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Politics | Neue Atomkraftwerke

Die nukleare Illusion

Mit der Ende Jänner 2025 erwarteten Entscheidung für den Bau einiger SMR (kleine Kernkraftwerksmodule) schlägt die Regierung Meloni wider besseren Wissens einen kostspieligen Irrweg ein.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Kernkraftwerk von Leibstadt in der Schweiz
Foto: WIKIPEDIA Autor: Verpacker
  • Der Grund für diesen Irrtum ist vor allem ein wirtschaftlicher. Die Rückkehr zur Stromerzeugung durch AKWs würde den Strom verteuern und die Energiewende verzögern. Wie aus dem soeben vorgestellten “Report sui costi del nucleare” der NRO 100% Rinnovabili Network hervorgeht, wären die SMR sogar noch kostspieliger als traditionelle AKWs. Nicht zufällig sind SMR in den USA aus Kostengründen wieder eingestellt worden. Bei dieser Wirtschaftlichkeitsrechnung müssen sämtliche Kosten einbezogen werden einschließlich Rückbau der Werke, Entseuchung der Böden, Endlagerung des Atommülls, der für Jahrtausende radioaktiv bleibt.

    Dies bestätigt  auch der renommierte World Energy Outlook 2024 der Internationalen Energieagentur. Trägt man sämtliche Kosten eines AKWs über den gesamten Lebenszyklus zusammen, ergibt dies pro MWh an Leistung 170 USD für den Atomstrom, 50 USD für Strom aus Photovoltaik, 60 USD für Windkraftstrom an Land und 70 USD für Windkraftstrom auf See. Betrachtet man die zukünftige Entwicklung der Stromkosten aus den wichtigsten Quellen (Atom, Kohle, Gas, Solar, Wind onshore, Wind offshore), ergibt sich dasselbe Bild. Zwar nehmen die Kosten beim Atomstrom bis 2050 etwas ab, doch der Solarstrom kostet dann immer noch nur ein Fünftel des Atomstroms pro MWh.

    “Die Rückkehr zur Atomkraft in Italien ist ein Irrweg, der zudem auch das Ergebnis von zwei Volksabstimmungen übergeht. Statt den Ausbau der Erneuerbaren Energie zu beschleunigen, um die volle Dekarbonisierung der Stromerzeugung zu gewährleisten, sieht der neue nationale Klimaplan PNIEC die Rückkehr zur Kernkraft in Form der Small Modular Reactors SMR und Advanced Modular Reactors sowie von Mikroreaktoren vor,” schreibt 100% Rinnovabili Network. Die Rückkehr zur Kernkraft würde laut dieser NRO Italien teuer zu stehen kommen und zwar aus folgenden Gründen:

    • Die Illusion der kleinen AKWs. Der Strom aus SMR, die in Italien gebaut werden sollen, wird teurer als jener de großen AKWs. Dies geht aus dem “World Nuclear Industry – Status Report 2024 des Mycle Schneider Consulting Project (Paris, September 2024) hervor.
    • Die Kosten der Atommülllagerung für alle AKWs in Europa liegt laut dem World Energy Outlook 2024 in der Größenordnung von 422-566 Mrd. Euro, wobei der Rückbau der Kraftwerke noch gar nicht eingerechnet ist. Bisher gibt es in ganz Europa erst ein Endlager, nämlich in Finnland.
    • Das Finanzloch der französischen Atomindustrie. Oft wird der in Frankreich erzeugte Atomstrom als Vorbild genannt – zu Unrecht. Der französische Stromkoloss EDF war 2023 so stark verschuldet, dass er mit 9 Mrd. Euro Steuergeld verstaatlicht werden musste.
    • Der Höhenflug der Erneuerbaren Energie. Italien kann wie die allermeisten Länder Europas seinen Strombedarf zu 100% aus erneuerbaren Quellen decken (Wasserkraft, Wind, Solar, Geothermie, Biomasse). Auch die Grundlast und die Überbrückung der Dunkelflauten kann mit neuen Speichertechnologien abgedeckt werden (Batterien, hydraulische und thermische Speicher, Druckluft und grüner Wasserstoff). Trotz höherer Kosten durch Aufbau der Speicherkapazitäten wird Strom aus erneuerbaren Quellen weit billiger sein als Atomstrom, ganz gleich ob aus SMR oder herkömmlichen AKWs. 

    Mit der Entscheidung zur Rückkehr zur Kernkraft verschwendet Italien Geld, Zeit und Ressourcen. Wie auch bei Verkehrsinfrastrukturen (13,5 Mrd. teure Monsterbrücke nach Sizilien, Autobahnausbau, Subventionierung des Flugverkehrs usw.) und in der Industriepolitik (Milliarden für marode Stahlwerke) wird Italien für gefährlichen und teuren Atomstrom Milliarden Euro in den Sand setzen, die für die Erneuerbare Energie und die Gebäudesanierung dringend gebraucht würden. Schade.

