Economy | Milch

„Keine unabhängige Kontrollstelle"

Der Freiheitliche Landtagsabgeordnete Andreas Leiter Reber über das System Milch, das Geheimnis um die Milchimporte und die Kontingentierung der Südtiroler Milchkühe.
Leiter Reber, Andreas
Foto: Die Freiheitlichen
Salto.bz: Herr Leiter-Reber, Ihnen scheint die Südtiroler Milch sauer aufzustoßen?
 
Andreas Leiter-Reber: Nein, mir stößt die Milch überhaupt nicht sauer auf. Wenn wir als Land nachhaltig wirtschaften wollen und das ist ja das politische Ziel, aber auch ein Bedürfnis in der Bevölkerung, dann müssen wir politisch die Weichen in diese Richtung stellen. Es hat sich jetzt auch in der Pandemie jetzt gezeigt, dass regionale Produkte immer mehr an Wert gewinnen. Deshalb müssen die Fragen erlaubt sein: Wieviel Milch produziert Südtirol selbst? Wie wird damit umgegangen? Und vor allem: Wieviel Milch wird von außen zugekauft? Sei es aus dem Aus- wie auch aus dem Inland.
 
Verstehen Sie, warum die Milchwirtschaft darauf keine Antwort geben will?
 
Nein, mir ist es völlig unerklärlich, warum man daraus so ein Geheimnis macht. Dass man auf sachliche Landtagsanfragen, in denen es nur darum geht, transparent im Sinne der Bürger grundlegende Zahlen zu erfahren, einfach nicht antwortet. Ich verstehe nicht, warum man nicht sagen kann, wir importieren so und so viel Millionen Kilo Milch aus Österreich oder Deutschland und wir kaufen so viel Milch aus anderen italienischen Regionen dazu. Weil wir sie dazu brauchen, alle Produktionslinien bedienen zu können oder weil wir nicht ganzjährig unseren Bedarf mit eigener Milch abdecken können. Dass man daraus so ein Geheimnis macht, trägt nicht dazu bei, dass man Vertrauen in solch wunderbares Produkt haben kann, wie es die Südtiroler Milch eigentlich sein sollte.
 
 
Mir ist es völlig unerklärlich, warum man daraus so ein Geheimnis macht.“
Die zentrale Frage dabei ist, ob dort wo nur Südtirol draufsteht auch nur Südtirol drinnen ist?
 
Das ist die Gretchenfrage, die sich jeder Kunde stellt. Jeder, der Südtiroler Milch einkauft, geht davon aus, dass nur solche in der Packung ist. Dazu muss der Sennereiverband aber sagen, wo die Milch landet, die man zukauft. Landet sie ausschließlich im Käse? Oder landet sie ausschließlich in Produkten, die man für andere herstellt und wo nicht das Südtiroler Qualitätssiegel drauf ist?
 
Die Milchhöfe sagen: Hier werden die Produktionslinien zwischen Südtiroler Milch und zugekaufter Milch streng getrennt?
 
Die Frage ist ob das im alltäglichen Geschäft wirklich so gemacht wird. Nach meinen Informationen ist das nicht immer der Fall. Viele habe dazu auch nicht die Kapazitäten. Dass hier niemand offen redet, spricht in der öffentlichen Wahrnehmung eher gegen eine saubere Trennung als dafür.

 

Wer kontrolliert auf dem Milchsektor die Einhaltung des Südtiroler Qualitätszeichen, das eine streng Südtiroler Herkunft der Produkte vorschreibt?

Auch hier habe ich an verschiedenen Stellen mehrmals nachgefragt. Das Ergebnis: Es gibt in Südtirol keine unabhängige Kontrollstelle. Zudem ist eine Herkunftsanalyse der Milch im Labor technisch in Südtirol bisher nicht möglich. Man kontrolliert zwar die Qualität, aber nicht die Herkunft. Deshalb frage ich mich schon, wie man diese angeblich strenge Trennung belegen will. Vor allem dann, wenn uns Insider mitteilen, dass manche Milchhöfe gar nicht über so viele Tanks verfügen, die nötig wären, um alle Produktionslinien zu trennen.
 
 
Man kontrolliert zwar die Qualität, aber nicht die Herkunft.
Die Freiheitlichen kritisieren gleichzeitig die seit einigen Jahren erfolgte Kontingentierung der Südtiroler Milchkühe?
 
Wir kritisieren nicht die Kontingentierung per se. Südtirols Milchwirtschaft hat sich auch aus Gründen der Nachhaltigkeit mehrheitlich dafür entschieden und man hat unsere Bauern verpflichtet nur so und so viele Großvieheinheiten pro Hektar zu halten. Wer mehr produziert wird von den Milchhöfen bestraft. Zugleich aber werden Millionen von Kilogramm Milch eingekauft, aus Gegenden, wo es eine derart strenge Regelung nicht gibt. Das passt doch nicht zusammen. Die Milchhöfe sollen erklären, warum man diese hohen Importe braucht.
 
Um den Auszahlungspreis für die Südtiroler Bauern hochzuhalten?
 
