„Fare, dare e avere“

Nicht ohne Grund gilt Carlo Bertacchi als einer der besten Strafverteidiger Südtirols. Der jungen Bozner Anwalt ist kein Mann der große Worte. „Wir werden jetzt die 5.838 Seiten der Anklage anschauen und dann unsere Gegenäußerungen machen“, sagt der Verteidiger der Bozner Bauunternehmer Angelo und Antonio Dalle Nogare, sowie der Ressortdirektorin Katuscia Tenti.
Am Montag stellte die Gerichtspolizei seinen Mandaten die Benachrichtigung über den Abschluss der Ermittlungen zu. Unterzeichnet vom stellvertretenden Staatsanwalt Giancarlo Bramante. In dem fünfseitigen Schriftstück finden sich eine Reihe von schwerwiegenden Vorwürfen und aufgezeigten Strafbeständen, deren Klärung direkt in ein Hauptverfahren im kommenden Herbst führen dürfte. Jetzt haben die Betroffenen und ihr Anwalt 20 Tage Zeit, um ihre Gegenäußerungen zu machen oder eine Anhörung zu verlangen.
Anwalt Carlo Bertacchi: Gegenäußerungen in 20 Tagen.
Die Ermittlung
Die Ermittlungen waren durch eine Eingabe des Bozner 5-Sterne-Gemeinderates Alberto Filippi im vergangenen Frühjahr losgetreten worden. Auch nachdem salto.bz exklusiv die unglaubliche Geschichte der Bozner Wohnbauzone „Mayr/Defranceschi“ publik gemacht hatte. Der Verdacht: Die beiden Bozner Bauunternehmer Dalle Nogare, Vater und Sohn, hätten sich bei einer öffentlichen Ausschreibung der versuchten Korruption und der Wettbewerbsverzerrung schuldig gemacht. Mit dabei: Ressortdirektorin Katia Tenti, rechte Hand von Wohnbaulandesrat Christian Tommasini und durch ein privates Nahverhältnis mit Bauunternehmer Antonio Dalle Nogare verbunden.
Oberstaatsanwalt Guido Rispoli beauftragte mit dem Ermittlungen die Carabinierisondereinheit ROS, die sich in Südtirol vor allem durch die SEL-Ermittlungen einen Namen gemacht hat.
Nach anfänglichen Schlagzeilen wurde es im Sommer über ruhig. Die Ermittler hatten das Groß ihre Arbeit bereits Ende 2014 abschlossen.
Amtsenthebung und Anzeige
Katia Tenti ist eine sehr agile Person. Die Spitzenbeamtin und Autorin von Kriminalromanen hat beste Kontakte nicht nur in die hohe Politik, sondern auch in der Justiz. Tenti setzte deshalb alle Hebel in Bewegung, um die Ermittlungen in die gewünschte Richtung zu leiten.
Das Problem: Die ROS-Beamten hören und schauten mit. Weil Tenti in ihrer Funktion als Ressortdirektorin mehrmals Untergebene vor und nach Befragungen durch die Ermittler zu sich zitierte und zudem eine besondere Aktivität zur nachträglichen Legitimierung ihrer Handlungen entwickelte, wollten die Ermittler einen spektakulären Schritt setzen.
In einem Zwischenbericht an den ermittelnden Staatsanwalt Giancarlo Bramante verlangen sie bereits im Dezember 2014 die sofortige Amtsenthebung von Katia Tenti als Ressortdirektorin. Der Grund: Fortlaufende Zeugenbeeinflussung und Gefahr der Vernichtung von Beweismitteln.
Der Staatsanwalt legte den Antrag dem Gericht aber nie vor. Bramante ließ das Ganze sieben Monate lang liegen.
Die ROS forderten bereits im Dezember 2014 die sofortige Amtsenthebung von Katia Tenti als Ressortdirektorin. Der Grund: Fortlaufende Zeugenbeeinflussung und Gefahr der Vernichtung von Beweismitteln. Doch der Staatsanwalt stieg darauf nicht ein.
Vor diesem Hintergrund dürfte Katia Tenti davon ausgegangen sein, dass die Ermittlung archiviert wird. Deshalb setzte sie zum Gegenangriff an. Im Frühjahr 2015 erstattete die Ressortdirektorin und Kuratorin der millionenteuren, gescheiterten Bewerbung Bozens zur Europäischen Kulturhauptstadt 2019, Strafanzeige gegen den Autor dieser Zeilen. Ob es der richtige Zeitpunkt war, wird sich im Verfahren zeigen.
