Politics | Im Gespräch

Rosa Franzelin: "Grobe Fehler im Urbanstikgesetz"

Rosa Franzelin war über Jahrzehnte die Grand Dame der Südtiroler Wohnbaupolitik. Als Landtagsabgeordnete und Präsidentin des Wohnbauinstituts prägte sie den Sozialen Wohnbau im Land entscheidend mit. "Einiges läuft falsch in Südtirol", sagt Franzelin im salto.bz Interview.
  • Frau Franzelin welche Fehlentwicklung gab es in Südtirol in den letzten Jahren in der Wohnbaupolitik?

Ich möchte nicht von Fehlentwicklung sprechen. Angesichts der Baukrise wäre es wichtig, dass der Bau der Erstwohnung ohne Einkommenshöchstgrenze verstärkt gefördert wird. Es ist besser Arbeit zu fördern, als Arbeitslosengeld zu bezahlen. Zudem braucht es mehr Rechtssicherheit und längerfristige Planung.

  • Letzthin sind Änderungen im Urbanistikgesetz und im Wohnbaugesetz in Kraft getreten. Sie bedauern eine Verschlechterung für den „Häuslebauer“?

Mit dem Urbanistikgesetz welches am 5. Oktober 2013 in Kraft trat, wurde die Befreiung der Baukostenabgabe für die Erstwohnung gestrichen. Das ist ein grober Fehler und es wurde der Bevölkerung auch nicht mitgeteilt, bzw. diese Information wurde nie gegeben. Das fällt dem Einzelnen erst auf, wenn er selbst betroffen ist.

  • Was heißt das konkret?

Wenn jemand auf dem freien Bauland eine 110 m² Wohnung baut, dann müssen in Zukunft 15 Prozent der amtlichen Baukosten als Baukostenabgabe der Gemeinde bezahlt werden. Das sind zur Zeit 25.000.- €. Für die Landwirtschaft sind nur drei Prozent geschuldet (5.000.- €), wobei es in diesen Fällen eine Wahl gibt. Nämlich entweder zahlen oder konventionieren. Nicht so beim Bau auf dem geförderten Grund. Dort sieht das neue Urbanistikgesetz im Art. 37 versteckt unter der Überschrift:„Durchführungspläne für die Erweiterungszonen“ im Absatz 3 folgendes vor: „Die Wohnungen die auf Flächen für den geförderten Wohnbau errichtet werden sind im Sinne von Art. 79 zu konventionieren….“ D.h. es wird eine ewige Bindung verfügt. Dabei wurde im gleichen Gesetz die 20 jährige Bindung für die Gewerbegebiete gänzlich gestrichen.

  • Und der nächste Kritikpunkt?

Da bisher auf geförderten Grund bereits für 30 Jahre eine Sozialbindung im Grundbuch anzumerken ist, welche vorsieht, dass diese Wohnung vom Eigentümer selbst 30 Jahre ständig und regelmäßig zu bewohnen ist, muss jetzt mit der Konventionierung laut Art. 79 zusätzlich die Verpflichtung eingegangen werden, diese Wohnungen an Einheimische zu verkaufen oder zu vermieten. Das heißt, derjenige der die Wohnung bewohnt, darf ewig nicht Besitzer einer anderen geeigneten Wohnung sein.

Mit dem Urbanistikgesetz welches am 5. Oktober 2013 in Kraft trat, wurde die Befreiung der Baukostenabgabe für die Erstwohnung gestrichen. Das ist ein grober Fehler und es wurde der Bevölkerung auch nicht mitgeteilt, bzw. diese Information wurde nie gegeben. Das fällt dem Einzelnen erst auf, wenn er selbst betroffen ist.

  • Ein Unsinn, ein Widerspruch also.

Ja, denn das Wohnbaugesetz sieht schon seit Jahren vor, dass auf dem geförderten Grund jemand nach fünf Jahren auch eine weitere Wohnung errichten könnte. Ebenso ist im Art. 27 des Urbanistikgesetzes ausdrücklich festgeschrieben, dass die Konventionierung auf gefördertem Grund ausgenommen ist. Das alles widerspricht sich und verhindert, dass jemand auch in späteren Jahren seine Ersparnisse zum Ankauf einer Wohnung, auch zur Vermietung z.B. als Altersvorsorge investiert. Diese Bestimmungen sind alles andere als für das Baugewerbe förderlich. Dabei wäre es gerade derzeit wichtig, dass zusätzlich Wohnungen auf dem privaten Markt zur Vermietung angeboten würden.

  • Bauen wird nicht gefördert, sondern politisch verhindert?

Die vorgesehene Konventonierung laut Art. 79 für ewige Zeiten muss dringend überdacht werden. Eine 20 jährige allgemeine Bindung wie sie ursprünglich gegen den Ausverkauf der Heimat im Jahre 1978 unter Landesrat Dr. Alfons Benedikter eingeführt wurde müsste vollauf genügen.

  • Eine Strafe für wen?

Mit der derzeit vorgesehenen Konventionierung straft man nur die Südtiroler, weil diese keine geeignete Wohnung haben dürfen, die vom Arbeitsplatz leicht erreichbar ist.  Wer außerhalb Südtirol oder weiter weg eine Wohnung besitzt oder erwirbt, darf das.
Bei der ursprünglichen 20 jährigen Konventionierung war auch vorgesehen, dass wenn der Eigentümer eine andere geeignete Wohnung hat, er trotzdem die konventionierte Wohnung bewohnen kann, wenn er die andere vermietet. Diese Bestimmung wurde aber im Laufe der Jahre gestrichen.

