Politics | Raum & Landschaft

„In allerletzter Konsequenz enteignen“

In Südtirol ist Baugrund Mangelware. Eine Lösung, um unnötigen Flächenverbauch einzudämmen, ist die Neunutzung des Leerstandes – in letzter Konsequenz durch Enteignung.
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Foto: LPA/Fabio Brucculeri
Die Landesregierung hat vor Kurzem die „Richtlinien für die Erhebung der leerstehenden Gebäude und der vorhandenen ungenutzten oder aufgelassenen erschlossenen Flächen“ genehmigt. Die Erhebung des Leerstandes ist im Gemeindeentwicklungsprogramm für Raum und Landschaft (GProRL), welches von den Südtiroler Gemeinden derzeit erstellt wird, verpflichtend vorgesehen. Mit den Richtlinien wurde auch ein Formular ausgearbeitet, mit welchem die Gemeinden die Daten zu den Leerständen digital erfassen können.
 
 
 
In den verabschiedeten Richtlinien ist unter anderem festgehalten, was als Leerstand gilt und ab wann ein Gebäude beziehungsweise eine Fläche als Leerstand geführt wird. Beispielsweise gelten Wohngebäude nach einem Jahr der Nichtnutzung als Leerstand, Flächen der Industrie, des Großhandels, des Handwerks oder der landwirtschaftlichen Tätigkeit hingegen müssen zwei Jahre als solche ungenutzt sein, um als Leerstand kategorisiert zu werden. Unterschieden wird grundsätzlich zwischen ungenutzten gewidmeten Flächen, vollständigem und teilweisem Leerstand. 
„Nach der Erhebung sollen sich die Gemeinden – vorzugsweise zusammengeschlossen oder in enger Kooperation untereinander – Gedanken über eine Wieder- bzw. Neunutzung der Liegenschaften oder der Flächen machen“, hieß es in der entsprechenden Pressemitteilung. Sich nur Gedanken über den Leerstand zu machen, reiche allerdings nicht aus, wie Maria Hochgruber Kuenzer, Landesrätin für Raum und Landschaft, Salto.bz gegenüber erklärte. Sondern – auf Basis der Erhebung bezüglich der Leerstände – müssten sich gemeindepolitische Entscheidungen ableiten, dies gilt unter anderem bei der Ausweisung neuer Zonen.
 
 

Flächenverbrauch eindämmen

 
Zwar hatten die Gemeinden bei der Erstellung eines Bauleitplanes immer auch die Perspektiven für eine zukünftige Enwicklung im Visier und haben sich überlegt, wieviele und welche Zonen wo gebraucht werden, bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes für Raum und Landschaft musste der Leerstand dabei allerdings nicht berücksichtig werden. Zukünftig wird der Leerstand direkte Auswirkungen auf die Ausweisung der verschiedenen Zonen haben. Wie Landesrätin Kuenzer erklärt, fließt der erhobene Leerstand nicht zu hundert Prozent in die Berechnungen ein, müsse aber beim Bedarf neuer Flächen miteinkalkuliert werden. Das Land könne seinen Einfluss auf die Gemeinden insofern geltend machen, als der Großteil der Gemeinden das Gemeindenentwicklungsprogramm noch nicht abgeschlossen hat. Das Amt für Gemeindeplanung nimmt die Erstbewertung des GProRL vor und analysiert die Daten und Aufstellungen. Nimmt eine Gemeinde beispielsweise Neuausweisungen trotz eines relevanten Leerstandes vor, schlägt sich dies in der Bewertung nieder. Sobald das Entwicklungsprogramm abgeschlossen ist, erhalten die Gemeinden vom Land die Zuständigkeiten über die Siedlungsgrenze. „Die Gemeinde können dann selbst entscheiden, was wo und in welchem Zeitrahmen umgesetzt wird“, erklärt die Landesrätin, welche auf die sehr unterschiedlichen Situationen in den jeweiligen Gemeinden verweist. So sind beispielsweise in den 80er Jahren in einigen Gemeinden viele kleine Gewerbegebiete entstanden, die zumeist in Familienhand waren und an denen ein Wohnhaus angeschlossen ist. Manche dieser Betriebe wurden nach der Pensionierung des Inhabers nicht weitergeführt, womit die zugehörigen Betriebshallen leer standen.
 