Sicher ist, die Ausgangssituation hat sich für Tenti seit Montag deutlich verschlechtert. Denn die Vorwürfe mit der sie die Staatsanwaltschaft jetzt offiziell konfrontiert bestätigen die salto-Recherche voll.
Nutzung von Amtsgeheimnissen
Katia Tenti, Antonio und Angelo Dalle Nogare wird konkret die „Offenbarung und Nutzung von Amtsgeheimnissen" (Art. 326 StGB) vorgeworfen. Wobei der im Strafgesetz enthaltene erschwerende Umstand dazukommt, damit „jemandem einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu verschaffen“.
Der Hintergrund: Das Wohnbauinstitut und die Landesregierung beschließen im Frühsommer 2013 einen Wettbewerb für 100 Wohnungen in Bozen auszuschreiben. Es geht dabei um einen Auftrag von 25 Millionen Euro. Das Unternehmen Dalle Nogare hatte sich zusammen mit Siegfried Unterberger und Peter Paul Pohl bereits zwei Jahre zuvor den nötigen Grund gesichert und sich an einer ersten Wobi-Ausschreibung erfolglos beteiligt. Keine 100 Meter von diesem Baugrund entfernt, hat das Wohnbau-Institut vor 14 Jahren ein Grundstück gekauft um Wohungen zu bauen. Noch heute wachsen darauf Äpfel.
Wobi-Grund in der Reschenstraße: Seit 14 Jahren brachliegender Baugrund.
Im Sommer 2013 entwirft der technische Direktor des Wobi Gianfranco Minotti einen ersten Entwurf des detaillierten Ausschreibungstextes. Minotti schickt den Entwurf zur Überprüfung an den zuständigen Leiter der Abteilung Wohnbau Wilhelm Palfrader. Von Palfrader geht der Entwurf dann auch an die Ressortdirektorin Katia Tenti.
Am 14. August 2013 schickt Tenti genaue diesen Ausschreibungsentwurf an ihre private Mailadresse. Wenig später lädt die Ressortdirektorin die Datei mit einem Laptop herunter, der dem Bauunternehmer Antonio Dalle Nogare gehört. Als die ROS-Beamten am 23. April 2014 den Porsche Cayenne des Unternehmers durchsuchen, finden sie einen Computerstick auf dem der ursprünglichen Ausschreibungstext als Word-Dokument ebenfalls enthalten ist.
Die Ermittler weisen nach, dass der Text am Vormittag des 20. August 2013 mehrmals ausgedruckt wird. Zudem finden sie die von Antonio und Angelo Dalle Nogare handschriftlich gemachten Änderungen.
Es geht dabei vor allem um den Artikel 2, Absatz 1. Im ursprünglichen Ausschreibungstext hatte es geheißen:
„Wenn das Angebot mehr als 100 Wohnungen umfasst, dann müssen diese in zwei verschiedenen Gebäuden untergebracht werden.“
Die Dalle-Nogare-Änderung:
„Die angebotenen Wohnungen können auf mehrere Häuser verteilt werden, von denen jedes Haus aber mindesten 10 Wohnungen haben muss.“
Diese Änderung ist perfekt auf jedes Projekt für die 100 Wohnungen zugeschnitten, das die Dalle-Nogare-Firma später abgeben wird und damit die Ausschreibung gewinnt.
Denn der Ausschreibungstext wird von Katia Tenti wenig später genau in dieser Diktion verändert und in ihrer Funktion als Tommasinis Ressortchefin an das Wobi zurückgeschickt.
Am 2. Oktober 2013 wird die Wettbewerbsausschreibung dann offiziell veröffentlicht. Enthalten sind genau die Änderungen, die das Trio Tenti-Dalle-Nogare ausgeklügelt hat.
Das Rechtsgutachten
Es ist aber nicht das einzige Dokument, das Katia Tenti auf Reisen schickt.
Damit die „Mapp GmbH“ zum Wettbewerb zugelassen wird, braucht es ein positives Gutachten sowohl der Gemeinde Bozen, wie auch der Landesraumordnungskommission. Genau hier gibt es aber ein Problem.
Die Dalle Nogare Firma hatte sich bereits im Herbst 2011 mit demselben Grundstück in der Reschenstraße an einer deckungsgleichen Wobi-Ausschreibung beteiligt. Die Raumordnungskommission des Landes hatte im Dezember 2011 aber ein negatives Gutachten abgebe.
