Culture | Salto Afternoon
Junge Schichtarbeit
Foto: Privat
Die Arbeiten des 2001 in Bozen geborenen Künstlers, der an der Accademia di Brera in Mailand Malerei studiert trafen gestern Abend im Bozner Spazio Cut auf ein zahlreiches, mehrheitlich junges Publikum. Gentilis „nehme nicht teil am marathon“, kuratiert von Maximilian Pellizzari (Jahrgang 1996) und Leonardo Cuccia (Jahrgang 1989) zeigt eine Auswahl von Malereien und Drucken. Trotz des Titels, der auf eine Abwendung von leistungsorientierter Produktion verweist, ist der Gentili, der vor Studienbeginn Arnold Mario dall’O assistierte, ein Vielschaffender, gerade bei Serien galt es kuratorisch eine Selektion aus den in diesem Jahr entstandenen Arbeiten zu treffen.
In Etappen entstandenen Malereien - auch hier eine mögliche Abwendung vom Dauerlauf - eröffnen, einmal auf Papier und dreimal auf Leinwand, die Ausstellung direkt am Treppenaufgang (siehe Titelbild) vom im Untergeschoss gelegenen Friseursalon. In den vier mit „Untitled“ markierten Schichtarbeiten entsteht dadurch, dass mehrheitlich Öl-Farbe auf ebensolche aufgetragen wird, eine Stratifizierung, welche beim mehr oder weniger abgedeckten weißenUntergrund beginnt und sich bis in eine teilweise verschleiernde schwarze Farbe fortsetzt. Dazwischen finden sich ohne Kontur-Linien in kräftigen Farbtönen aufgelöste zu Flächen, welche fruchtige Sujets dekonstruieren (da ein Pfirsich, dort eine Erdbeere) und diese mit abstrakten Zügen verbinden. Es verstehen dabei Wärme und Kälte miteinander konfrontierende, durch das zum Teil als Abdeckfarbe verwendete Schwarz undurchdringlicher gestaltete Stimmungsbilder.
Auch in den beiden Serien „USA Atlante Stradale“ (Acryl auf Papier) und „Ministero dei Beni Culturali“ (Stichtiefdruck auf Papier) gibt es den Dialog mit dem Untergrund, der Ausgangsmaterie. Im ersten Fall handelt es sich um nationale oder lokalere Karten der USA, welche vom Künstler ausschließlich mit einem entschlossenen, fast destruktiv anmutenden, ein Gros der Topografie abdeckenden schwarzem Pinselstrich überlagert wurden. Im zweiten Fall ist das Grundlegende jeweils ein historisches (unausgefülltes) Formular zur Erfassung bedeutsamer Kunstwerke. Die widerspenstige Grund-Materie, welche altersbedingt Falten und Brüchigkeit in der Verarbeitung aufweist wird im Druck mit einer transparenten Schicht von Krakeleien überlagert. Beide Male ist es - auch durch die Vorgabe des Ausstellungstitels - schwer, nicht an einen Akt der Verweigerung zu denken.
Eine kleine, unscheinbare Druckarbeit bricht gleich zwei Trends im Ausstellungsraum: Das ambivalent benannte „Fertig machen“ präsentiert sich nicht nur mit einem Titel, sondern auch ohne einen sichtbaren Untergrund. Das Werk hat den Effekt einer durch Bildgebungsverfahren verfälschten Fotografie einer Häuserwand mit Graffiti-Tags. Namen oder Textfetzen bleiben ungreifbar, die Graffiti-Ästhetik findet allerdings im Raum eine Entsprechung besonders im zentralen, alleinig vor Ort gestalteten Werks, wie auch in den umgestalteten Topografien und ihren scharfen Winkeln.
„UNTITLED“ (handelt es sich durch die in der Ausstellung singuläre von Kapitalschrift hier bereits um einen Titel?) beherrscht mit einer Größe von 360 mal 218 Zentimetern den Raum. Es ist zugleich das Werk in dem Einflüsse aus der Sprayer-Szene am augenscheinlichsten werden: Rechts außen findet sich der unverkennbare Einsatz einer Sprühdose, links und mittig sieht man Dripping - das Verlaufen noch trocknender Farbe. Insgesamt ist die Arbeit in Lack und Spray auf einer PVC-Platte farblich zurückhaltender als die Malereien welche den Besucher eingangs empfangen, gerade der Kontrast zwischen Eierschale und Magenta verstärkt aber das subjektive Empfinden von Tiefe im Bildraum, lässt erstere Farbe zurück, letztere hervor treten.
Im Ganzen betrachtet zeigt sich die erste Einzelausstellung Philipp Gentilis irgendwo zwischen Rebellion, Spurensuche in verschiedenen Traditionen, Einflüssen des Umfelds (Dall’O wird da und dort greifbar), Träumen von Bedeutsamkeit und Reisen, oder deren Ablehnung. Kurz, man sieht einen Künstler, der auf der Suche nach seiner eigenen Stimme ist und sich auf einem guten Weg zu dieser befindet.
Please login to write a comment!