Die Stille zwischen den Büchern

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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Lissy Pernthaler: Das Buch, für das mich meine Schulkamerad:innen gemobbt haben. Es war ein Dedektivbuch, die anderen Kids fanden, ich sei kindisch, das in der 5. Grundschule noch zu lesen. Aber es hat mich nachhaltig geprägt, weil ich erkennen durfte, die Meinung und Bewertung von Außen nicht so sehr an mich heran zu lassen, sondern dem zu folgen, was ich fühle und dazu zu stehen.
Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Ganz ehrlich, ich erinnere mich an keinen konkreten Satz. Es geht eher um den Nachgeschmack, den das Buch hinterlässt oder eben tiefe Bilder, wenn du gleichzeitig im Sog bist zwischen „ich muss noch weiter lesen, auch wenn ich müde bin, weil ich wisse muss, wie es ausgeht“ und du gleichzeitig jeden Buchstaben genussvoll laaaaangsam liest, weil du nie möchtest, dass dieses gute Buch irgendwann wirklich endet und dich alleine zurück lässt. Da hilft dann wirklich nur noch Kopfkino um die Stille zwischen den Büchern zu ertragen, bis man das nächste gute Buch findet.
„Ein guter Klappentext ist einfach Gold wert.“
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Natürliche Entwicklungen: Ob im Kokon als Performerin oder als Lesende bei der Lesefesta. Lissy Pernthaler ist heute mit vielen anderen Autorinnen und Autoren Teil der Lesefesta der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung in den Räumlichkeiten des Südtiroler Künstlerbundes. Foto: Seehauserfoto
Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Ist mir noch keines untergekommen. Oder lese ich zu wenig „getypte“ Bücher um hier mitreden zu können? Ich sag Bescheid, wenns passiert.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Lieber Gast vom anderen Stern, wir Erdbewohner sind sensationslüsterne Wesen – genau wie du, nur denken wir wohl kleiner als du. Wir hängen am Dorfklatsch, weil wir wissen, wer bei Frau Maier gestern die Gartentür nicht richtig zugemacht hat. Lokalkrimis spielen genau damit: Deine Sensationslust trifft auf hautnahe Vertrautheit. Der Täter könnte dein Nachbar sein, jeder Garten ein Tatort, du bist fasziniert, weil du die Gassen kennst und das „gleich nebenan“ wirklich fühlen kannst. Und weil es auch aufzeigt, wie nah „Gut und Böse“ tatsächlich beieinander liegen, im doppelten Wortsinn. Und nichts menschelt mehr als das.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Immer denen von meinen engsten Freunden. Weil ich in ihrem Erzählen über die Lektüre ihr Erleben mit transportiert bekomme und dann automatisch die Vorfreude steigt und ich dies auch erleben möchte. Spiegel Bestseller sind auch immer verlockend, obwohl man ja weiß, dass dort auch eine krasse „Push-Industrie“ dahinter steckt. Oft verlasse ich mich auf Titel und Cover und die ersten zwei Zeilen des Klappentextes. Ein guter Klappentext ist einfach Gold wert. Oder die Suchtipps meiner Mutter, die ist ein richtiger Bücherwurm.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Hatte ich wohl Glück, noch nie mit einem Buch gekämpft zu haben, weil ich es verbannen wollte. Und wenn es passieren würde, würde ich es lieber auf einer bewohnten Insel zurück lassen, denn nur weil es mir nicht gefällt, heißt es ja nicht, dass es jemand anderes nicht total berührt und zusagt. Bücher sind doch soooo persönlich.
„Viva la poesia! Denn ist Poesie nicht die brutalste Form purer Liebe?“
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?Ich konnte mich nie mit dem digitalen Lesen anfreunden. Drehbücher gehen vielleicht noch, aber spätestens wenn ich einen Film drehe, brauche ich auch da Papier. Zum reinkritzeln und arbeiten. Aber generell gilt: Gebt mir duftende, haptische Bücher, in die ich im wahrsten Sinne des Wortes versinken kann.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Ich muss gleich zwei Empfehlungen loswerden: Einmal das Buch meiner lieben Cousine Isabel Weis. Sie hat ein wundervolles Kinderbuch (ab 8 Jahren) geschrieben. Sie schreibt über ein leider oft noch zu sehr als Tabu behandeltes Thema, den Tod. Auf sehr berührende, spielerisch und zugleich tiergehende Weise erzählt sie vom Tod Oma Bettys. Eine Herzensempfehlung um gemeinsam mit Kindern das Thema Tod zu integrieren.
Und das Buch „Das Blatt mit den Lösungen“ von Nadia Rungger. Ich bin ein großer Fan von Nadias Lyrik (Gern verlinken: ) und finde sowieso, dass wir der Poesie viel mehr Raum in unserem Leben schenken sollten. Viva la poesia! Denn ist Poesie nicht die brutalste Form purer Liebe?More articles on this topic
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