Society | Eisklettern

Faszination Eisklettern

Angelika Rainer und die Liebe auf den zweiten Blick
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Angelika Rainer
Foto: Marco Servalli

Text: Angelika Rainer
Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Alpenverein Südtirol
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Meinen ersten Versuch im Eisklettern machte ich am Eisturm in Rabenstein und ich muss zugeben, dass der erste Eindruck nicht wahnsinnig positiv war. Mir schien es als ob die Füße mit den Steigeisen dauernd abrutschen würden und das Einschlagen der Pickel ins Eis fand ich wahnsinnig anstrengend. Um im Nachstieg den 20 Meter hohen, vertikalen Turm zu erklettern brauchte ich eine gefühlte Ewigkeit und hatte dann die Arme völlig müde, wie ich es beim Sportklettern eher nach einer sehr überhaengenden Route kannte.

Liebe auf den zweiten Blick

Zwischen mir und dem Eisklettern war es dann Liebe auf den zweiten Blick, denn als ich einige Monate später, ganz spontan am ersten organisierten Dry Tooling Wettkampf in Bozen teil nahm war ich begeistert! Die bereits wettkampferfahrenen Eiskletterer Christoph Vonmetz und Herbert Klammer gaben mir grundlegende Tipps zur Technik und ich gewann überraschend den Wettkampf der Damen, im allerdings sehr beschränkten Teilnehmerfeld. Diese Technik des Kletterns mit Pickel und Steigeisen hat mich fasziniert und ich war motiviert, nach Jahren des Sportkletterns etwas Neues zu lernen. So kam ich über das Dry Tooling zum Eisklettern.

Delikate Materie                                                                                                            

Die Faszination des Kletterns an gefrorenen Wasserfällen liegt für mich vor allem im Privileg, an einer Oberflache klettern zu dürfen, die für den Großteil des Jahres flüssig und somit nicht kletterbar ist. Wer einem Eiskletterer zum ersten Mal zusieht, denk in erster Linie, dass es sehr viel Kraft abverlangt, die Pickel ins Eis zu schlagen. Um an einer so delikaten Materie wie dem Eis zu klettern, braucht es aber auch sehr viel Feingefühl und diese Kombination finde ich spannend.

Beim Eisklettern zählt aber auch der mentale Aspekt, man muss einschätzen können, wie stabil ein Wasserfall ist und im Gegensatz zum Dry Tooling, wo man wie beim Sportklettern immer gut gesichtert ist und es nur um die technische Schwierigkeit der Route geht, muss man auch Momente der Angst überwinden. Durch dieses Überwinden des “inneren Schweinehundes“, schenkt einem das Eisklettern aber tolle, persönliche Erfolgsmomente.

Bekanntlich wird das Eisklettern bei Minustemperaturen betrieben und wenn es einen wieder einmal so richtig „nägelt“, wenn das Blut in den kalten Händen und Füßen pulsiert, hat sich wohl jeder Eiskletterer schon gefragt, warum er sich für diesen Sport entschieden hat. Meine Antwort darauf ist, dass die Genugttuung durchgehalten zu haben, das Gefühl am Abend auf dem Divan unter der warmen Decke zu liegen um so vieles schöner macht, als wenn man den ganzen Tag dort gelegen hätte.

 

Pickelgefühl

Beim Eisklettern werden die Eispickel zu verlängerten Armen und die Armspannweite beim Dry Tooling ist somit um vieles länger als die Gewohnte. Es gelingen einem unerwartet weite Züge. Außerdem kann man mit den Pickeln winzige Löcher und Leisten halten, wie man es mit den blossen Fingern nicht vermöchte. Um dies zu beherrschen und das richtige Gefühl zu bekommen, braucht es sehr viel Training und Eingewöhnung. Der sicherlich größte Unterschied zum Fels- und Sportklettern ist wohl, dass man dort die Griffe mit den eigenen Fingern ertastet, während man beim Dry Tooling erst das Feingefühl für die Eispickel entwickeln muss und das Gefühl, wie stabil ein Pickel am Griff ist oder wie gut er im Eis eingeschlagen ist. Dieses Gefühl ist aber nie so sicher wie das unserer eigenen Hand auf einem Griff,

weshalb immer eine gewisse Anspannung bleibt, da man überraschend vom Griff rutschen kann und genau das gibt dieser Disziplin des Kletterns das bestimmte Etwas.

Eiskletterwettkämpfe werden auf Routen mit Kuntsgriffen und Eispassagen, mit teils auch hängenden, beweglichen Eiselementen ausgetragen. Hier begeistert mich der Mix aus Kraft, Technik und Schnelligkeit. Die Routen sind immer sehr athletisch, mit teils horizontal überhängenden Passagen, die Kuntsgriffe sind sehr delikat und die zur Verfügung stehende Zeit ist knapp. Wenn mehrere Athleten bis ganz nach oben ans Top der Route klettern, gewinnt der Schnellste. Es gilt also das goldene Mittelmaß zwischen schnellem und technisch fehlerfreien Klettern zu finden.

Wechsel der Disziplinen

Eisklettern und DryTooling ermöglichen es, jede Jahreszeit klettertechnisch perfekt zu nutzen. Im Frühjahr und Sommer kann man beim Sport- und Alpinklettern den Fels und die Sonne genießen, im Herbst kann man beim DryTooling auch bei regnerischem Wetter im Freien Klettern und im Winter an gefrorenen Wasserfällen Eisklettern und den Winter so richtig ausleben. Für mich hält dieser Wechsel der Disziplinen auch die Motivation übers ganze Jahr aufrecht, denn es wird mir nie langweilig mit so verschiedenen Projekten und spezifischem Training.

Diesen Winter möchte ich neben der Teilnahme am Eiskletterweltcup hauptsächlich in den Dolomiten eisklettern und drytoolen. In den letzten Jahren war ich viel unterwegs und ich finde es immer interessant neue Orte kennen zu lernen, aber man muss nicht immer ans andere Ende der Welt fahren, wenn es auch zu Hause so schön ist!