Die Last der Arbeit

“Vibrationen von Werkzeugen und Maschinen, starker Lärm, hohe und tiefe Temperaturen, Einatmen von Staub, Rauch und Abgasen: Bei körperlich belastenden Einflüssen in der Arbeitsumgebung steht Südtirol nicht gut da.” Zu diesem Fazit kommt das Arbeitsförderungsinstitut (AFI) in seinem Forschungsbericht zu den Arbeitsbedingungen in Südtirol.
Die Forscher um Arbeitspsychologe Tobias Hölbling haben die körperlichen Stressfaktoren bei der Arbeit erhoben und mit jenen in anderen europäischen Ländern verglichen. Ein Ergebnis: Beim Tragen von Lasten und bei sich ständig wiederholenden Arm- oder Handbewegungen weist Südtirol die schlechtesten Werte auf und liegt auch über dem EU-Durchschnitt. “Fast jeder dritte Südtiroler Beschäftigte, 32,9 %, gibt an, mindestens ein Viertel der Arbeitszeit Lasten zu tragen oder zu bewegen”, berichtet Hölbling. Am meisten von körperlicher Belastung am Arbeitsplatz betroffen sind, “wie zu erwarten”, so Hölbling, das Transportwesen und die Logistik, die Landwirtschaft, das Handwerk und besonders stark: das Baugewerbe.
Die Folgen hoher körperlicher Belastung? In Südtirol werden dem Arbeitsunfallversicherungsinstitut INAIL jährlich etwa 250 bis 300 Fälle von Berufskrankheiten gemeldet, die großteils auf körperliche Risikofaktoren zurückgehen. “In den letzten Jahren hatten wir einen deutlichen Anstieg von Krankheiten, die von ungünstigen Körperhaltungen, stets gleich Bewegungen oder dem Tragen von Lasten verursacht werden”, sagt INAIL-Direktorin Mira Vivarelli.
Bei anderen Indikatoren hingegen stehe Südtirol besser da, so Hölbling. Weniger oft als der EU-Durchschnitt müssten die Südtiroler Beschäftigten etwa ermüdende oder schmerzhafte Körperhaltungen einnehmen. Auch das lang andauernde Sitzen sei nicht so stark verbreitet.
Die Empfehlungen des AFI? “Es kann nur darum gehen, den Umgang mit den Arbeitsbedingungen zu ändern, Stichwort Verhaltensprävention und betriebliche Gesundheitsförderung”, rät der Arbeitspsychologe. In diesem Sinne empfiehlt das AFI auf Seite 34 seines Berichts unter anderem, die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz mittels Gesetzen vorzugeben, um die körperlichen Belastungen zu minimieren.
Davon hält Gert Lanz überhaupt nichts. Der lvh-Präsident sagt: “Die Arbeitswelt noch stärker zu reglementieren wäre widersinnig.” Diese eine Aussage der AFI-Erhebung stoße unter den Handwerkern auf negatives Feedback, lässt Lanz ausrichten und erklärt, warum: “Der Großteil von Südtirols Handwerksbetrieben sind Familienbetriebe mit durchschnittlich 3,3 Mitarbeitern, die täglich selbstverständlich und natürlich Gesundheitsmanagement betreiben. Sie wissen, dass nur gesunde, motivierte und leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die entscheidenden Erfolgsfaktoren für Unternehmen sind.” In den letzten zwanzig Jahren sei im Bereich der Arbeitssicherheit “ein starkes Umdenken angestoßen” worden, um gesundheitliche Spätfolgen zu reduzieren. “Was die Sicherheit und die Gesundheit in Unternehmen angeht, sollten wir alle am selben Strang ziehen, weitere unnötige bürokratische Entlastungen vermeiden und stattdessen nachhaltig wirksame Maßnahmen andenken”, so Lanz. “Weitere Reglementierungen sind in diesem Bereich eher kontraproduktiv.”