    Mehr dazu und kurz gefasst auf: Terra X

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Salto User
nobody Fri, 01/24/2025 - 21:11

Ein weiterer Meilenstein der Fehlinvestitionen (Bobbahn, Messinabrücke, ...). Bleibt zu hoffen, dass es eine ehrenwerte Baufirma vom Süden bekommt, dann bleibt es bei den Fundamenten. Der Ziehvater der Brüder hat allerdings diesen Verein nach USA exportiert (immerhin).

Fri, 01/24/2025 - 21:11 Permalink
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Josef Fulterer Fri, 01/24/2025 - 21:15

Atom-Kraft-Werke, auch die neueste Generation, die in Fabriken hergestellt + zu den Standorten ausgeliefert werden, haben noch immer das Risiko von Menschlichem-Versagen, Havarien, Sabotage + heizen ihrer Kondensat-Rückkühlung mit den Kühltürmen oder Wasser von den Flüssen, beim Klima kräftig mit.
Ihr Rückbau ist wegen dem hohen Strahlen-Risiko, deutlich teurer wie der Bau!!!
... die "Endlager-Frage," ist mit dem für Jahrtausende strahlenden Atom-Müll, auch in Finnland -n i c h t- gelöst!

Fri, 01/24/2025 - 21:15 Permalink
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Salto User
Oliver Hopfgartner Sat, 01/25/2025 - 09:01

Es gibt unterschiedliche Technologien, um sich die Kernkraft zu Nutze zu machen.

Was ich für grundlegend falsch halte ist die kategorische Ablehnung von Kernkraft, ausgerechnet durch Leute, die sonst stets betonen, dass ihrer Ansicht nach CO2 und Klimawandel die größten Bedrohungen für die Menschheit seien.

Wenn diese Leute das wirklich glauben, ist der in ihrer Denke unausweichliche CO2-Klimatod der gesamten Menschheit eindeutig das größere Risiko als Das Risiko eines Atomunglücks. Die negativen Konsequenzen eines Atmonunglücks sind im Vergleich zum Aussterben der gesamten Menschheit verhältnismäßig banal.

Umso absurder wird es, wenn man dann stattdessen auf fossile Quellen wie ausgerechnet Kohle zurückgreift, teuer Flüssiggas aus den USA importiert oder einfach Atomstrom aus dem Ausland zukauft.

Anders ausgedrückt könnte man sagen: Wenn wir es uns als Menschheit nicht zutrauen, ökonomisch, ökologisch und sicher Kernkraft zu betreiben, können wir uns die ganze Klimapolitik eh sparen, weil dann sind wir langfristig ohnehin nicht überlebens-/anpassungsfähig.

Daher würde ich mir eine ergebnisoffene Debatte über Atomkraft wünschen. Wenn es ökonomischere Varianten der Kernkraft gibt, die gleichzeitig unseren Ansprüchen an Sicherheit genügen, dann sollte man auf alle Fälle darüber diskutieren, ob man nicht doch besser auf andere Kernkraft-Technologien ausweicht, stets unter der Prämisse gedacht, dass CO2 die größte Bedrohung für die Menschheit ist.

Sat, 01/25/2025 - 09:01 Permalink
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nobody Sun, 01/26/2025 - 00:16

Ich persönlich erachte Kernkraft inklusive der einhergehenden radioaktiven Strahlung als gefährlicher als den CO2-Anstieg in der Atmosphäre. Was selten erwähnt wird: Man kann auch weniger Strom verbrauchen.

Sun, 01/26/2025 - 00:16 Permalink
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Thomas Benedikter Sun, 01/26/2025 - 17:16

Ich stimme Hopfgartner zu, dass es reichlich widersinnig ist, wenn man in einigen Industrieländer jetzt stärker auf Kohlekraftwerke zurückgreift, wie derzeit in Deutschland der Fall, um die nötige Grundlast bei der Stromerzeugung abzudecken. Atomstrom aus Frankreich zu importieren, was übrigens auch Italien tut, ist dafür wohl geeigneter, wenn auch teuer und weniger wirtschaftlich. Mein Beitrag hat auch zentral auf die Wirtschaftlichkeit der Kernkraft abgestellt, mal abgesehen von den Risiken. Es ist durch viele Studien erwiesen, dass das der teuerste und langwierigste Weg der Energieversorgung ist Warum viele Milliarden in den neuen Kraftwerkstyp stecken, wenn der Strom rascher und billiger mit den Erneuerbaren Energieträgern zu haben ist? Zudem ist längst durchgerechnet worden, dass sich Industrieländer komplett mit ern. Energie versorgen können, sofern rechtzeitig Speichertechnologien für die Grundlastabdeckung genutzt werden. Dort wären die Milliarden besser investiert als in den Atommeilern, die obendrein neue Abhängigkeiten von außen schaffen.

Sun, 01/26/2025 - 17:16 Permalink