Politics | Trentino

Die Sippenhaft

Landeshauptmann Maurizio Fugatti will eine Bestimmung im sozialen Wohnbau einführen, die gegen die Verfassung, das Gesetz und den gesunden Menschenverstand verstößt.
Fugatti
Foto: Lega
Wäre es irgendein Hinterbänkler, dann könnte man denken, Verrückte gibt es überall. Auch in der Politik.
Hier aber kommt der Vorschlag von höchster Stelle. Maurizio Fugatti ist der Landeshauptmann des Landes Trient.
Der Lega-Politiker hat jetzt in das Haushaltgesetz des Landes Trient eine Bestimmung einbauen lassen, die wie ein schlechter Witz klingt. In Wirklichkeit aber ein Anschlag auf die Verfassung, die Menschenrechte und vor allem den gesunden Menschenverstand ist.
Fugatti hat am Freitag, das bestätigt, was man seit einigen Tagen, in der Nachbarprovinz hinter vorgehaltener Hand vermutet hat. Der Landeshauptmann und die Lega wollen eine Bestimmung in den Landeshaushalt einbauen, der einer Art moderne Sippenhaft gleichkommt.
Die Bombe steckt in Artikel 14 c/quarter des Haushaltsgesetzes, das der Landtag demnächst genehmigen soll. Der Artikel sieht Unglaubliches vor: Wenn ein Mitglied aus einer Familie, die in einer Wohnung des sozialen Wohnbauinstitutes (ITEA oder in Südtirol WOBI) wohnt, definitiv wegen Verstoßes gegen das Drogengesetz oder wegen Anstiftung oder Ausübung der Prostitution verurteilt wird, verliert die gesamte Familie umgehend ihren Anspruch auf die Sozialwohnung und muss ausziehen.
Im Klartext: Wird der Sohn einer fünfköpfigen Familie mit 25 Gramm Marihuana erwischt und rechtkräftig verurteilt, fliegen seine Eltern und seine Geschwister umgehend aus der Sozialwohnung und stehen auf der Straßen.
Wer in einer IPEA-Wohnung wohnt, die von den Steuergeldern der Trentiner bezahlt worden ist, hat eine moralische Verantwortung“, rechtfertigt Maurizio Fugatti die geplante Bestimmung.
Nicht nur die Opposition ist über die Rechts(Un)kultur schockiert, die der Trentiner Landeshauptmannes hier zu Tage legt. In den vergangenen Tagen stellte der Generaldirektor des Landes Trient Paolo Nicoletti dem Rat der Gemeinden das Haushaltsgesetz und damit auch diese Bestimmung vor.
 
 
Dabei haben sich die Bürgermeister mehrheitlich und energisch gegen diesen Gesetzesartikel ausgesprochen. Im negativen Gutachten des Rates der Gemeinden wird darauf verwiesen, dass diese Bestimmung eindeutig verfassungswidrig ist. Auch im Landtag ist eine harte Auseinandersetzung vorprogrammiert.
Maurizio Fugatti hat aber anscheinend eine andere Rechtsauffassung. Der Trentiner Landeshauptmann erklärte den protestierenden Lokalverwaltern, dass es genau diesen Passus bereits in den Abruzzen gebe. Dort habe die Regierung diese Bestimmung nicht angefochten.
Wer in einer ITEA-Wohnung wohnt, die von den Steuergeldern der Trentiner bezahlt worden ist, hat eine moralische Verantwortung.
Maurizio Fugatti, Lega
Was er nichts sagte: Damals war noch die Lega in Rom an der Regierung.
Und in dieser Partei scheint die Sippenhaft selbst im dritten Jahrtausend anscheinend das Normalste auf der Welt zu sein.