Prissian: Wer ist "Wir"?
Fließendes Wasser, Trauben, alte Höfe, Stadel und das herrliche Schloss Katzenzungen, säuberlich gestapeltes Brennholz, ein laufendes Kind in Lederhose, alles in sanftes Sonnenlicht getaucht und von einlullender Musik hinterlegt: Was nach einem idyllischen Tourismusvideo aussieht, ist vielmehr eine bildhafte Erklärung für eine in Südtirol bislang nie in dieser Deutlichkeit formulierte Forderung: „Für die Schließung des Asylheims in Prissian“, lautet der Titel einer vor vier Tagen lancierten Facebook-Seite der „Bürgerinitiative Unser Prissian“. Begleitend zu den einnehmenden Bildern, die offensichtlich das Gefühl der heilen Heimat vermitteln sollen, die passende Gründungserklärung:
„Die 'Bürgerinitiative - Unser Prissian' ist eine überparteiliche Organisation, die sich dem Erhalt der Prissianer Dorfgemeinschaft verschrieben hat. Das Ziel der Bürgerinitiative ist die Schließung des Asylheims in Prissian, welches gegen unseren Willen errichtet wurde. Es ist unser Dorf. Wir wollen selbst bestimmen, ohne von der Landespolitik hintergangen zu werden. Mehr noch wollen wir ein Vorbild für alle Bürger des Landes sein, die sich nach einer sicheren, selbstbestimmten und freien Heimat sehnen und sich dabei nicht mehr von den Wahlversprechen der Parteien blenden lassen."
Angekreidet wird in diesem Manifest auch die „fehlende Transparenz seitens der Landesregierung“ und das „Unverständnis der Medien“, die zur Gründung der Bürgerinitiative beigetragen hätten. „Während diese die Gefahren, die mit dem Asylheim einhergehen, herabspielen oder gar leugnen, bestätigen zahlreiche Beispiele aus ganz Europa, dass die Ängste unserer Dorfgemeinschaft nicht unbegründet sind“. Prissian dürfe nicht zum Abstellgleis für Probleme und Experimentierfeld der Politik werden, heißt es darin weiters. „Wer, wenn nicht wir, die Bürger von Prissian, sollen über die Zukunft unseres Dorfes entscheiden?“
Anonyme Macher
Um wen es sich bei dem „Wir“ handelt, bleibt allerdings mit einem großen Fragezeichen versehen. Denn die Macher der Seite bleiben anonym. Auch weil man bereits „im Vorhinein damit gerechnet habe, dass Verleumdungen und Hetzparolen anstatt Argumente eingehen werden“, heißt es in einem Kommentar der Seitenbetreiber. Dabei findet sich in den Diskussionen auf der jungen Facebook-Seite mit derzeit 228 Likes ein besonders wichtiges Argument: Viele Prissianer wollen sich nicht unter das „Wir“ der Initiative einordnen. Es gebe sehr viele Menschen in Prissian, die bereits sind, die „Herausforderung Flüchtlingsheim“ gemeinsam und aktiv anzugehen, heißt es darin unter anderem. „Wir fühlen uns von Euch keineswegs vertreten“, lautet eine mehrmals geäußerte Botschaft.
Offiziell wollen sich vorerst auch die dorfinternen Kritiker der Seite nicht äußern. Denn dort ist man nicht nur besorgt, dass die bisher gut gemeisterte Aufnahme der Flüchtlinge für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Auch eine Spaltung des Dorfs in zwei Lager ist "das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte", erklärt ein Prissianer.
Bekehrter Bürgermeister
Ganz offene Kritik an der Initiative äußert dagegen bereits jetzt Tisens Bürgermeister Christoph Matscher. Noch vor dem Sommer hatte auch er starke Zweifel an der vom Land verfügten Zuteilung von 40 Flüchtlingen an seine 1874 Einwohner starke Gemeinde geäußert. „Ja, ich war anfangs ein bissl skeptisch“ sagt Matscher heute, „doch nach der Ankunft der Flüchtlinge Anfang Juli hat sich gezeigt, dass es keine bzw. nur minimale Probleme gibt.“ Statt des befürchteten gestörten Dorffriedens beobachtet der Bürgermeister eine breite Solidarität gegenüber den Flüchtlingen von Seiten der Bevölkerung. „Wir haben viele fixe Freiwillige, aber auch viele Menschen, die spontan vorbei kommen und Sachgüter oder ihre Unterstützung anbieten“, sagt Matscher. Umso unverständlicher ist für ihn die nun gestartete Initiative: „Man weiß wirklich nicht, wer dahinter steht“, sagt auch der Bürgermeister. „Ich persönlich glaube, dass es nur einige wenige Personen sind.“
Die Annahme, dass diese wie in manchen Kommentaren gemutmaßt, zumindest teilweise nicht einmal aus Tisens kommen, ist für den Bürgermeister plausibel. Er hofft nun, dass die Aktion einiger Aufwiegler nicht die neue und insgesamt positive Erfahrung stört, die das Dorf in den vergangenen Wochen gemacht hat. „Wir kennen bei uns ja praktisch keine Ausländer”, hatte der Erste Tisner Bürger noch Ende Juni erklärt. Nun haben sie seine Mitbürger auf weit unproblematischere Weise kennengelernt als befürchtet. Doch das passt offenbar nicht allen.
„Während diese die Gefahren,
„Während diese die Gefahren, die mit dem Asylheim einhergehen, herabspielen oder gar leugnen, bestätigen zahlreiche Beispiele aus ganz Europa, dass die Ängste unserer Dorfgemeinschaft nicht unbegründet sind“
Welche Gefahren mit einem Asylheim einhergehen, möchte ich gerne mal erklärt bekommen.
Zum Ersten: Ich möchte dem
Zum Ersten: Ich möchte dem Bürgermeister von Tisens und den Helfer/inne/n ein Kompliment aussprechen. Ich finde es schön, wenn er durch die positive Erfahrung, die Meinung geändert hat. Ich glaube man soll sich von solchen Initiativen nicht einschüchtern lassen und die Medien sollen diesen Gruppen auch nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, denn das ist Werbung für ihre Ideen.
Zum Zweiten: Das Wort Asylheim gibt es weder im Duden noch auf Wikipedia.
Verwendet werden entweder das Wort Asyl, so wie es im Italienischen für Asilo (Kindergarten) oder Asilo Nido (Kindertagesstätte) verwendet wird, Im Deutschen auch z. B. Obdachlosen-Asyl. Also mit keiner negativen Notation. In Deutschland wird allgemein von Asylantenwohnheimen gesprochen, wenn Unterkünfte für Politisch-Asylsuchende gemeint sind.