Politics | Sicherheit

"Panikmache ist nicht die adäquate Antwort"

Wo ist der Landeshauptmann beim Thema Sicherheit, hieß es zuletzt immer wieder. Arno Kompatschers Antwort - auf hochgepushte Emotionen und ernstzunehmende Probleme.

Herr Kompatscher, das Thema Sicherheit ist derzeit omnipräsent. Wie unsicher ist Südtirol geworden?
Arno Kompatscher: Die Statistik spricht eine klare Sprache. Es gibt eine Zunahme bei Gewaltdelikten, also bei angezeigten Fällen von Körperverletzung, und auch bei Einbruchsdelikten. In anderen Bereichen, wie bei Mord oder Bankraub, wird dagegen eine Abnahme verzeichnet. Doch es ist eine Tatsache, dass sich die Sicherheitslage verändert hat. Das hängt auch mit zwei Dingen zusammen: einerseits der wirtschaftlichen Krise, anderseits mit den starken Migrationsbewegungen. Denn man muss klar feststellen, dass ein erheblicher Prozentsatz der Straftäter einen Migrationshintergrund hat.

Vor allem aus dem rechten politischen Lager wird der Regierung gerne vorgeworfen, solche Tatsachen unter den Tisch zu kehren. Zuletzt wurden Sie auch von der Bevölkerung selbst über E-Mails und Facebook-Eintragungen in die Zange genommen ...
...das waren 14 oder 15 Mails, und nicht eine Flut von Mails, wie berichtet wurde. Und ich weiß auch nicht, wann ich etwas unter den Tisch gekehrt haben soll, da ich bereits mehrmals auf die Risikogruppen hingewiesen habe. Zum Beispiel, dass eine höhere Gewaltbereitschaft vorwiegend bei jungen Männern registriert wird, die oft arbeitslos sind, keine Ausbildung und eben sehr oft auch einen Migrationshintergrund haben – wenn auch nicht ausschließlich, wohlgemerkt. In jedem Fall möchte ich schon unterstreichen, dass ich dieses Thema unabhängig von Mails oder Briefen sehr ernst nehme, und seit Monaten intensiv am Arbeiten bin.

Arbeitet Ihre Landesregierung intensiv genug, um der Bevölkerung wieder mehr Sicherheit zu garantieren?
Wir machen sehr, sehr viel, aber natürlich kann man immer noch besser werden. Doch wir versuchen alle verfügbaren personellen Ressourcen optimal auszunutzen. Sei es in der Prävention und Integration, wo  Landesabteilungen, Bezirksgemeinschaften und andere Partner involviert sind, sei es beim Thema Überwachung und Repression. Hier hat es in den vergangenen Monaten sehr viele Treffen mit den Sicherheitsbehörden gegeben. Die Polizeikräfte sind insgesamt verstärkt worden, vor allem in kritischen Bereichen und Zeiten wie den Nachtstunden. Auch die Finanzbehörde wurde nun erstmals in diese Tätigkeit miteinbezogen; wir haben auch versucht, die Gemeindepolizei stärker einzubinden, die Abschiebepraxis ist konsequenter geworden...

"Nur weil wir nicht jede Aktivität in einer Presskonferenz bekannt geben, sollte nicht der Eindruck entstehen, dass wir untätig sind."

Das heißt, die Südtiroler können sich eigentlich schon sicherer fühlen?
Es ist nicht so, dass man die Sicherheitslage von einem Tag auf den anderen um 180 Grad dreht. Doch wir setzen Schritt für Schritt Maßnahmen, um wieder ein verstärktes Gefühl von Sicherheit herzustellen und Straftätern konsequent zu begegnen. Es nützt aber klarerweise niemanden, wenn versucht wird, das ganze Problem noch einmal hochzupushen und Panik zu verursachen. Das ist nicht die adäquate Antwort.

Wer pusht das Problem hoch?
Das ist eben ein Thema, mit dem sich auch Zeitungen gut verkaufen lassen. Das heißt aber nicht, dass ich hier etwas kleinreden will. Ich nehme die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst, muss aber auch dafür sorgen, dass daraus keine Panik wird.  Jeder von uns sollte die berechtigten Sorgen vielmehr zum Anlass für ein Verhalten nehmen, das im heutigen Europa einfach notwendig ist. Also, die Bevölkerung, indem sie Maßnahmen zur eigenen Sicherheit trifft, wie das Abschließen von Türen. Und wir, indem wir beispielsweise als Institution auch bei den Polizeibehörden entsprechend Druck machen und Leistungen einfordern. Ich habe mich bei den jüngsten Vorfällen, wie jenem in der Diskothek Juwel, immer eingebracht, und auch über das Regierungskommissariat genau verfolgt, was unternommen wurde bzw. nachgebohrt, wo es Probleme gab. Dasselbe macht Integrationslandesrat Achammer in seinem Bereich der Prävention und Integration. Also, nur weil wir nicht jede Aktivität in einer Presskonferenz bekannt geben, sollte nicht der Eindruck entstehen, dass wir untätig sind.

