Sommertheater im Regionalrat
„Wenn die Mehrheit in Minderheit gerät, ist es Zeit, die Koffer zu packen – doch nicht für den Sommerurlaub, sondern definitiv“, ärgerte sich der Freiheitliche Abgeordnete Pius Leitner am Donnerstag in Trient. Der Grund dafür? Ein „Sommertheater im Regionalrat“, wie es Leitner bezeichnet. Dort konnte am Donnerstag Vormittag die Rechnungslegung der Region für 2014 nicht genehmigt werden, weil insgesamt zwölf Südtiroler Abgeordnete fehlten - Philipp Achammer, Elena Artioli, Myriam Atz-Tammerle, Roberto Bizzo, Waltraud Deeg, Arno Kompatscher, Veronika Stirner Brantsch, Guggi Stocker, Roland Tinkhauser, Christian Tschurtschenthaler, Alessandro Urzì und Thomas Widmann.
Mindestens 18 Abgeordnete jeder Provinz müssen die Rechnungslegung jedoch laut Gesetz absegnen. Da die Südtiroler Mehrheit nur noch 12 Stimmen zusammenbrachte und die Opposition traditionell gegen Haushalt und Rechnungslegung stimmt, muss nun ein Vermittlungsausschuss eingesetzt werden, um die Genehmigung durchzuführen. „Die Opposition hat dafür gesorgt, dass nicht weniger als 15 Gesetze beschlossen werden konnten“, meint Pius Leitner. „Sie ist allerdings nicht bereit, die Beschlussfähigkeit zu garantieren, damit die Mehrheit ein politisches Dokument wie den Haushalt verabschieden kann.“
Ebenso erzürnt gibt sich Andreas Pöder. Nach der Absage der drei ursprünglich geplanten Sitzungstage des Regionalrats im Juli schiebt die Mehrheit eigens eine Sondersitzung ein, um den angeblich dringenden Nachtragshaushalt 2015 der Region zu verabschieden – und dann gibt es gar keine Südtiroler Mehrheit?, bringt er die Sache auf den Punkt. In Konsequenz beantragte der Abgeordnete der BürgerUnion den Abbruch der Sitzung. Immerhin stand am Nachmittag noch die Genehmigung des Nachtragshaushalt 2015 auf dem Programm.
Welchen Sinn macht es, diesen zu behandeln, wenn schon vorab klar ist, dass die Mehrheit nicht imstande sein wird, ihr eigenes Gesetz zu verabschieden, begründete Pöder den Antrag. Als dieser von Regionalratspräsidentin Chiara Avanzo nicht zur Abstimmung zugelassen wurde, war dann wirklich Feuer am Dach. „Avanzo hat als Hüterin der Geschäftsordnung versagt und stattdessen versucht, der Regierung - zumindest kurzfristig - aus der Patsche zu helfen“, kritisiert Pius Leitner. Als "abenteuerlich und dem Druck der SVP geschuldet" bezeichnet Andreas Pöder Avanzos Vorgehen. Es ist offensichtlich, dass der Nachtragshaushalt nicht genehmigt wird? „Der Südtiroler Mehrheit ist das egal, sie weiß, dass die Trentiner ihre Mehrheit zusammenbringen und dass trotz der fehlenden Mehrheit der Südtiroler der Haushalt im Schlichtungsausschuss durchgewinkt wird“, schreibt er. Damit werde der demokratische Entscheidungsprozess über hunderte Millionen Euro von vorne herein an ein nichtgewähltes Gremium delegiert, kritisiert der Abgeordnete der BürgerUnion.
Am späten Nachmittag bewahrheite sich seine Prophezeiung: Bei der Endabstimmung zum Nachtragshaushalt gab es von Südtiroler Seite nur 14-Ja Stimmen. Daher wird der Gesetzentwurf an das zuständige Schlichtungsorgan überwiesen. Das Finanzgesetz wurde dagegen mit 35 Ja, 16 Nein und 1 Enthaltung verabschiedet.