbau von Forschungskompetenz sowie die Etablierung eines Wissenschaftsfonds. Die Früchte erntet man dann natürlich etwas später. Südtirol muss weiter in Innovation investieren. Es geht nicht darum, auf einem Schlag auf die 3 Prozent zu kommen, sondern um den optimalen Einsatz von Geldern und um schrittweises Wachstum, das nicht nur den F&E-Indikator im Blick hat, sondern den Unternehmen und dem Land was bringt“, so Stofner.
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