Economy | Banken
Gesalzene Rechnung

Foto: upi
„Es ist ein Urteil, das Signalwirkung haben könnte“, sagt Massimo Cerniglia. Der römische Anwalt, der als Spezialist für Verfahren gegen Banken gilt und seit Jahren auch für die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) alle Klagen gegen lokale Geldinstitute betreut, ist sichtlich zufrieden.
Immerhin hat er in den vergangenen Wochen nicht nur eine Berufungsverhandlung gewonnen, sondern das Oberlandsgericht hat den Schadenersatz, der seinem Mandaten zusteht im Verhältnis zu ersten Instanz sogar verdoppelt.
Spekulative Zertifikate
Es handelt sich um einen Fall, der vor 13 Jahren seinen Ausgang nimmt.
Ein Südtiroler Sparer investierte 2007 in der Südtiroler Sparkasse über 500.000 Euro in „Zertifikate“.
Es handelt sich dabei um sogenannte Derivate, also ein Finanzinstrumente, die an einen darunterliegenden Wert gekoppelt sind. Das Zertifikat ist von Natur aus eine spekulativ Geldanlage, da dieses Finanzinstrumente die Anleger auf jeden Fall den Risiken des darunterliegenden Werts aussetzt. Im konkreten Fall haben die Zertifikate dem Anleger weder eine sichere Rendite noch die volle Rückzahlung des investierten Kapitals garantiert.
Der Sparer hat bei Fälligkeit der Wertpapiere fast die Hälfte seines investierten Kapitals verloren. Weil die Bank auf seine Beschwerden nicht reagierte, wandte sich der Südtiroler 2014 an die Verbraucherzentrale.
Betraut von Massimo Cernigilia reichte der Sparer dann vor dem Landesgericht Bozen Klage auf Schadenersatz ein. Die zentrale Argumentation: Das Profil des Anlegers war in der Bank mit einer Risikoneigung von „mittel“ angelegt worden. Zertifikate sind aber eine „spekulative“ Geldanlage die dieser Einstufung deutlich zuwiderlaufen.
2018 gab das Landesgericht dem Sparen teilweise Recht. Die Richter kommen in ihrem Urteil zum Schluss, dass die Bank bei fünf Zertifikaten den Anlegen nicht ausreichend informiert hat, dass diese Wertpapiere für ihn „nicht geeignet“ sind. Ein anderer Teil der verkauften Zertifikate sei – laut Urteil – aber nicht spekulativ gewesen und war damit der Risikoneigung des Sparers durchaus angemessen.
Die Richter sprachen dem Sparer in erster Instanz 120.000 Euro an Schadenersatz zu.
Die Berufung
Die Sparkasse zahlte das Geld, wollte die Verurteilung aber nicht akzeptieren. Die Bank legte Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts ein. Es ist ein Schritt, der die Sparkasse am Ende einiges kostet.
Denn die Richterin Isabella Martin und Richter Tullio Joppi vom Oberlandesgericht Bozen haben nicht nur die Berufungsklage der Sparkasse abgewiesen, sondern sie haben auch die Anschlussberufung des Sparers angenommen. Rechtsanwalt Cerniglia hat im Berufungsverfahren auch die Einstufung der restlichen Zertifikate beanstandet, die in erster Instanz vom Gericht als angemessen beurteilt wurden.
Das Oberlandesgericht folgt in seinem Urteil dieser These und bestätigte, dass auch diese Papiere als „erheblich risikoreich“ einzustufen sind.
Das Berufungsgericht sprach dem Kläger rund 250.000 Euro an Schadenersatz zuzüglich Zinsen und Rechtskosten zu, die die Sparkasse jetzt erstatten muss.
„Dieses Urteil ist gleich in zwei Punkten richtungsweisend“, meint Massimo Cerniglia. Zum einen weil das Oberlandesgericht in diesem Urteil als erstes Gericht in ganz Italien bestätigt, dass Zertifikate den Risikograd „spekulativ“ haben. Zum anderen aber auch, weil es eine klare Entscheidung in Sachen Verjährung enthält.
„Die verschiedenen Institute führen immer wieder ins Feld, dass die Verjährungsfrist bei Geldanlagen 5 Jahre ab Eintritt des Verlustes sei“, erklärt der Anwalt der Verbraucherschützer.
Das Oberlandesgericht ist aber auch hier der Argumentation Cerniglias gefolgt und hat eine 10jährige Verjährungsfrist festgelegt. Dieser Teil des Urteils dürfte direkt Auswirkungen auf hunderte ähnlicher Fälle haben.
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