Environment | Abgase

Fahrverbote auch in Südtirol?

Pizzaofen-Verbot in Neapel, Fahrverbote in Rom – und was kommt bei uns? Hintergründe zur weihnachtlichen Schadstoffbelastung.

Bis Ende des Jahres kein Schnee in Sicht: Als würden solch niederschmetternde vorweihnachtliche Prognosen von Landeswetter-Papst Dieter Peterlin nicht ausreichen, beschert uns das trockene Schönwetter noch andere beunruhigende Schlagzeilen. „Smog alle stelle“ heißt es in vielen italienischen Großstädten, wo derzeit nicht nur mit Fahrverboten, sondern auch mit dem Verbot Holzöfen anzuschüren auf die erhöhte Schadstoffbelastung reagiert wird. In Süditalien revoltiert deshalb so mancher Pizzaiolo – und in Südtirol? Immerhin mahnt auch hierzulande der Dachverband für Natur und Umweltschutz den Landeshauptmann an, etwas gegen die wetterbedingte Grenzwertüberschreitung bei Schadstoffen wie Stickoxiden zu unternehmen. Drohen uns also über die Weihnachtsfeiertage auch Fahrverbote,  die Hunderter-Beschränkung auf der Autobahn oder das Feuerwerksverbot, das Merans Bürgermeister Paul Rösch doch nicht durchgesetzt hat?

Vorerst ist nichts davon in Aussicht, antwortet der Direktor des Amtes für Luft und Lärm Georg Pichler. Eineinhalb Monate stabiler Inversionswetterlage haben die Feinstaub-Problematik dort nun zwar erstmals nach vielen Jahren wieder zum Thema gemacht. Bisher ist man laut Pichler aber noch relativ weit von einer Überschreitung des Jahresgrenzwertes entfernt. 35 Mal darf der Tagesgrenzwert von 50 µg/m3 demnach überschritten werden; erst dann sind Maßnahmen zu treffen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. In Südtirol hat man vorbeugend eine Warnschwelle von 30 eingeführt, ab der ein Landesaktionsplan greift.

Weit schlechtere Werte in Latsch als in Bozen

Doch obwohl der Luftdeckel, der derzeit aufgrund der Inversion über Südtirols Tälern und Städten liegt, die PM10-Werte hart an die Grenze bringt, seien bislang auch an verkehrsintensiven Messstellen wie der Bozner Claudia-Augusta-Straße „nur“ acht Überschreitungen gemessen worden. Gerade einmal eine war es in der Bozner Hadrianstraße, fünf in Leifers und eine in Meran. Umso interessanter das Ergebnis der Messstelle im Vinschger Latsch, wo der Tagesgrenzwert bereits 16 Mal überschritten wurde. Georg Pichler wundert das kaum. Denn: „Wir wissen, dass die Holzfeuerung mittlerweile mit einem Anteil von rund 50 % an der Gesamtbelastung der größte Verursacher von Feinstäuben ist“, sagt er. VW-Skandal hin oder her – im Bereich Verkehr habe die Abgastechnik in den vergangenen Jahren wesentlich zur Verringerung der Feinstäube beigetragen.  Bei Holzöfen würde dagegen trotz regelmäßiger Informationsveranstaltungen seines Amtes mit Vertretern der Hafner und der Kaminkehrer immer noch zu oft gesündigt. Nasses Holz, zu wenig Luftzufuhr – es braucht nicht viel, um die Feinstaub-Werte mit gemütlichen Hausöfen in die Höhe zu jagen. „Wenn das in ein paar Haushalten in einem Dorf gleichzeitig passiert, sind die Grenzwerte schnell überschritten“, sagt Pichler.

Doch gerade dieser private Bereich ist noch schwieriger zu regulieren als der Feinstaub-Emittent Verkehr. Dort ist man mittlerweile generell von Ad-hoc-Fahrverboten abgekommen, wie sie noch vor zehn Jahren mit alternierenden Autokennzeichen praktiziert wurden. „Sollte sich die Feinstaubproblematik fortan weiter verschärfen, wird man ein langfristig angelegtes Sanierungsprogramm samt  Maßnahmenkatalog ausarbeiten“, stellt der Direktor des Amtes für Luft und Lärm in Aussicht.

