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“Eine Niederlage für Meran”

Die Meraner Cadornastraße behält ihren Namen – wohl dank SVP. David Augscheller (Ökosoziale Linke) wirft der Volkspartei “bewussten Boykott” und “schäbige Spielchen” vor.
David Augscheller
Foto: Ökosoziale Linke

Am Ende fehlten drei Stimmen. Und David Augscheller ist sich sicher: Es sind jene der SVP. Der Gemeinderat der Ökosozialen Linken spricht von einem “bewussten Boykott”.

Am Mittwoch Abend sollte der Gemeinderat von Meran die Umbenennung der Cadornastraße beschließen. Die Straße, die sich zwischen einer kleinen Handwerkerzone und Wohnsiedlungen vorbei im Süden Merans Richtung Zentrum schlängelt, sollte den Namen von Elena Stern de Salvo erhalten. Das sechsjährige Mädchen wurde mit ihrer jüdischen Mutter im KZ Auschwitz von den Nazis ermordet. Doch die Straße wird weiterhin den Namen von Luigi Cadorna tragen, jenes Generals, der mit seiner schonungslosen und blutigen Kriegsführung im Ersten Weltkrieg für zehntausende Kriegsopfer verantwortlich ist.

 

Keine 20 Stimmen


Die Initiative geht auf einen Beschlussantrag zurück, den der Gemeinderat der Ökosozialen Linken David Augscheller Ende 2017 vorgelegt hat – und der mit 21 Ja, 4 Enthaltungen und 1 Gegenstimme im Jänner 2018 genehmigt wurde. Für die Umbenennung, die am Mittwoch auf der Tagesordnung des Gemeinderats stand, wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig gewesen. Bei 30 Anwesenden also 20 Stimmen. Doch nur 17 Gemeinderäte sprachen sich am Ende für Elena Stern de Salvo aus. Die restlichen 13 Stimmen waren weiß oder ungültig.

Am Morgen danach ist Augscheller hörbar aufgewühlt. “Ich hatte im Hinterkopf, dass so etwas passiere könnte, aber habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass solch billige und schäbige Spielchen betrieben werden.” Obwohl es eine geheime Abstimmung war, ist sich der Ökosoziale Gemeinderat sicher, wem es zu verdanken ist, dass General Cadorna weiterhin als Namensgeber einer Straße in der zweitgrößten Stadt Südtirols fungiert: der SVP.

Er gehe fest davon aus, dass die anwesenden Vertreter von Liste Rösch/Grüne (7), PD (2), M5S (1), STF (1), Team K (2) sowie einer der beiden Freiheitlichen – Otto Waldner, denn Peter Enz hatte sich in der Debatte kritisch geäußert – für die Umbenennung gestimmt haben, meint Augscheller. Zusammen mit der seinen sind das 15 Stimmen. Von wem die restlichen zwei Stimmen kamen, steht nicht fest. Lega und Alleanza per Merano hatten sich offen dagegen ausgesprochen, die Lista Civica skeptisch geäußert.

Und die SVP? “Die war während der Debatte im Gemeinderat eigenartigerweise still und schweigsam”, berichtet Augscheller. Er zählt daher eins und eins zusammen: “Gefehlt haben die fünf Stimmen der anwesenden SVP-Vertreter – hätten sie geschlossen dafür gestimmt, wären die 20 notwendigen Stimmen beisammen gewesen.” Er spricht von einer “Cadorna-Koalition für die Zukunft”, die sich am Mittwoch im Gemeinderat gezeigt habe. Eine Anspielung darauf, dass die SVP bei einem möglichen Wahlsieg im Herbst auf die Lista Civica und Alleanza per Merano als Regierungspartner setzen könnte.

 

Vereitelte Chance

 

In Vorbesprechungen sei die Zustimmung von 20 Räten zugesichert worden, heißt es von der Liste Rösch/Grüne. Dass sich nicht alle an die Abmachungen gehalten hätten, nimmt man dort mit Bedauern zur Kenntnis. Deutlich schärfere Töne kommen von David Augscheller. “Das war ein bewusster Boykott. Die Umbenennung wäre eine riesige Chance und ein schönes Signal gewesen, über Meran und Südtirol hinaus. Meran hätte seine Brückenfunktion zwischen den Sprachgruppen und die Bedeutung seiner pluralistischen und liberalen Gesellschaft beweisen können. Doch all das wurde für ein billiges und schäbiges wahltaktisches Manöver geopfert.” Er ist überzeugt: Die SVP habe durch ihr Abstimmungsverhalten verhindern wollen, dass Bürgermeister Paul Rösch – er hat den offiziellen Beschlussantrag für die Umbenennung vorgelegt – den Namenswechsel hätte als seinen Erfolg feiern können.

“Der Bürgermeister hat es nicht nötig, das als Sieg zu verkaufen”, winkt Augscheller ab. Er sitzt selbst in der Opposition (unterstützt bei den Wahlen im Herbst aber Röschs Bündnis) und sagt: “Man wollte Rösch eins auswischen.” Auch der Meraner Gemeinderat der Südtiroler Freiheit Christoph Mitterhofer ist erzürnt. Was am Mittwoch Abend im Gemeinderat geschehen sei, sei “mehr als peinlich”. “Die Meraner Gemeinderäte waren nicht imstande, die Cadornastraße umzubenennen und sich somit von diesem schlimmen Kriegstreiber zu distanzieren – aufgrund von politischen Eitelkeiten.”

Viel eher als von einer persönlichen Niederlage spricht Augscheller von einer “Niederlage für Meran”. “Ich hatte auf die intellektuelle Größe und Vernunft der Gemeinderäte gehofft. Aber wenn das Politik ist, verstehe ich die Verdrossenheit vieler, die Politik für schmutzig und schäbig halten.”

Ob nun ein zweiter Anlauf für die Umbenennung gestartet wird, ist offen. “Vorerst liegt alles auf Eis”, sagt Augscheller. Für Christoph Mitterhofer steht fest: “Wir betrachten diese Umbenennung als Hausaufgabe für die nächste Stadtregierung und hoffen, dass der neue Gemeinderat das dann auch unterstützt.”

 

++ Update ++

Gegen 11.30 Uhr veröffentlicht der SVP-Bürgermeisterkandidat für Meran, Richard Stampfl, folgende Zeilen auf Facebook: