Society | Affäre Kuhn

Ein unmoralisches Angebot

Hans Peter Haselsteiner will dem Tiroler Blogger Markus Wilhelm einen Maulkorb umhängen. Die Chronik eines absurden Versuchs aus einer Niederlage einen Sieg zu machen.
Haselsteiner, Hans Peter
Foto: Youtube
In einem Gerichtsverfahren treten meistens zwei Parteien gegeneinander an. Am Ende steht ein Urteil, aus dem einer als Sieger und der andere als Verlierer hervorgeht. Normalerweise ist es der Sieger, der dann dem Prozessverlierer gewisse Bedingungen stellen kann.
Dass es aber nicht immer so ist, zeigt sich jetzt im Gerichtsfall zu den Festspielen Erl, besser bekannt als Affäre um Gustav Kuhn.
 

Das Verfahren

 
Der Tiroler Blogger und Aufdecker Markus Wilhelm 2018 veröffentlicht auf seiner Online-Plattform „die tiwag.org“ 2018 eine Reihe von Enthüllungen über die Festspiele Erl und deren Leiter den Dirigenten Gustav Kuhn. Kuhn hatte bis 2012 zehn Jahre lang das Bozner Haydnorchester geleitet.
In Wilhelms äußerst gut recherchierte Artikel werden unzählige Missstände bei den Erler Festspielen nachgezeichnet. Die Festspiele Erl sind ein Prestigeobjekt des Strabag-Chefs, Wahlbozners und Kuhn-Freundes Hans Peter Haselsteiner. Wilhelm schreibt über Lohndumping, Abgabenhinterziehung und die Verletzung arbeitsrechtlicher Standards bei den Festspielen.
 
 
 
Das Duo Haselsteiner/Kuhn überhäufte Markus Wilhelm daraufhin mit Klagen. Den Großteil davon gewinnt der Tiroler Blogger. Anfang Dezember 2021 fällt am Landesgericht Innsbruck die vorerst letzte Entscheidung. Das Gericht weist die Klage der „Erl Betriebs GmbH“ endgültig ab. Der Hauptgrund: Wilhelms Recherchen und Vorwürfe waren zutreffend.
So musste das Erler Kulturunternehmen inzwischen mehrere behördlich verfügte Nach- und Strafzahlungen leisten. Laut der Abschlussbilanz für das Geschäftsjahr 2019/20 beliefen sich diese Nach- und Strafzahlungen auf über eine Million Euro. Zudem muss das Erler Festspielunternehmen Markus Wilhelm laut Urteil 26.000 Euro an entstandenen Prozesskosten ersetzt.
 

Die Rolle der Politik

 
Die Klägerin, die  „Tiroler Festspiele Erl Betriebsges. m.b.H.“ gehört mehrheitlich dem Land Tirol. Nach mehreren Umstrukturierungen wurde als Träger 2017 die „Tiroler Festspiele Erl - Gemeinnützige Privatstiftung“ gegründet. Die Stifter und Teilhaber sind das Land Tirol mit 52 %, die Haselsteiner Familien-Privatstiftung, die Strabag SE und der Verein Tiroler Festspiele Erl mit jeweils 16 %. Seit vielen Jahren sitzt die Nordtiroler Kulturlandesrätin Beate Palfrader auch im Stiftungsvorstand.
 
 
Vor diesem Hintergrund hat die gesamte Affäre von Anfang an auch eine politische Konnotation. Die Landespolitik hat im Fall Kuhn lange weggeschaut. Das Aufdecken der Affäre hat Landeshauptmann Günther Platter & Co in arge Verlegenheit gebracht.
Deshalb ging man ursprünglich davon aus, man nach der Niederlage vor dem Landesgerichts Innsbruck das Kapitel still und leise abschließen würde. Die Signale aus der Landespolitik waren eindeutig: Man werde nicht gegen das Urteil berufen.
 

Keine Berichterstattung

 
Am 16. Dezember 2021 erhielt der Anwalt von Markus Wilhelm, Markus Orgler, E-Mail-Post von der Wiener Anwaltskanzlei, die den Unternehmer Hans Peter Haselsteiner und die Tiroler Festspiele Erl GmbH vertritt.
 
 
Laut der Haselsteiner-Anwältin biete das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichtes Innsbruck „umfassende Anfechtungsgründe“. Deshalb biete man einen Vergleich an.
Was dann folgt ist ein im wahrsten Sinne unmoralisches Angebot.
 
„Meine Mandantschaft wäre bereit, von einer Berufung abzusehen und dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen zu lassen, wenn Ihr Klient sich verpflichtet, in Hinkunft auf jegliche Berichterstattung über meine Mandantschaft und über die von ihr veranstalteten Festspiele zu verzichten“.
 
Das Angebot gelte bis zum 21. Dezember 2021, 9 Uhr.
Deutlicher und klarer kann man den Versuch einem Journalisten einen Maulkorb umzuhängen wohl kaum artikulieren. Was dabei besonders absurd ist: Das Angebot stammt vom Prozessverlierer.
 
Meine Mandantschaft wäre bereit, von einer Berufung abzusehen, wenn Ihr Klient sich verpflichtet, in Hinkunft auf jegliche Berichterstattung über meine Mandantschaft und über die von ihr veranstalteten Festspiele zu verzichten“.
 
Markus Wilhelm hat die Frist verstreichen lassen und er denkt nicht daran, das unmoralische Angebot anzunehmen. „Meines Erachtens hat ein Prozessverlierer nicht unbedingt das Recht, von sich aus Forderungen zu stellen“, sagt er zu Salto.bz.
Um diese Berufung durchzusetzen, braucht Hans Peter Haselsteiner aber die Zustimmung des Landes Tirol. Kulturlandesrätin Beate Palfrader dürfte bereits umgefallen sein.
Damit wird deutlich, wer in Erl das alleinige Sagen hat“, kommentiert Markus Wilhelm diese Entwicklung.

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