Problemzone A22

Bereits heute gibt es einen solchen Maßnahmenkatalog im Bereich Stickstoffdioxid (NO2). Ein Schadstoff, der im Gegensatz zu den Feinstäuben tatsächlich zu 70 % dem Verkehr zuzuschreiben ist, sagt Georg Pichler. „Vor allem entlang der A22 werden die Grenzwerte seit Jahren überschritten.“  Daran ändert auch ein Maßnahmenkatalog nichts, der bereits seit 2010 in Kraft und sowohl vom Land als auch von einzelnen Gemeinden umgesetzt wurde. Eine Folge davon sind beispielsweise das ganzjährige Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Klassen 0,1 und 2 in Bozen, teilweise Fahrverbote in Brixen oder strengere Vorschriften für Heizanlagen. Wirklich spürbare Verbesserung würde allerdings ein Paket aus kurzfristigen wie langfristigen Maßnahmen bringen, die bereits seit zwei Jahren in Rom aufliegen. Da die Flächen entlang der Autobahn in die Zuständigkeit des Staates fallen und die Belastung trotz Maßnahmen des Landes und der Gemeinden nicht nennenswert zurückgegangen ist, müsste nun Rom tätig werden. Auf dem Tisch liegen Südtiroler Vorschläge wie eine verpflichtende Verlagerung von LKW-Verkehr auf die Rollende Landstraße, Geschwindigkeitsreduktionen oder auch Vorfinanzierungen für Projekte wie die Untertunnelung der Bozner Eisack-Ufer-Straße oder der Autobahn bei Brixen. „Es gibt eine eigene Arbeitsgruppe, die sich in Rom damit befasst“, sagt Pichler. „Doch obwohl der Landesrat bereits zwei Mal interveniert hat, um die Sache zu beschleunigen, wurden bisher keinerlei Entscheidungen getroffen.“

60.000 vorzeitige Todesfälle nur in Italien

An sonnigen und schneefreien Wintertagen wie diesen bedeutet dies nicht nur für die Anrainer der A22 und anderer verkehrsintensiver Straßen Schadstoffe einzuatmen, deren gesundheitsschädliche Auswirkungen in unzähligen Studien belegt wurden. Besonders ältere  Menschen, Asthma-Patienten oder Kinder leiden unter den erhöhten Schadstoffwerten. Erst kürzlich hatte die Primarin der Pädiatrischen Pneumologie und Allergologie am Krankenhaus Bozen Lydia Pescollderungg auf RAI Südtirol von einem deutlich spürbaren Anstieg von behandelten Kindern mit Atemwegsbeschwerden gesprochen. Doch auch die Liste an Krankheitsbildern, die in Zusammenhang mit einer regelmäßigen Aussetzung an Feinstäube und Stickstoffdioxid aufgelistet werden, sollten selbst empörte Pizzaiolos oder leidenschaftliche Schnellfahrer zum Umdenken bringen:  von allgemeinen Beeinträchtigungen des Atemwegssystems, über  kardiovaskuläre und Lungenerkrankungen bis hin zur Verursachung oder Verstärkung von Herzinfarkten und Arrhythmien oder dem Auslösen von Krebserkrankungen.

Noch erschreckender sind die Daten einer aktuellen Studie der Europäischen Umweltagentur, laut denen nach wie vor 430.000 vorzeitige Todesfälle in Europa auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind.  Als Hauptauslöser werden dabei Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid genannt; Italien ist laut der Statistik neben Deutschland mit knapp 60.000 Todesfällen absoluter Spitzenreiter. Keineswegs beruhigend ist dabei, dass bei Feinstäuben das kleinteilige PM 2,5, das tief in die Lungen eindringt, als gesundheitsschädlich angeführt wird. Denn in Südtirol beschränkt man sich an den meisten Messstellen auf die Messung des grobteiligeren PM10.