 
 
Laut neuem Raumordnungsgesetz und Entwicklungsprogramm haben die Gemeinden nun die Möglichkeit, diese Gewerbegebiete, falls sie an ein Wohngebiet angrenzen, in dieses einzuverleiben bzw. es als ein Mischgebiet auszuweisen, in welchem bis zu vierzig Prozent gewerbliche Tätigkeit ausgeführt werden können. „Auf Basis solcher Kombinationen könnte der tatsächliche Bestand effizient genutzt werden und es müssten nicht neue Flächen verbraucht werden“, so Kuenzer, die erklärt, dass über weitere Lösungen nachgedacht wird, die auch eine Enteignung einschließen könnte. Denn ein Problem in manchen Ortszentren seien Gebäude, die bereits seit Jahrzehnten leer stehen. Unter Umständen gibt es mehrere Besitzer, die sich nicht auf ein gemeinsame Nutzung einigen können.
 
Das Gesetz würde in allerletzter Konsequenz auch vorsehen, dass eine Enteignung möglich ist – diese muss aber sehr gut begründet werden.
 
„Das Gesetz würde in allerletzter Konsequenz auch vorsehen, dass eine Enteignung möglich ist – diese muss aber sehr gut begründet werden“, so Kuenzer. Dafür bedürfe es eines schlüssigen Konzeptes beispielsweise falls eine Neunutzung für die Entwicklung der Gemeinde notwendig ist. Auch müsste die überwiegende Mehrheit der Eigentümer mit dieser Maßnahme einverstanden sein. „Man muss in dieser Frage sehr vorsichtig vorgehen“, so Kuenzer, welche betont, dass dieses gute Modell nicht ins Gegenteil verkehrt werden dürfe, indem nach der Devise vorgegangen wird: „Sonst wird halt enteignet“. „Das ist der falsche Weg“, betont die Landesrätin. Während es allerdings durchaus üblich und in den Köpfen fest verankert ist, landwirtschaftliches Grün bei Bedarf zu enteignen, ist dies bei Leerständen nicht der Fall, gibt Kuenzer zu bedenken. 
 
Mit dem neuen Gesetz sind wir hier wirklich flexibler geworden.
 
Die Gemeinden erhalten allerdings die Möglichkeit, die Zweckbestimmung eines Leerstandes zu ändern. So könnte beispielsweise in einem leerstehenden Wohnhaus in einem Ortszentrum eine kleine gewerbliche Tätigkeit eingerichtet werden. „Mit dem neuen Gesetz sind wir hier wirklich flexibler geworden“, so Kuenzer, die betont, dass es für Leerstände mehrere Nutzungsmöglichkeiten gebe, „schließlich ist niemandem damit gedient, wenn ein leer stehendes Gebäude zusammenfällt“.

 

Ja, es braucht dringend klare Gesetze gegen ungehemmten Flächenfraß, skrupelloser Raumplanung und reiner Profitgier! Der anhaltende Flächenfraß ist mit Blick auf künftige Generationen unverantwortlich. Versiegelung, Zersiedelung und Naturverlust bedrohen unsere Lebensgrundlagen!
Ich würde mir von PolitikerInnen wünschen, dass sie dies auch klar aussprechen! Auch um mehr Bewusstsein zu schaffen, wie dringlich das Thema ist und mit Klima- und Umweltschutz zusammenhängt.
Für mich ist diese "Erhebung der leerstehenden Gebäude..."nur ein Schritt von vielen, welche nun gleichzeitig gesetzt werden müssen, hin zu einer kurzfristigen Zielsetzung, weiter zu einer Mittelfristigen und schliesslich dem Bild wie Südtirol in 15- 20 Jahren ausschauen soll.

Mon, 05/23/2022 - 16:59 Permalink

Eigentlich in andere Länder ganz normal! Wenn in Spanien ein Gebäude länger als 2 Jahre ungenutzt bleibt, dann wird dieser Grund zurückverlangt. Ganz gleich wie Alt, welche Nutzung usw. Die Grundlage dafür liegt bei der Spekulation die damit verhindert wird. Betriebe die in Südtirol keine Mitarbeiter finden, sollen im Ausland weiterwachsen, wo sie sowieso hin liefern. Weiters sollten diese mit der realen Wirtschaft konfrontiert werden und nicht mit künstlichen Beiträgen und enteigneten Auwälder.

Tue, 05/24/2022 - 12:05 Permalink