Drei Fragen zur Energiepolitik
Wie soll der Konflikt um die unrechtmäßig vergebenen Stromkonzessionen gelöst werden?
Der Südtiroler Energieverband plädiert für einen Dialog aller einheimischen Unternehmen, die sich in der Vergangenheit an Konzessionsvergaben beteiligt haben, um teure Neuausschreibungen zu verhindern – und fordert das Land gleichzeitig dazu auf, die Aktienmehrheit der Sel AG abzugeben. Schließlich hat das Land nur die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen und darf nicht als Akteur „in eigener Sache“ auftreten. Eine Rückkehr zum status quo ante ist deshalb, aber auch ausverwaltungsrechtlichen Gründen nicht möglich.
Wer soll am Geschäft mit dem Strom verdienen?
Am besten die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst, indem sie sich in Energiegenossenschaften zusammenschließen. Genossenschaftlich organisierte Produzenten und Verteiler bieten Energie schließlich billiger an als die privatwirtschaftliche Konkurrenz. Beispiele aus Südtirol bestätigen das. Die Preise einheimischer E-Werk-Genossenschaften liegen nicht nur klar unter dem staatlichen Richtpreis, sondern unterbieten auch die Angebote privater und öffentlicher Anbieter. Der Grund ist einfach: Als Selbstversorger dürfen Energiegenossenschaften Produktion und Verteilung – anders als private Unternehmen – unter einem Dach betreiben und sparen dadurch Geld. Zudem sind Genossenschaften von vielen „Systemkomponenten“ wie etwa Förderungsumlagen, die heute mehr als die Hälfte des Strompreises ausmachen, befreit und zahlen auch noch weniger Steuern. Gewinner dieses Preisvorteils sind die in Genossenschaften zusammengeschlossenen Konsumenten – und nicht private oder öffentliche Eigentümer von Versorgungsunternehmen.
Ihre drei wichtigsten Forderungen für die Neuausrichtung der Energiepolitik des Landes?
1) Die Entwicklung eines dezentral aufgestellten Landes-Energie-Netzwerks, das Großkonzessionäre ebenso einbindet wie Verbraucher, Stadtwerke, private Energieunternehmen und Energiegenossenschaften, die Gemeinden, das Land Südtirol und die Unternehmen der Sel-Gruppe. Der Südtiroler Energieverband spricht sich für einen fairen Interessensausgleich und für eine landesweite Koordinierung aus, die aber dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtet sein muss. So wenig zentrale Lenkung wie nötig, so viel Selbstbestimmung und Selbstverantwortung wie möglich: In diesem Sinne gibt das Land zwar den rechtlichen Rahmen vor, sollte sich aber aus dem operativen Geschäft im Bereich Energie zurückzuziehen. Der SEV will die Ressourcen und die Erfahrung einheimischer Akteure bündeln und wehrt sich gegen die Zerschlagung erfolgreich arbeitender kleiner Versorgungsbetriebe. Oberstes Ziel ist die flächendeckende Versorgung der Verbraucher zu günstigen Preisen.
2) Eine umfassende Neuregelung der Konzessionsvergabe für Wasserableitungen. Für Wasserkraftwerke mit einer Leistung über zehn Megawatt soll demnach ein international ausgeschriebener Wettbewerb mit hohen Umweltstandards eingeführt werden. Kraftwerke mit einer Leistung von drei bis zehn Megawatt sollen sich ebenfalls einem öffentlichen Wettbewerb unterziehen. Für Kleinkraftwerke mit einer Leistung unter drei Megawatt schlägt der Südtiroler Energieverband die Beibehaltung des bestehenden Verfahrens vor. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten wollen wir Energiebetrieben aus Südtirol bestmögliche Teilnahmevoraussetzungen einräumen. Bei der Konzessionsvergabe sind „klare Spielregeln“ unerlässlich: Transparenz und Objektivität müssen daher gewährleistet sein und die Sel AG darf als Bewerber nur für Großkonzessionen über drei Megawatt zugelassen werden.
3) Die kooperative Führung der Verteilung in vier Einzugsgebieten (Vinschgau, Etsch, Eisack, Rienz). Ziel ist eine einheitliche Führung der Stromnetze, ohne dass die Bezirks-Verteiler Eigentümer der Leitungen werden. Der Südtiroler Energieverband bevorzugt als Gesellschaftsform der Bezirks-Verteilungs-Betriebe die Genossenschaft. Zudem strebt der SEV die Bildung von zwei zentralen Institutionen an: Ein Landesstromkoordinator soll einheitliche Standards garantieren und zentrale Verwaltungsdienste übernehmen. Ein Landestrader könnte die einheimische Stromproduktion international vermarkten, Integrationsstrom erwerben und den Gratisstrom, zu dessen Abgabe Großkonzessionäre laut Autonomiestatut verpflichtet sind, an die Einrichtungen des Landes weitergeben. Beide Schlüsselpositionen könnte der Südtiroler Energieverband besetzen. Einheimischer – und umweltfreundlich erzeugter – Strom könnte dann zu einer Qualitätsmarke aufgebaut werden, die zur Positionierung Südtirols als „Green Region“ beiträgt.