Man sagt, dass man billige Milch aus dem Ausland zukauft, um die Produktion hochzuhalten und damit auch den eigenen Bauern mehr geben kann, als in anderen Gegenden. Ob das aber wirklich ist das ist, was man sich unter Nachhaltigkeit oder Regionalität vorstellt, das wage ich zu bezweifeln.
 
Der Südtiroler Milchkoloss Bergmilch (Mila + Senni) hat rund 20 Millionen Kilo Überschuss. Wäre es nicht sinnvoller diese Milch an die anderen Milchhöfe zu liefern?
 
Das wäre eine naheliegende Lösung. Man hat es vor Jahren auch versucht. Der damalige Landesrat Hans Berger hatte eine Art Südtiroler Milchpool vorgeschlagen. Weil die Südtiroler Milch teurer ist, als die zugekaufte Tankmilch, hätte das Land auch einiges dazugezahlt. Doch am Ende scheiterte das Modell an den Kirchtürmen der Milchhöfe.
 
Die Milchbauern mit denen ich rede - auch im Südtiroler Landtag -, die scheinen über diese Erkenntnisse nicht überrascht zu sein.
 
Es gibt auch im Südtiroler Landtag Milchbauern. Haben diese Sie noch nicht aufgeklärt, wie das Ganze läuft?
 
(lacht) Die Milchbauern mit denen ich rede - auch im Südtiroler Landtag -, die scheinen über diese Erkenntnisse nicht überrascht zu sein.
 
Man sagt jetzt: Leiter Reber will durch Unterstellungen nur politisches Kapital schlagen. Werden Sie sich davon abschrecken lassen?

Überhaupt nicht. Ich komme selbst aus der Landwirtschaft und mir geht es als Obstbauer gleich. Auch ich will ein Produkt produzieren hinter dem ich stehen kann. Aber auch hinter dem Ablauf und der Weiterverarbeitung meines Produktes. Ich merke aber, dass sich das Südtiroler Genossenschaftswesen, das für Südtirols Landwirtschaft existenziell ist, immer weiter vom Bauern entfernt hat und eigene Dynamiken eingeschlagen hat, die von den einzelnen Mitgliedern oft nicht mehr nachvollziehbar sind. Das betrifft nicht nur die Milchwirtschaft, sondern alle Sektoren.

 

 

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Hartmuth Staffler Thu, 09/23/2021 - 15:39

Laut Werbung kommt die Südtiroler Milch ja nicht von Kühen, sondern von unseren Bergbauern. Da sollte man doch etwas nachsichtiger sein.

Thu, 09/23/2021 - 15:39 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Thu, 09/23/2021 - 17:36

Dass die Milchhöfe in Südtirol mehr Industriebetriebe sind als Genossenschaftsmolkereien war mir schon vorher klar. Sie verarbeiten nicht nur die Südtiroler Milch für den Südtiroler Markt, sondern mischen auf dem Milchprodukte-Markt in Italien stark mit und in einigen Sparten auch international, z. B. Russland. Südkorea, vielleicht auch China.
In Italien haben sie eine starke Position im Jogurtmarkt. So stellen sie Jogurt z.B. für Despar oder für Poli u. a. her, die einen viel größeren Markt haben als Südtirol. Für die müssen sie viel billiger erzeugen, deswegen verwenden sie dafür zugekaufte Billigmilch (vor allem in Sommer, wo mehr Jogurt gegessen wird). Das Gleiche ist z. B. mit der Mozzarella von Brimi oder Mascarpone.
Neu ist für mich die Beschreibung oben, was in der "Industrie"-Molkerei mit der angelieferten Milch alles passiert. Da muss man nun sagen, dass alle Milchprodukte im Grunde Industrieprodukte sind - sogar die Frischmilch und die Frischsahne.

Thu, 09/23/2021 - 17:36 Permalink
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Alois Holzer Sat, 10/02/2021 - 10:19

Nach dem Artikel von Franceschini verstehe ich die Welt nicht mehr. Die Südtiroler milchhöfe haben ihren Mitgliedern die flächengebundene Milchproduktion angedient. Auf gut Deutsch: viele Südtiroler Bauern müssen nun weniger Milch produzieren. Wenn Sie dagegen verstoßen, kriegen sie von ihrem Milchhöfen saftige Strafen, oder werden rausgeschmissen. Gleichzeitig kommt jetzt aber raus, dass "unsere" Milchöfe von außerhalb Südtirol große Milchmengen einkaufen. Von wo kommt diese Milch, umd was ist das für eine Milch? Denn dort gelten die Südtiroler Regeln zur flächengebundenen Milchproduktion nicht. Diese Bauern können also tun und lassen was sie wollen. Und "unsere" Südtiroler Milchhöfe kaufen ihnen dann diese Milch auch noch ab. Und wie nachhaltig ist es die Milch von außerhalb Südtirol anzukarren? Was macht das alles für einen Sinn? Zumal wenn dann Südtiroler Milchhöfe nicht mal das Markenzeichen "Qualität Südtirol" verwenden dürfen. Darauf basiert doch der Erfolg "unserer"Südtiroler Milchhöfe.

Sat, 10/02/2021 - 10:19 Permalink