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Rezepte mittels grafischer Konzepte

Mit dem Rezeptbuch „Marklhof Bellavista“ haben Alexander Egger und Marion Oberhofer ein ungewöhnliches Kochbuch gestaltet. Als dokumentarisches Kunstmenü.
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Foto: Foto: Alexander Egger

Ein Rezeptbuch, komponiert wie ein Gericht. Bilder als Zutaten, die in immer wieder neuen Anordnungen und Konstellationen mäandernd Einblicke in das Leben am Marklhof (Schreckbichl/Eppan) freilegen. Marion Oberhofer und Alexander Egger haben Überlagerungen von Erinnerungen und Zitaten, nicht dokumentarisch-präzise, sondern offen, sinnlich und assoziativ, zusammengefügt. Zu Beginn des Buches steht ein Gespräch der Herausgerberin mit ihrem Vater Andreas Oberhofer, Mitinhaber des legendären Gastbetriebes. 

 

Wie erinnerst du die Anfänge?
Andreas Oberhofer:
1960, als ich 13 Jahre alt war, sind wir mit der gesamten Familie vom Würstelhof in St. Jakob, den meine Mutter 20 Jahre lang geführt hatte, in den Marklhof übersiedelt. Meine Mutter hatte die Ausschreibung der Neustifter Chorherren gewonnen. Gleich nach dem Umzug hat mein Vater Bäume und Hecken gepflanzt und einen Garten angelegt, während der Ansitz zur Pension umgebaut wurde. Die Zimmer waren sehr einfach – es gab ein Bad pro Stockwerk. Bei der Eröffnung am 1. Juni 1960 haben wir vier Brüder – Hubert, der später den Girlanerhof führte, Heinrich, Josef und ich – weiße Schürzen umgebunden bekommen und mussten mithelfen.

Silvius Manago hat meist Milzschnittensuppe und gebackenes Hirn gegessen.

Auch Ida Nussbaumer, unsere Kusine, war von Beginn an dabei und hat über 40 Jahre im Marklhof bedient. Gekocht hat anfangs unsere Mutter, zusammen mit zwei Kochgehilfinnen. Die Küchenbrigade ist schnell gewachsen und bestand zuerst nur aus Frauen. Der Marklhof war damals ein beliebtes Ausflugsziel und so kamen neben den Pensionsgästen auch viele Gäste aus Bozen. An einem Samstagnachmittag habe ich oft zehn Strudel und fünf Haselnusstorten gemacht. Auf der ersten Speisekarte hatten wir 14 verschiedene Schnitzel und viele Innereien wie Niere oder Leber, die damals sehr beliebt waren. Zu speziellen Anlässen gab es auch mal eine Seezunge oder Lachs. Auch viele Landtagsabgeordnete aus Bozen und Trient haben sich im Marklhof getroffen und mit Vorliebe Forelle Blau oder Müllerin Art gegessen. Silvius Manago hat meist Milzschnittensuppe und gebackenes Hirn gegessen.

Der Kampf um die Südtiroler Autonomie erreichte mit den Sprengstoffanschlägen in der „Feuernacht“ 1961 einen gewaltsamen Höhepunkt. Wie habt ihr diese Nacht erlebt?
Um 2 Uhr morgens war der Himmel plötzlich hell erleuchtet. Unweit vom Haus, bei Oberhof, wurden zwei große Hochspannungsmasten gesprengt und sind übereinander auf die Pergeln gestürzt. Der Marklhof war voll mit deutschen Pensionsgästen, die alle am nächsten Tag abgereist sind. Aber bereits nach zwei Wochen war das Haus mit italienischen Arbeitern besetzt, die die Strommasten wieder aufbauten. Geschäftlich hatten wir also keine Einbußen, aber natürlich kamen Polizei und Carabinieri, wir wurden verhört und die Waffen im Haus wurden eingezogen. Wir hatten damals schon auch Angst, aber meine Mutter hatte bei den italienischen Behörden ein gutes Leumundszeugnis. Wir sind in Leifers sozusagen dreisprachig aufgewachsen – sprachen deutsch, italienisch und leifererisch.