Mit der derzeit vorgesehenen Konventionierung straft man nur die Südtiroler, weil diese keine geeignete Wohnung haben dürfen, die vom Arbeitsplatz leicht erreichbar ist.  Wer außerhalb Südtirol oder weiter weg eine Wohnung besitzt oder erwirbt, darf das.

  • Schwer den Überblick zu bewahren. Hat nicht selbst die Politik den Überblick über die bestehenden Gesetze und deren Auswirkungen verloren?

Ja, das kann man wohl sagen!

  • Sind allein die Mietbeiträge schuld daran, dass die Wohnungspreise in Südtirol so hoch sind?

Sicher nicht. Die Mietbeiträge sind seit Anfang dieses Jahres durch die Zusammenlegung mit der finanziellen Grundfürsorge eher gekürzt worden und es wird verstärkt um Sozialwohnungen beim Wohnbauinstitut angesucht. Die hohen Mieten ergeben sich, weil in Südtirol die Baukosten so hoch sind und es zu wenig gute Wohnungen auf dem Mietwohnungsmarkt gibt.

  • Während ihrer Amtszeit konnten zirka 6.000 Wohnungen zwischen Neu– und Altbauwohnungen an neue Mieter übergeben werden. Dabei wurde speziell darauf geachtet, bedürftigen Familien, älteren Menschen und Personen mit besonderen sozialen Problemen ein gutes Zuhause zu ermöglichen. Wer müsste heute, 2013 dringend unterstützt werden?

Ich sehe es so: Es soll die Erstwohnung gefördert werden und nicht die Person. Der Wirtschaft werden auch Investitionsbeiträge gegeben ohne, dass das Einkommen des Unternehmers bewertet wird. Wenn wir den so genannten Mittelstand hernehmen, welcher laut Steuerklärung ein etwas höheres Einkommen hat, aber viel Steuern bezahlen muss und bei allen Förderungen durchfällt, so muss der wieder stärker in den Fokus rücken. Ohne Berücksichtigung des Einkommens soll ein einmaliger Beitrag von z.B. 50.000.- € zur Realisierung der Erstwohnung gewährt werden.

Wenn wir den so genannten Mittelstand hernehmen, welcher laut Steuerklärung ein etwas höheres Einkommen hat, aber viel Steuern bezahlen muss und bei allen Förderungen durchfällt, so muss der wieder stärker in den Fokus rücken.

  • Ein klares Signal an die Bürger, bitte baut!

Natürlich, es muss zum Erwerb der Erstwohnung animiert werden. Leute, die heute in einer Mietwohnung wohnen aber vielleicht noch Ersparnisse haben und auch in der Lage wären unter zu Hilfenahme einer Wohnbauförderung zu einem Eigenheim zu kommen, denen muss geholfen werden.

  • Wohnbauförderung ist für Sie ein Signal in viele Richtungen.

Das ist Wirtschaftsförderung mit einem hohen Multiplikatoreffekt und zudem Deckung des Wohnungsbedarfs. Die freiwerdenden Wohnungen können an jene vermietet werden, die sich keine Eigentumswohnung leisten können. Durch eine solche Maßnahme würden einmal auch jene belohnt, welche viel Steuern bezahlt haben, die krisengeschüttelte Bauwirtschaft würde angekurbelt, neue Arbeiter eingestellt welche wiederum Steuern zahlen und nicht das Arbeitslosengeld beanspruchen müssen. Eine Eigentumswohnung ist Vermögensbildung in Arbeiterhand.

  • Werden für den Wohnbau zu wenig Gelder vorgesehen?

Vom Landeshaushalt gehen derzeit laut einem Zeitungsartikel 0,3 Prozent in die Wohnbauförderung. Kein Wunder, dass sich junge Menschen nicht mehr bauen trauen. Wie sollen sie das stemmen?

  • Sie beraten nach wie vor BürgerInnen in ihren persönlichen Belangen. Warum tun Sie das?

Wenn sich ab und zu noch Personen mit ihren Problemen an mich wenden, dann versuche ich im Rahmen des Möglichen ihnen eine Auskunft zu geben oder sage ihnen zumindest wohin sie sich wenden können.

  • Arno Kompatscher wird’s richten?

Ich sehe ihn als sehr fähig und setze große Hoffnung in ihn, dass er dem Bereich des sozialen und geförderten Wohnbaus ein besonderes Augenmerk schenkt. Es muss das ganze Gesetz angesehen, entbürokratisiert und vereinfacht werden.Dann braucht es ein durchgängiges, den heutigen Bedürfnissen entsprechendes System der Förderung. Das Wohnungsproblem in Südtirol muss angegangen werden.

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Riccardo Dello… Fri, 10/25/2013 - 15:19

Rosa Franzelin ha perfettamente ragione. La ricordo sulla tribuna del pubblico a seguire interdetta il dibattito sulla legge urbanistica. La legge che doveva semplificare e rendere trasparenti le norme è diventata invece un guazzabuglio in cui neppure i tecnici provinciali capiscono più nulla. Io ho provato sia in commissione che in aula a eliminare le contraddizioni più gravi, ma non c'è stato nulla da fare: troppo complicato, l'opinione pubblica era distratta, quella pubblicata era confusa e i consiglieri e consigliere troppo occupati/e a preparare la campagna elettorale.

Fri, 10/25/2013 - 15:19 Permalink