Allein am Montag wurden von der Opposition mehrere Maßnahmen eingefordert – von einem Sicherheitsgipfel bis hin zu einer Landtagsdebatte. Treibt Sie vor allem die politische Konkurrenz aus dem rechten Lager in der Sicherheitsfrage vor sich her?
Ich würde sagen, da geht es um den Aktivismus einiger Parteien, der vielleicht auch im Hinblick auf die Wahlen zu deuten ist. Wir brauchen sicher keinen zusätzlichen Gipfel. Bereits diesen Mittwoch findet das nächste Treffen mit dem Sicherheitskomitee statt; erst gestern habe ich mich in der Frage zu einem bereits seit längerem vereinbarten Termin mit Regierungskommissarin  Elisabetta Margiacchi getroffen. Wir sind also ständig am Ball.

"Man muss klar feststellen, dass ein erheblicher Prozentsatz der Straftäter einen Migrationshintergrund hat."

Müssen Sie aufgrund der Zuspitzung der Problematik in Sachen Integration einen anderen Kurs fahren als Sie wollten?
Nein, wir fahren längst einen sehr konsequenten Kurs und den wollen  wir auch beibehalten. Ein Thema sind dabei Flüchtlinge, also Menschen, die um politisches Asyl ansuchen, das andere sind illegale Einwanderer und Wirtschaftsflüchtlinge. In beiden Bereichen gibt es klar definierte Regeln, auf deren Einhaltung wir pochen. Was die Migration anbelangt, haben wir aber immer noch weniger Personen in unserem Land als zum Beispiel das Bundesland Tirol.

Sind Forderungen nach mehr Zuständigkeit bei Einwanderung und Sicherheit so aussichtsreich wie jene nach der Doppelstaatsbürgerschaft?
Dieses Thema betrifft nicht nur Südtirol. Hier geht es um weltweite Zusammenhänge und eine Situation, in der aufgrund der aktuellen humanitären Katastrophe auch viele andere Regionen in Europa sind. Auch Italien fühlt sich bei der Flüchtlingswelle von Europa im Stich gelassen und ist überfordert mit der aktuellen Situation. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht auch einbringen wollen. Ich habe beispielsweise gemeinsam mit dem bayerischem Innenminister Herrmann und Tirols Landeshauptmann Platter die europäischen Innenminister aufgefordert, das Abkommen Dublin II noch einmal zu überdenken. Denn derzeit sind die Lasten, wer Flüchtlinge aufnimmt, ungleich verteilt in Europa – Italien, Österreich oder Deutschland tragen weit mehr als andere europäische Länder. Doch es ist vermessen zu glauben, dass man ein globales Problem auf lokaler Ebene so ohne weiteres löst.

"Es nützt klarerweise niemanden, wenn versucht wird, das ganze Problem noch einmal hochzupushen und Panik zu verursachen. Das ist nicht die adäquate Antwort."

Es wird aber auch kritisiert, dass die italienische Gesetzgebung zu wenig Handhabe bietet, Täter aus dem Verkehr zu ziehen...
Auch hier haben wir meist internationale Grundsätze als Basis, bei denen es vielfach um Fragen der Menschenrechte und Prinzipien wie „Keine Strafe ohne Prozess“ geht. Gerade bei Themen wie der Abschiebung zählt Italien aber keineswegs zu den weichen Ländern, sondern wurde bereits mehrfach von internationalen Organisationen kritisiert. Und es ist nicht nur in Italien Rechtspraxis, dass Straftäter für bestimmte Delikte nicht sofort in Untersuchungshaft gehen müssen – genauso wie es keine Besonderheit Italiens ist, dass das Strafgesetzbuch nationale Kompetenz ist und kein Ländergesetzbuch.

Gefährdet die aktuelle Diskussion die Bemühungen um ein neues Miteinander, das Landesrat Philipp Achammer im Bereich der Integration angekündigt hat?
Integration setzt zwei Dinge voraus: die Integrationswilligkeit der Zuwanderer und die Bereitschaft der ansässigen Bevölkerung, einen Schritt auf diese Menschen zuzumachen. Diesen Schritt einzufordern, wird aber nur gelingen, wenn der Bevölkerung das Gefühl vermittelt wird, dass die Lage unter Kontrolle ist. Das heißt, jeder Schritt und jede klare Regel im Bereich der Sicherheit sind auch im Sinne einer besseren Integration.

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Martin B. Tue, 02/24/2015 - 12:27

Ich bin einverstanden das Fortschritte nicht in Presskonferenzen, sondern in konkreten Taten sichtbar werden. Nur wenn Diebstahl unattraktiver wird, wird dies gelingen. Eine Aufgabe für Besitzer, Legislative und Exekutive.

Tue, 02/24/2015 - 12:27 Permalink
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Oskar Egger Wed, 02/25/2015 - 07:32

Mir gefällt es einfach nicht, daß es immer einen Angriff als Verteidigung gibt. Was machen denn die Medien schon? Über die meisten Übergriffe wird ja gar nicht berichtet. Und was heißt Panikmache? Die Tatsache, daß Bürger von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, gefällt denen natürlich nicht, die sich jahrzehntelang durch Schweigen des "Pöbels" auf ihren Lorbeeren (?) ausruhen konnten. Und wenn man das Bild Südtirol vor 50 Jahren mit dem heutigen vergleicht, darf auch erlaubt sein, dass so mancher sagt "nicht mit mir", oder? Veränderung ist gut, man darf doch aber darauf achten, dass sie zum Besseren ist, für alle, auch für unsere Nachkommen, oder? Das ist auch Aufgabe der Politik, dafür wird ungebührend bezahlt, bis heute.

Wed, 02/25/2015 - 07:32 Permalink