Ferragosto
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Politics | Parlamentswahlen

Wahlkampf zu Ferragosto

Erstmals wird Italiens Parlament in der sommerlichen Ferienzeit gewählt

Zu Ferragosto ruht in Italien  das politische Geschehen. Die Strände sind voll, Senat und Abgeordnetenkammer geschlossen. In diesem Jahr aber ist alles anders. Die Halbinsel steuert auf vorgezogene Neuwahlen zu. Innerhalb 14. August müssen die Parteien ihr Listenzeichen bei den zuständigen Gerichten hinterlegen, zwischen 21. und 22. 8. müssen die Kandidatenlisten bei den Wahlämtern der Regionen eingereicht werden. Am 26. August wird der Wahlkampf offiziell eröffnet – mitten im Hochsommer und bei überfüllten Stränden. Gewählt wird vier Wochen  später – am 25.September. Man muss kein Hellseher sein, um unter solchen Voraussetzungen eine niedrige Wahlbeteiligung vorherzusehen. Noch abschreckender wirkt ein Blick auf die Protagonisten des sommerlichen Wahlkampfs. Silvio Berlusconis Rechtsallianz hat ihn bereits begonnen. Um dafür reines Feld zu schaffen, hat man zunächst ein wesentliches Hindernis beseitigt: den Störenfried Mario Draghi, der nicht nur im Rechtsbündnis viele Gegner hat, sondern auch in der Chaostruppe der Fünf Sterne. Es bleibt das Verdienst von Staatspräsident Sergio Mattarella, der in diesen Tagen seinen 81. Geburtstag feierte, Draghi zum Verbleib bis zu den Neuwahlen überredet zu haben – auch mit Blick auf die Partner in der EU, die dessen Rücktritt mit grösster Besorgnis verfolgten.

Ein Blick auf die zu erwartenden Spitzenkandidaten demonstriert einmal mehr, dass Erneuerung für Italiens Politik ein Fremdwort bleibt. Die drei Protagonisten des Rechtsbündnisses sind alles eher als neue Gesichter: Silvio Berlusconi mischt zwar im Wahlkampf mit, darf aber nach seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung selbst nicht kandidieren. Die ultrarechte Chefin der Fratelli d´Italia, Giorgia Meloni - seit einem Vierteljahrhundert in der Politik – lässt uns Beruhigendes wissen: "So come si governa l`Italia". Und verrät Überraschendes: "Governa chi vince alle urne".Und Lega-Chef Matteo Salvini, von dem den man nach einem Gerichtsurteil ungestraft behaupten darf, dass er in seinem Leben nie gearbeitet hat, will über den zukünftigen Regierungschef noch kein Wort verlieren. "Ci sarà una rosa di nomi per palazzo Chigi." Salvini, der sich gerne jugendlich gebärdet, ist seit 32 Jahren in der Politik.

 

Größtes Fragezeichen dieser Wahl bleibt freilich das Abschneiden der krisengeschüttelten Fünf Sterne-Bewegung, der nach den internen Grabenkämpfen der letzten Monate ein wahres Debakel prognostiziert wird – ein veritabler Absturz von 32,7 auf  9,6 Prozent – ein politischer Erdrutsch, von dem sie sich kaum erholen dürfte. Da wirkt es eher bizarr, wenn der angeschlagene M5S-Vorsitzende Giuseppe Conte nun versichert: "I veri progressisti siamo noi." Dass der Fünf-Sterne-Mitbegründer Beppe Grillo sich jetzt für die Beibehaltung der weitgehend missachteten  Höchstgrenze von zwei Mandaten in Kammer und Senat ausspricht, macht durchaus Sinn, dürfte aber im Rennen um die Kandidaturen wenig erfolgreich sein. Ein Großteil ihrer Parlamentarier hat diese Regel über Jahre missachtet. Neue Bündnisse zeichnen sich ab. So umwirbt PD-Chef Letta bereits Luigi Di Maio, Matteo Renzi und Carlo Calenda zur Auslotung eines Wahlbündnisses.

In diesem Chaos gibt es nur eine positive Nachricht: die Spaltung von Berlusconis Partei Forza Italia, aus der sich jene (vorwiegend weiblichen) Vertreterinnen verabschiedet haben, die sich trotz jahrelanger Bücklinge noch einen Rest von Rückgrat bewahrt haben.

Der Corriere della Sera geht indessen in einem gnadenlosen Leitartikel scharf mit jenen ins Gericht, die Draghi das Vertrauen entzogen haben: "Nessuno ha avuto il coraggio di prendersi la responsabiltà diretta della caduta del governo. Ora gli stessi autori preterintenzionali della crisi si presenteranno davanti agli italiani assumendo con la dovuta solennità una serie di impegni per la prossima legislatura."  In diesem Chaos gibt es nur eine positive Nachricht: die Spaltung von Berlusconis Partei Forza Italia, aus der sich jene (vorwiegend weiblichen) Vertreterinnen verabschiedet haben, die sich trotz jahrelanger Bücklinge noch einen Rest von Rückgrat bewahrt haben. Eines steht schon vor der Wahl fest: der Kampf um den Einzug ins Parlament wird härter, da nach dessen erfolgter Verkleinerung 345 Sitze weniger zur Verfügung stehen.

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Josef Fulterer Tue, 07/26/2022 - 06:11

Bleibt nur zu hoffen, dass die um 345 Sesselwärmer reduzierte Truppe, sich ernsthaft an die Arbeit macht, um Italien wirklich zu regieren und nicht "mit dem auch von unseren Parlamentariern Meister-haft beherrschten Spielchen des Stimmen-Handels-Verkaufs," das Land und die Wirtschaft maltretieren.

Tue, 07/26/2022 - 06:11 Permalink