Dagegen klagte das Trio Dalle Nogare, Unterberger, Pohl vor dem Bozner Verwaltungsgericht und verlor. Die Unternehmer gingen in Berufung. Aber auch der Staatsrat gab im März 2013 dem Land Recht und erklärte, dass die Ablehnungsgründe für das Grundstück absolut stichhaltig seien.
Als dieselben Unternehmer kein halbes Jahr nach dem Staatsratsurteil aber erneut mit demselben Grundstück am Wobi-Wettbewerb teilnehmen wollen, taucht in den Rechtsämtern eine berechtigte Frage auf. Geht das überhaupt?
Im Land und in der Gemeinde ist man der Meinung: Nein. Deshalb wird Katia Tenti tätig.
Rechtsgutachten: Direkt zum Bauunternehmer geschickt.
Am Abend des 12. Dezember 2013 soll der Bozner Gemeinderat ein positives Gutachten zur Verbauung des Grundstückes abgeben. Katia Tenti wird über Vermittlung der Bozner Stadträtin Chiara Pasquali an diesem Vormittag bei der Leiterin des Rechtsamtes Bianca Giudiceandrea vorstellig. Weil sie dort aber nicht weiter kommt, wendet sich Tenti an Fabrizio Cavallar, im Rechtsamt des Landes als Experte in Sachen Urbanistik tätig. Innerhalb weniger Stunden schreibt Fabrizio Cavallar am Vormittag des 12. Dezember 2013 ohne formellen Auftrag ein Rechtsgutachten, das die Teilnahme des Dalle Nogare-Grundstücks am Wobi-Wettbewerb ermöglichen wird.
Auch dieses Amtsgutachten schickt Katia Tenti noch am selben Tag zuerst an ihre private Mail-Adresse und dann an den Bauunternehmer Antonio Dalle-Nogare.
Absprache und versuchte Bestechung
Staatsanwalt Giancarlo Bramante wirft Tenti und Vater und Sohn Dalle Nogare deshalb auch den Strafbestand „Störung der freien Durchführung eines Auswahlverfahrens durch Absprache“ (353bis StGB) vor. Bei Katia Tenti kommt der erschwerende Umstand hinzu, dass sie die mutmaßliche Straftat als Amtsperson begangen haben soll.
Gegen Antonio und Angelo Dalle Nogare wird aber auch der Vorwurf der „Anstiftung zur Korruption“ (Art. 322 StGB) erhoben.
Die beiden Bauunternehmer sollen dem Bozner SVP-Gemeinderat und langjährigen Bauernbund-Obmann Georg Mayr für seine Stimme im Bozner Gemeinderat zugunsten des Mapp-Projektes 20.000 Euro angeboten haben.
Auto und Bürgschaft
Aus der Benachrichtigung über den Abschluss der Ermittlungen geht aber auch hervor, dass Katia Tentis Position durchaus ernster ist, als bisher angenommen. In dem offiziellen Akt heißt es:
„Das Ganze spielte sich im Rahmen illegaler Absprachen zwischen der Spitzenbeamtin und den Unternehmern ab. Besonders mit Antonio Dalle Nogare, an den Katia Tenti durch andauerndes Frequentieren und eine persönliche Liebes-Beziehung gebunden ist, sowie durch komplexe Beziehungen im Tun, Geben und Nehmen („complessi rapporti di fare, dara e avere“), die auch auf dem Versprechen eines neues Autos als Geschenk, der Leistung einer Bürgschaft oder der ökonomischen Unterstützung von Privatiniativen der Spitzenbeamtin beruhen“
Was im Bericht nur angedeutet wird, findet sich in einem Großteil jener über 5000 Seiten, die Tentis Anwalt Carlo Bertacchi anspricht.
Es sind Abhörprotokolle und Transkriptionen von Lauschangriffen mit denen die ROS-Beamten die Abmachungen Katia Tentis und Antonio Dalle Nogare dokumentiert haben.
Meine Unterstützung dem
Meine Unterstützung dem investigativen Journalismus, welcher sich auf nachprüfbare Fakten stützt. Unschuldvermutung ok, aber die Demut von Beamten, Politikern und Unternehmern ist kaum noch gegeben, da es bisher keine Konsequenten gab. Auch Verleumdungsklagen sollen keinesfalls als Macht- und Rachemittel der Vorgenannten mißbraucht werden. Hoffentlich gibt es endlich Klarheit im Sinne von rechtlichen Schritten.