Die Wahlen in Deutschland aus Südtiroler Sicht
salto.bz: Herr Atz, wofür steht der Wahlerfolg in Deutschland der CDU/CSU und jener der bayrischen CSU letztes Wochenende?
Hermann Atz: Es ist sicherlich einmal eine Bestätigung für die erfolgreiche Arbeit der Regierung, die Wähler wollen, dass das so weitergeführt wird. Das Wählervotum ist hier aber trotzdem ambivalent, denn nicht die Regierungskoalition wurde belohnt, sondern die starke Führungspartei, die CDU Merkels. Der FDP hat hingegen die Koalition gar nichts gebracht.
Eine zweite Lesart des Wahlausgangs sei es der Bundestagswahlen wie der Landtagswahlen in Bayern ist die Stimmung im Wählervolk die sagt: Wir wollen keine Experimente! Die Wähler fühlen sich nicht sicher genug, um auf alternative politische Angebote einzugehen, aber das heißt auch, dass die Opposition diese Angebote nicht parat hatte.
salto.bz: Ist der Wahlerfolg auf die Persönlichkeit der Führungsfiguren wie Merkel und Seehofer zurückzuführen?
Hermann Atz: Das spielt hier sicher auch eine gewisse Rolle, auch wenn Merkel jetzt nicht mit Charisma gesegnet ist, aber hier lässt sich das gut mit einem Bild zeichnen. Wenn sich nämlich ein Schiff in schwierigen Gewässern befindet und der Kapitän dieses Schiff halbwegs im Griff hat, dann vertrauen die Leute ihm bzw. ihr. Trotzdem stärkt das Wahlergebnis Merkel nur vordergründig, denn es bleiben ihr wenig Optionen für eine Koalition. Weil es kaum Chancen für eine schwarz-grüne Regierung geben wird, hat die SPD nun doch gute Karten in der Hand und wird ihre sozialdemokratische Haut so teuer verkaufen wie es nur geht.
salto.bz: Was bedeutet der deutsche Wahlausgang nun für Südtirol und die kommenden Landtagswahlen?
Hermann Atz: Auch in Südtirol gibt es so etwas wie die unsichere See im gesellschaftlichen Bereich, mit einer Regierung die den wirtschaftlichen Erfolg relativ sichern konnte bisher. Also wird man das bei den Landtagswahlen honoriert sehen. Eine andere Frage ist jene nach der Koalition, auch hier hat in Südtirol der schwächere Regierungspartner, der Partito Democratico, noch nie sehr gut abgeschnitten. Es gibt eben kein großes italienischsprachiges Wählerpotential in der Mitte, deshalb werden die italienischen Zentrumsparteien auch keine überragenden Ergebnisse einfahren, auch die Scelta Civica nicht.
salto.bz: Kann sich die SVP jetzt also angesichts der Wählertendenzen beim großen deutschen Nachbarn etwas zurücklehnen?
Hermann Atz: Das wäre ein Fehler, wenn sie das täte, denn ein Grund, warum die SVP letzthin so gut aufgeholt hat, ist jener, dass Erneuerungswillen und Selbstkritik recht stark kommuniziert wurden. Auch der Verzicht auf altgediente Politiker ist in der öffentlichen Meinung gut angekommen. Der deutsche Erfolg der Christlich-Sozialen ist sicher auch ein Versuch, die Europa-Politik zu stärken und die Wähler haben auch das honoriert. Dass die CSU in Bayern so gut abgeschnitten hat, würde ich jetzt nicht überinterpretieren, es ist vielmehr ein normales Einpendeln auf Werte die schon einmal sehr höher lagen.
salto.bz: Was ist zu den übrigen kleinen und neuen Parteien in Deutschland zu sagen?
Hermann Atz: Nun, die Alternative für Deutschland als neue Partei und die FDP als alteingesessene haben beide die 5-Prozent-Hürde nicht geschafft, in Italien hingegen säßen sie dennoch im Parlament. Was ich mich frage ist, dass niemand mehr von den Piraten spricht, obwohl sie ein vergleichbares Ergebnis wie noch bei den letzten Wahlen eingefahren haben. Das ist aufschlussreich und lässt offen blicken, wie stark die Strahlkraft auch politischer Kräfte dann doch von den Medien abhängt. Die Piraten werden derzeit einfach totgeschwiegen.