Wann hast du deine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt und wo hast du es gelernt?
Meine Kochlehre habe ich 1962 im Hotel Laurin in Wolkenstein begonnen. Der Chefkoch dort war ein ausgezeichneter Patissier. Auch der spätere Küchenchef im Marklhof, Thomas Stolzlechner, war ein wichtiger Lehrmeister. Er hat mir die Grundlagen des Kochens vermittelt, vor allem wie man gute Saucen zubereitet. Als wir den Marklhof eröffnet haben, gab es in der Gegend vielleicht vier oder fünf Gasthäuser. Die Küche war überall typisch regional. Eierbandnudeln mit braunen Fisolen und fein geschnittenem Selchfleisch war ein klassisches Gericht, welches die Frauen der Girlaner Weinbauern häufig zur Zeit der Weinlese gekocht haben. Wir haben im Herbst auch getörggelt, es gab Selchkarree und Hauswurst mit Kraut. Mein Vater hat das alles selbst gemacht. Von ihm habe ich gelernt, wie man Schinken, Speck und Wurst herstellt.

Diese Rezepte im Buch hat er mir vererbt, ich habe sie im Laufe der Jahre nur ein wenig verfeinert. Wir hielten selbst Schweine, die wir im Spätherbst oder vor Weihnachten schlachteten. Zu Ostern haben wir den berühmten Südtiroler Osterschinken mit Apfel-Sahne-Kren gemacht. Ich habe meinem Vater bei dieser Arbeit gern geholfen. Das Räuchern und Wursten ist immer noch eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ich habe auch sehr viel von den Metzgern aus dem Dorf gelernt, bei denen ich einen guten Teil meiner Freizeit verbrachte.

Was die internationale Küche angeht, habe ich mir das meiste als Autodidakt beigebracht. Ich habe deutsche, vor allem aber italienische Kochbücher gelesen und viel ausprobiert. Ein Buch, das mich zu Beginn sehr geprägt hat, war „La buona e vera cucina italiana“ von Carnacina Veronelli. Ich habe früh begonnen, die verschiedenen Kochstile, die regionale und die italienische Küche, zu verbinden. So hat sich zum Beispiel auch mein Rezept für das Stockfischgröstl entwickelt. Einige Gewürze, zum Beispiel der Zimt, stammen aus einem Rezept für „Baccalà alla vicentina“. Ich war immer schon ein großer Bewunderer der venezianischen Küche.

Giorgio Moroder war auch öfter mit seiner Mutter zu Gast.

Eine Symbiose aus italienischer und österreichisch–ungarischer Küchentradition hingegen ist die Würzmischung für das weitum bekannte Tatar. Wie mein Bruder Heinrich die Zubereitung des Tatars zelebriert hat, war einmalig. Viele Gäste haben es wohl allein deshalb bestellt, um zu sehen, wie er es anrichtet.

Und die Prominenz im Marklhof?
Besonders aufgeregt war ich, als die Starköche Eckart Witzigmann und Alfons Schuhbeck bei uns zum Essen waren. Ich habe mich aber ganz gut geschlagen, denke ich. Ein persönlicher Höhepunkt war, als Reinhold Messner, nachdem er alle 14 Achttausender bestiegen hatte, mit Familie und Verleger im Marklhof gefeiert hat. Als Dessert gab es Salzburger Nockerln. Wir haben für den Anlass 14 Nocken aufgetürmt. Das hat ihm sehr gefallen. Er ist in die Küche gekommen und hat mir ein Buch signiert. Giorgio Moroder war auch öfter mit seiner Mutter zu Gast. Wie viele haben sie die Spaziergänge durch die umliegenden Weingüter und die schöne Aussicht genossen.

[...] Auszüge aus dem im Rezeptbuch „Marklhof Bellavista“ abgedruckten Gespräch zwischen Marion und Andreas Oberhofer.