Culture | Kommentar

Kultur der Angst

Südtirol hat gewählt. Und wie. Warum die Wahl aber auch aufzeigt, dass es hierzulande an Kultur und rücksichtsvoller Gesprächskultur mangelt. Ein Wunsch.
PK
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  • Giuliano Vettorato, Daniel Alfreider und Philipp Achammer. In ihren Händen oblag in den vergangenen fünf Jahren – aufgeteilt nach Sprachgruppen –, die Verantwortung zur Kultur des Landes. Alle drei Kandidaten waren aber nicht wirklich imstande, über die wichtige Säule der Autonomie einen Nutzen für ihr persönliches Wahlergebnis zu ziehen. Aus dem Kultur-Blickwinkel ist das Ergebnis der drei Herren – auch wenn sie den Südtiroler Kulturreichtum stets himmelhochjauchzend gepriesen haben – ein Armutszeugnis. Auf Stimmenfang bei jungen Wähler*innen sorgte Achammer mit einem verzweifelten Aufruf nach einem Techno-Club für Südtirol kurz vor den Wahlen für Kopfschüttelei. Etwas geschickter stellte sich hingegen (auch) Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider mit einem medial gut getimten Wahlversprechen ins Last-Minute-Rampenlicht. Fast genau drei Jahre nach der letzten Fahrt der Bahn Bozen-Jenesien meldete sich der Landesrat für ladinische Kulturbelange zu Wort und versprach rasches Handeln. In Jenesien, wo obendrein 2023 am schnellsten ausgezählt wurde, konnte Alfreider demnach auch als einziger SVP-Kandidat (im Vergleich zu der vorhergehenden Landtagswahl) ein Plus verzeichnen. Die lancierte Meldung zum Abbruch der alten Bahn erinnerte an eine politische Un-Kultur kurzfristiger Wahlversprechen und viele ältere Wählerinnen und Wähler an das sagenumwobene Vaja-Loch in den 1970er Jahren. Damals hatte der SVP-Kandidat Karl Vaja im Zuge einer nicht mehr enden wollenden Diskussion zur neue Straße nach Jenesien die Bagger auffahren lassen. Wenige Tage vor der Wahl besorgten diese im Wald ein Baggerloch, um der Bevölkerung zu signalisieren, dass es die Politik mit dem Bau der Straße ernst meine. Kurz nach der Wahl waren die Bagger dann wieder verschwunden. Das Loch blieb. Bis zum Bau der Straße einige Jahre später. Nun bleibt abzuwarten, was mit der Bahnverbindung Bozen-Jenesien passieren wird. 
    Giuliano Vettorato, der dritte lokale Kulturminister, ist ohne Zweifel der größte Verlierer der drei Kulturlandesräte. Ihm – aber auch seinen Lega-Kollegen Massimo Bessone und der Lega-Kollegin Rita Mattei – gelang trotz federführendem Mitregieren in den vergangenen fünf Jahren ein beispielloser Sprung ins Abseits, bzw. ins Aus. 
     

    In Wahrheit steht es aber schlecht um die Freiheit, wenn sie von Menschen propagiert wird, die vor allem eine Politik der Ausgrenzung betreiben und nichts anderes, als eine Kultur der Angst salonfähig machen. 


    Wer in der kommenden Legislaturperiode an die drei (nach Sprachgruppen getrennten) Ruder in Sachen Kultur gelangen wird? Vielleicht sollten sich jene Herren und Damen dick hinter die Ohren schreiben, was die Politik schon längst (und die Kultur zum Glück noch nicht gänzlich) verloren hat: Niveau! 
    Auch wenn eine Kultur des Miteinander hierzulande fast durchwegs auf Tauchstation zu sein scheint, eine volksdümmliche Scheinkultur in traditionellen Bahnen opportun nach hinten drängt, verzeichnen rechte Parteien, nach Freiheit schreiend, enorme Stimmenzuwächse. In Wahrheit steht es aber schlecht um die Freiheit, wenn sie von Menschen propagiert wird, die durch ihr Tun vor allem eine Politik der Ausgrenzung betreiben und nichts anderes, als eine Kultur der Angst salonfähig machen. Vielleicht können die zukünftig verantwortlichen Landesräte für Kultur auf ihrer kleinen und wichtigen politischen Lokalebene auch dieses besorgniserregende Kulturphänomen angehen. Gemeinsam und angstfrei. 

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Katharina Hersel Mon, 10/23/2023 - 19:06

Der Satz ist zum Einrahmen 🤗Bravo Martin Hanni!
“In Wahrheit steht es aber schlecht um die Freiheit, wenn sie von Menschen propagiert wird, die durch ihr Tun vor allem eine Politik der Ausgrenzung betreiben und nichts anderes, als eine Kultur der Angst salonfähig machen.”

Mon, 10/23/2023 - 19:06 Permalink
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Salto User
Milo Tschurtsch Mon, 10/23/2023 - 20:10

Also bei einer Kultur der Angst und einer Politik der Ausgrenzung fallen mir spontan jene Kräfte ein, die in den nahezu drei Coronajahren am Ruder waren. Und da ging es um ganz Substantielles wie um Verfassung und Bürgerrechte und um den Ausschluss eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung vom sozialen Leben.

Mon, 10/23/2023 - 20:10 Permalink
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Arne Saknussemm Tue, 10/24/2023 - 07:58

Daß es in Südtirol an Kultur mangelt, ist zweifelsohne richtig. Vor allem an literarischer Kultur und ergo Pflege eines guten Sprachstils, wie man an diesem Beitrag gut erkennen kann!

Tue, 10/24/2023 - 07:58 Permalink
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Erich Daniel Tue, 10/24/2023 - 09:26

Auf welches Niveau sind Parteien und ihre Wähler gesunken, wenn es genügt, mit ein paar markigen Sprüchen gegen Ausländer und Wölfe Wahlen zu gewinnen?

Tue, 10/24/2023 - 09:26 Permalink
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Urban Von Kleb… Tue, 10/24/2023 - 14:29

Salonfähig gemacht bzw. ständig angefacht wird die Kultur der Angst besonders von denen, die tagein tagaus jede Gewalttat in großen Lettern auf die Titelseite knallen und so den rechten Verunsicheruns-Trittbrettfahrern eine „gmahnte Wiesn“ servieren…

Tue, 10/24/2023 - 14:29 Permalink