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Ein letztes touristisches Aufflackern?

In den Fokus der Abschlussveranstaltung zu den Palamentswahlen haben die Grünen das Thema Tourismus gerückt – die Aufmerksamtkeit der Medien war ihnen damit sicher.
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Foto: Salto.bz
„Vor Kurzem haben wir im Landtag das Bettenstopp-Gesetz genehmigt“, erklärte der Landtagsabgeordnete der Grünen, Riccardo dello Sbarba, und fügte gleich hinzu, dass die Bezeichnung wohl falsch gewählt worden sei. Vielmehr als um einen Stopp handle es sich dabei um eine „Betten-Vermehrung“, „zumindest für die kommenden zwei, drei Jahre“. Die Grünen sind sich durchaus der Bedeutung des Tourismus für die Wirtschaft Südtirols bewusst, so dello Sbarba mit Verweis auf die beiden Kandidaten für die Parlamentswahlen. Sechs Vorschläge haben sie auf den Tisch gelegt, wie der Tourismus künftig nachhaltiger gestaltet werden könnte.
 

Touristische Großmacht Südtirol

 

Als Referentin für Tourismus in der Gemeinde Abtei, einer der Hochburgen der touristischen Entwicklung, hat Elide Mussner einen tiefen Einblick in die Materie – sowohl in die positiven Seiten wie auch in die negativen. Der Historiker Hans Heiss wiederum stammt nicht nur aus einer der ältesten und damit traditionsreichsten Hoteliersfamilien, sondern hat sich auf verschiedenen Ebenen mit dem Thema Tourismus auseinandergesetzt, beispielsweise indem er das Konzept für das Landesmuseum „Touriseum“ auf Schloss Trauttmansdorff wesentlich mitgestaltete. „Italien ist mit rund 420 Millionen Nächtigungen im Jahr die fünftstärkste Tourismusdestination weltweit“, so Heiss. Mit immerhin 33,6 Millionen Nächtigungen und einem Anteil von acht Prozent sei Südtirol damit „eine touristische Großmacht“ in Italien. Trotz dieser starken Entwicklung befürchtet der ehemalige Landtagsabgeordnete allerdings einen heftigen Einbruch.
 
Die aktuelle Krise wird eine tiefe Spur im gesamtwirtschaftlichen Gefüge hinterlassen.
 
„Der Tourismus wird nicht mehr so weiterwachsen wie bisher. Die aktuelle Krise wird eine tiefe Spur im gesamtwirtschaftlichen Gefüge hinterlassen“, zeigte sich Heiss überzeugt und betonte, dass die guten Nächtigungszählen im Sommer „ein letztes Aufflackern“ gewesen seien. Einen Appell richtete der Historiker und Politiker an die Tourismusbetriebe, von der gänzlichen Ausschöpfung der erworbenen Rechte – die Tourismustreibenden hätten trotz Bettenstopp die Möglichkeit, noch rund 30.000 Betten zu realisieren – abzusehen. „Wir plädieren für einen Bettenstopp vor dem Bettenstopp“, so Heiss, der weiters eine Kostenwahrheit für den Tourismus forderte. „Wir wollen wissen, welche sozialen und ökologischen Kosten der Tourismus verursacht.“ Die Eurac und die Freie Universität Bozen seien gefordert, in dieser Hinsicht Transparenz zu schaffen. Weiters fordern die Grünen eine systematische Klimazertifizierung der Tourismusbetriebe. In der Folge sollen Möglichkeiten und Methoden erarbeitet werden, um den CO2-Ausstoß zu senken.
 
 

 

Wenn alte Herren entscheiden

 

„Der Tourismus ist jener Sektor, der das tägliche Leben der Bürger und Bürgerinnen in diesem Land wohl am meisten beeinflusst“, erklärte Elide Mussner. Insbesondere für die Mobilität seien die Auswirkungen zu spürbar. Die Tourismusbetriebe seien deshalb gefordert, sich hier proaktiv einzubringen. „Der Tourismus ist nicht der einzige Verursacher der Mobilitätskrise, aber einer der größten“, so Mussner und erklärte, dass sich laut einer Studie der IDM nur sieben Prozent der Gäste für eine Anreise mit der Bahn entscheiden, 90 Prozent hingegen für das Auto. Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken, sei die Erhöhung der Tourismus-Steuer.
 
Eine kleine Lobby älterer Herren hat sich an einen Tisch gesetzt und entschieden.
 
Eine weiterer Vorschlag der Grünen gilt den touristisch schwach entwickelten Gebieten in Südtirol, die zu touristischen Ruhezonen werden sollen. „Wir sollten einen Schritt zurück tun und uns überlegen, ob nicht genau diese schwach entwickelten Gebiete sich in Zukunft als Vorteil herausstellen könnten. Wollen wir überall Massen-Tourismus haben oder auch nachhaltige Destinationen?“, so die Gemeindereferentin von Abtei, die weiters eine stärkere Einbindung der Bevölkerung in Entscheidungen hinsichtlich von Großveranstaltungen fordert. Als Negativbeispiel nannte Mussner die Ausstragung eines Wintersport-Events in Gröden. „Eine kleine Lobby älterer Herren hat sich an einen Tisch gesetzt und entschieden, dass in Gröden eine Ski-WM ausgetragen werden soll. Die Bevölkerung wurde nicht gefragt, ihr wird das Recht abgesprochen, an den Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden – das muss sich ändern.“ Mit Verweis auf das Landestourismusentwicklungskonzept erklärte Mussner, dass ein Tourismus, der nicht auf die Unterstützung der Bevölkerung bauen könne, keine Zukunft habe.