Cinema | C'è ancora domani

Als gäb’s kein Morgen

„C'è ancora domani“ ist einer der erfolgreichsten italienischen Filme der letzten Jahre: Warteschlangen vor den Kinos, ausverkaufte Säle, auch im Bozner Filmclub. Wie kommt es zu diesem Erfolg?
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Foto: Sabrina De Lorenzo
  • Rom in der Nachkriegszeit: Delia (gespielt von der Regisseurin Paola Cortellesi) ist Hausfrau, Mutter von drei Kindern und verheiratet mit dem gewalttätigen Ivano. Ihren missmutigen Schwiegervater Ottorino muss sie neben ihren häuslichen Arbeiten pflegen, dazu verrichtet sie Gelegenheitsarbeiten in der Stadt. Ihre jugendliche Tochter steht dazu kurz vor der Heirat mit einem Mann, von einem ähnlichem Schlag wie Ivano. Delia führt ein Leben wie so viele andere Frauen in jener Zeit. Sie erhält jedoch einen unerwarteten Brief, der ihr Kraft und Hoffnung spendet, ihrem Schicksal zu trotzen.

    Der in schwarz-weiß gedrehte Film ist vor rund einem Monat erschienen und hat sich seither wie ein Lauffeuer verbreitet. Riesige Erfolge an den Kinokassen und viele positive Kritiken. Wie kommt dieser riesige Erfolg zustande? Darüber und über andere Themen rund um den Film haben wir mit Renate Mumelter (Filmkritikerin, Journalistin & Mitbegründerin der Filmschule ZeLIG) gesprochen.

  • Delia (gespielt von Paola Cortellesi) Foto: Trailer YouTube (Kanal: Vision Distribution)
  • „Der Film spricht den Frauen aus dem Herzen."

    SALTO: Gab es in den letzten Jahren einen vergleichbaren Ansturm auf einen Film?

    Renate Mumelter: Seit langem nicht mehr. Es ist erstaunlich. Auch bei den diesjährigen Hype-Filmen wie Barbie oder Oppenheimer gab es keinen vergleichbaren Ansturm. Die Leute konnten zum Teil keine Karten mehr besorgen und dies ist nicht nur in Bozen der Fall, sondern in ganz Italien. Eine meiner ZeLIG-Schülerinnen, die auch Kassiererin [im Kino, Anm. der Red.] ist, hat mir erzählt, dass es am Ende des Films oft auch zu spontanem Applaus kam, was für einen Film normalerweise sehr ungewöhnlich ist. Den Hauptteil der Besucher*innen machen Frauen aus, was im Kino allerdings nichts ungewöhnliches ist. 

    Wie hat es der Film geschafft einen derartigen Hype auszulösen?

    Der Film ist erstens gut gemacht. Man muss dazu sagen, dass Paola Cortellesi in Italien natürlich auch einen hohen Bekanntheitsgrad hat. Sie ist ein Multitalent und schreibt schon seit längerer Zeit Drehbücher, oft über Frauenthemen. Einige jüngere, männliche Rezensenten schreiben herablassend über den Film und unterstellen ihm, er würde nur Klischees bedienen. Der Film behandelt Frauenthemen in einer humorvollen Art, Gewaltszenen werden als solche auch nie gezeigt, aber man erlebt sie trotzdem. 

    Also trägt der Humor des Films viel zum Erfolg bei?

    Natürlich, aber es ist nicht nur das. Der Film spricht den Frauen aus dem Herzen. Er ist nicht nur anklagend. Sie [Delia, Anm. der Red.] versucht ihr Leben, zwischen ihrem gewalttätigen Mann und ihrem bettlägerigen, unwirschen Schwiegervater, selbst zu gestalten. 

    Was ist demnach die zentrale Aussage des Films?

    Einerseits schildert der Film die stark patriarchalen Strukturen Italiens in der Nachkriegszeit, andererseits ist „C'è ancora domani“ auch als Hommage an die italienischen Frauen der Nachkriegszeit zu verstehen, die zum Wiederaufbau Italiens entscheidend beigetragen haben. Gleichzeitig stellt der Film eine Anklage ans Patriarchat dar und da hat sich nicht viel verändert, was man an gewissen Reaktionen erkennen kann. Das ist es, was Frauen heute noch beeindruckt. Da ist vieles auf der gleichen Schiene geblieben. 

    Im Großen und Ganzen war die Resonanz zum Film aber positiv.

    Das war sie absolut, aber nicht alle Männer können es schlucken, dass die Sachen mal so dargestellt werden. Dass der Film diesen Riesenerfolg feiern kann, ist zu einem großen Teil auch auf Mundpropaganda zurückzuführen und hat auch mit der aktuell neu aufgeflammten Debatte rund um Gewalt an Frauen zu tun. Inzwischen ist der Film, dank seines Erfolgs, natürlich auch stark in den Medien vertreten. Ich bin neugierig, wie lange diese Erfolgswelle wohl noch anhält. 

  • „C'è ancora domani" läuft noch bis zum 29/11/2023 im Filmclub Bozen.