Environment | Biowende?

Grüner wird’s nimmer?

Weniger Pestizide, mehr Bio und Kompetenzen für die Gemeinden, fordern die Grünen mit einem Gesetzentwurf. Die SVP lehnt ihn ab. Landesrat Arnold Schuler erklärt, warum.
Obstanbau im Unterland
Foto: Othmar Seehauser

Nichts zu machen, hieß es diese Woche für Hanspeter Staffler. Als Erstunterzeichner hatte der Grüne Landtagsabgeordnete einen Landesgesetzentwurf vorgelegt, mit dem die geltenden “Bestimmungen auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes” abgeändert werden sollten. Besonderer Schutz sensibler Zonen; die Übertragung der Zuständigkeit für die Ausbringungs- und Abstandsregelung vom Land auf die Gemeinden; ein komplettes Verbot von bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln; ein vollständiger Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide bis 2030; ein Lehrgang “Ökologischer Landbau” an den Landesfachschulen – all das wollten die Grünen unter dem Schlagwort “Biowende 2030” durchbringen.
Erfolglos. Mit fünf Gegenstimmen von SVP und Freiheitlichen und 3 Ja (Grüne, Team Köllensperger, PD) wurde der Gesetzentwurf am Dienstag Nachmittag im zuständigen II. Gesetzgebungsausschuss des Landtages versenkt.
Damit ist das Vorhaben “Ökowende 2030” nicht gestorben, sondern wird nichtsdestotrotz – samt negativem Bericht des Ausschusses – ans Plenum des Landtages weitergeleitet und dort diskutiert.

 

Die ablehnende Haltung der SVP mag verwundern – läuft doch bereits seit Ende 2017 eine Bio-Offensive, die der Bauernbund mit den Verbänden der biologischen Landwirtschaft und Unterstützung des Landes voranbringt. Das ehrgeizige Ziel: die Bioflächen bis 2025 verdoppeln und die Produktion von Bio-Äpfeln, -Beeren, -Ackerfrüchten und -Kräutern deutlich steigern. “Die biologische Landwirtschaft in Südtirol soll deutlicher und schneller wachsen als bisher.” So die Zielsetzung, die auch Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler teilt.

Doch die Frage, ob an Bio nun kein Weg mehr vorbei führe – wie es etwa die Grünen mit ihrem Gesetzentwurf in Aussicht stellen –, verneinte man bereits damals. Weil nämlich zum einen auch der Kunde mitspielen muss. “Die integrierte Landwirtschaft wird und soll keineswegs verschwinden”, brachte es Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler auf den Punkt, “sondern Bio soll so ausgedehnt werden, dass der Markt ausschlaggebend ist, um eine Überproduktion zu verhindern”. Soll heißen, das Mehr an biologischer Produktion muss mit einem wachsenden Absatzmarkt für biologische Produkte Hand in Hand gehen.

 

Zum anderen hält man sowohl beim Bauernbund als auch in Schulers Landwirtschaftsressort nichts davon, den Landwirten den Umstieg auf biologische Produktion von oben zu verordnen bzw. sie in eine bestimmte Produktionsweise hineinzuzwingen.
Obwohl Hanspeter Staffler als Einbringer des am Dienstag abgelehnten Gesetzentwurfes betont, dass er einzig darauf abziele, “den Ausstieg aus dem chemisch-synthetischen Pestizideinsatz zu forcieren und den Einstieg in den ökologischen Landbau zu erleichtern”, wiederholt Arnold Schuler seine Bedenken über einen Total-Umstieg auf Bio. In einer langen Stellungnahme schreibt der Landesrat:

“Kein Bereich ist so gut kontrolliert wie der Pflanzenschutz. Pflanzenschutzmittel sind die am besten überprüften Wirkstoffe, ihre Zulassung ist langwierig, teuer und streng. Beim Zulassungsverfahren von Wirkstoffen werden ihre Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt genauestens überprüft, unabhängig von der Art der Herstellung.
Es werden in beiden Anbauformen, sei im konventionell als auch im biologischen Anbau nur Präparate eingesetzt, die eine jahrelange Erprobung auf gesundheitliche Schädigung hinter sich haben.

Was wären die Folgen einer totalen Umstellung auf biologische Landwirtschaft, wie im Gesetzentwurf gefordert?

Berechnungen aus Deutschland zeigen, dass bei einem 100-prozentigen Umstieg auf biologische Landwirtschaft Ernteeinbußen bei den Ackererträgen von bis zu 40% (laut Greenpeacestudie) hingenommen werden müssten. Zudem ist der Umstieg auf biologische Landwirtschaft arbeits- und personalintensiver. Agrarwissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin und Agripol haben in einer Studie aus dem Jahr 2013 errechnet, dass im Falle einer vollständigen Umstellung auf Ökolandbau 12,1 Millionen Tonnen Weizen in Deutschland pro Jahr weniger produziert würden. Dies entspricht der Menge, die 184 Millionen Menschen (also alle Einwohner von Deutschland, Frankreich und Polen zusammen) pro Jahr für ihre Ernährung benötigen. Der Ernteverlust bei Kartoffeln entspräche der Menge, die 155 Millionen Menschen pro Jahr verzehren.
Eine 100-prozentige Umstellung auf biologische Landwirtschaft würde also bedeuten: Die Menschen müssten ihre Ernährungsgewohnheiten komplett ändern und dann auf eine Reihe von heimischen pflanzlichen Produkten verzichten und deutlich weniger Fleisch essen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist also auch eine Frage des Lebensstils: Was dürfen Lebensmittel kosten? Wie viel Fleisch muss sein? Muss ständig alles verfügbar sein? Wie soll Obst und Gemüse aussehen?

Welche Ziele sind realistisch?

Das Ziel der ehemaligen grünen Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast im Jahr 2002 war 20% Biolandwirtschaft bis 2010. Gerademal 7,5% sind davon bis heute verwirklicht worden. Im ausgehandelten Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD aus dem Jahre 2018 ist wieder das Ziel verankert, den Bio-Anteil in Deutschland auf 20 Prozent der gesamten Agrarfläche auszubauen. Diesmal bis 2030. Ob dieses Ziel erreicht wird ist mehr als fraglich. Denn um die Biofläche auf das gewünschte Ziel von 20 Prozent anzuheben, muss die Nachfrage nach Bio entsprechend mitwachsen.
Für Italien prognostizieren die Experten für den Apfelmarkt in den nächsten Jahren einen Marktanteil von 5% an biologisch produzierten Äpfeln im Lebensmitteleinzelhandel – Bio bleibt also vorerst eine Nische.  
Bayerische Bauern wissen inzwischen nicht mehr wohin mit der Biomilch.

Positive Aspekte des Obstbaus in Südtirol

Die Südtiroler Obstbauflächen produzieren Sauerstoff für 1,2 Millionen Menschen und binden somit 45.000 Tonnen CO2 pro Jahr.
Die direkten und indirekten Arbeitsplätze im Obstbau sind in Südtirol 36.000.”